Hamburg hat gewählt und ist sich dabei grundsätzlich treu geblieben. Den ersten Zahlen zufolge reichte es am Sonntag für eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition aus SPD und Grünen. Die Sozialdemokraten in der Hansestadt jubelten, weiter südöstlich in der Spreemetropole allerdings blieb es vergleichsweise ruhig. Die SPD-Parteizentrale in Berlin hatte vorausschauend keine Pressekonferenz auf die Tagesordnung gesetzt, erst am Montag wurden Statements im Willy Brand Haus erwartet. Die Zurückhaltung hat zum einen mit den laufenden Sondierungsgesprächen zwischen Union und SPD zu tun. Darüber hinaus gibt es nicht wirklich etwas zu feiern für die SPD.
Im Jahr 2011 gelang der SPD in der Elbestadt ein Überraschungscoup. Nachdem zuvor die CDU dominiert hatte, legten die Sozialdemokraten 14 Prozentpunkte zu und gewannen die Bürgerschaftswahl mit 48,4 Prozent. Danach jedoch ging es abwärts. Nach zunächst noch bemerkenswerten 45,8 Prozent in 2015 stand fünf Jahre später eine Drei vor dem Ergebnis (39,2 Prozent). Am Sonntag rutschte die SPD weiter ab. Das Ergebnis ist immer noch etwa doppelt so gut wie das SPD-Resultat bei der Bundestagswahl vergangene Woche. Aber auch in der Hansestadt schreitet die Erosion fort.
Wahl in Hamburg zeigt ähnliches Bild wie im Bund
SPD-Spitzenkandidat Peter Tschentscher, der mit lauten „Peter, Peter“-Rufen gefeiert wurde, verwies auf die besondere Lage, in der sich seine Sozialdemokraten befanden. Sie mussten nicht nur einen Wahlkampf für die Landespartei, sondern auch einen für die Bundes-SPD führen. „Die Lage war für uns kniffelig“, fasste der Hanseat zusammen und ergänzte: „Aber wir haben es hinbekommen.“ Trotz des schlechten Ergebnisses für die SPD im Bund habe man in Hamburg gekämpft und es geschafft. Tschentscher wird wohl die Koalition mit den Grünen fortsetzen. Deren Spitzenkandidatin Katharina Fegebank war vor Freude komplett aus dem Häuschen. Ihr Mascara verlief, die Wortwahl verrutschte, diese war in der Euphorie des Vortrags dem Ergebnis nicht wirklich angemessen. Hamburg sei ja „politisch so was von stabil“, jubelte Fegebank und hatte damit praktisch alles gesagt.
Darüber hinaus ist Hamburg vom Trend her ein Abbild der Entwicklung im Bund. Die Union konnte nach ihrem dramatisch schlechten Ergebnis bei der letzten Wahl diesmal hinzugewinnen. Die Grünen verloren an Zustimmung, die Linkspartei gewann dazu. Die AfD legte deutlich zu, könnte ihr Ergebnis womöglich verdoppeln. Die FDP schaffte den Einzug in die Bürgerschaft nicht, das BSW scheiterte ebenfalls.
Hamburger Bürgerschaftswahl: AfD deutlich stärker
Die Wahl in der Hansestadt dürfte den Sozialdemokraten aus einem weiteren Grund zu denken geben. SPD-Spitzenkandidat Peter Tschentscher konnte auf hohe Beliebtheitswerte bauen. Der Erste Bürgermeister der Hansestadt ist beliebt. Ganz anders als Kanzler Olaf Scholz, der als SPD-Spitzenkandidat im Bundestagswahlkampf mit seinen Werten vor allem Herausforderer Friedrich Merz (CDU) hinterherlief. Wäre Scholz beliebter gewesen, hätte das sicherlich aufs SPD-Konto insgesamt eingezahlt. Mit Blick auf die Zukunft heißt das, dass die Führungsdebatte bei den Sozialdemokraten SPD nach dieser Hamburg-Wahl mit frischen Argumenten fortgesetzt wird.
Denn SPD-Co-Chef Lars Klingbeil hat sich zwar noch schnell zum Fraktionsvorsitzenden wählen lassen. Der Norddeutsche will offenbar die neue Nummer eins in der Partei und Vizekanzler in einer von Merz geführten Regierung werden. Ob die Genossinnen und Genossen das zulassen, scheint indes fraglich. Die Kritiker, viele aus dem mächtigen Landesverband Nordrhein-Westfalen, haben sich auf einen Burgfrieden verständigt, der bis zum Abschluss der Sondierungsgespräche und möglicher Koalitionsverhandlungen anhalten soll. Danach kann es laut werden bei der SPD.
Kommt Pistorius doch noch?
Vielen Sozialdemokraten gilt Verteidigungsminister Boris Pistorius immer noch als der beste Mann an der Parteispitze. Der nächste reguläre SPD-Wahlparteitag findet im Dezember statt. Im Moment erwarten einige Sozialdemokraten, dass Klingbeils Rolle in der Partei sowie seine persönliche Verantwortung für den Niedergang der SPD dabei viel stärker diskutiert wird, als es jetzt der Fall ist.
Zusammen mit der SPD müssen sich CDU und CSU fragen, welche Lehren aus Hamburg für die Inhalte einer zukünftigen Regierungsarbeit zu ziehen sind. Die Argumentation, dass sich die AfD von selbst erledigt, wenn die drängendsten Probleme angepackt und ausgeräumt werden, lässt sich am Beispiel der Hansestadt nicht halten. Das Durchschnittsgehalt dort ist deutlich höher als in den meisten anderen Bundesländern, die Stadt steht finanziell solide da. Durch die verschärfte Asylpolitik des Bundes kommen deutlich weniger Flüchtlinge – die Stadt hat unter anderem damit begonnen, Turnhallen wieder freizugeben, die zuletzt für die Unterbringung von Geflüchteten benötigt wurden.
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