Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Bundeskanzler Olaf Scholz absolviert in Eichwalde seinen letzten öffentlichen Termin

SPD

OLaf Scholz‘ Abschied kommt schon nach 1245 Tagen

    • |
    • |
    • |
     Die Tage des Olaf Scholz als Kanzler sind gezählt. 
    Die Tage des Olaf Scholz als Kanzler sind gezählt.  Foto: Michael Kappeler, dpa

    Etwa 24 Stunden vor dem Ende seiner Amtszeit wird Olaf Scholz eine Begeisterung zuteil, die er sich die letzten Jahre wohl öfter gewünscht hätte. „Olaf, Olaf“, schallt es über den Hof des Humboldt-Gymnasiums Eichwalde. Der Kanzler lächelt, schreitet das Spalier der Schülerinnen und Schüler ab. Als er einem Jugendlichen begleitet von lautem Jubel ein Autogramm gibt, scheint für einen Moment alles weit weg. Das Platzen der Koalition, die Niederlage bei der Bundestagswahl, das vorzeitige Ende seiner Zeit als Regierungschef. Es ist an diesem Montagvormittag der letzte öffentliche Auftritt des SPD-Politikers als Kanzler. Sollte Friedrich Merz am Dienstag wie geplant vom Bundestag zum zehnten Bundeskanzler gewählt werden, endet Scholz‘ Amtszeit nach 1245 vollen Tagen mit der Übergabe der Ernennungsurkunde an Merz.

    „Ich bin Olaf Scholz. Ich bin Abgeordneter und Bundeskanzler. Ach so, und von Beruf bin ich Rechtsanwalt“, stellt sich der 66-Jährige kurz darauf vor. In einem nicht sehr großen Raum des Gymnasiums haben sich etwa 200 Menschen versammelt, Anlass ist der EU-Schulprojekttag. Eichwalde liegt in Brandenburg, 40 Autominuten entfernt gehen Scholz‘ Sozialdemokraten in Berlin zur selben Zeit die letzten Schritte auf dem Weg zu einer neuen Regierung mit der Union. Parteichef Lars Klingbeil stellt die SPD-Mitglieder des Kabinetts vor, der Koalitionsvertrag wird unterzeichnet.

    Scholz nicht mehr im Mittelpunkt

    Scholz hat mit alldem nur noch als Zuschauer von der Abgeordnetenbank tun. Die Ampel-Regierung werde mit ihm als Kanzler nach Hause gehen, hatte er immer wieder erklärt. Im Sommer letzten Jahres dämmerte ihm, dass er da wohl einem Irrtum unterliegen könnte. Die ohnehin sperrige Regierungszusammenarbeit mit den Grünen und der FDP wurde zusehends holpriger, Anfang November ging es nicht mehr weiter. Scholz feuerte seinen Finanzminister Christian Lindner (FDP), die Ampel-Koalition war Geschichte.

    Die Schülerinnen und Schüler im Humboldt-Gymnasium sind freundlich, sie fragen nicht nach seiner größten politischen Niederlage. Stattdessen geht es um Europa, was allerdings auch ein bisschen fies ist, schließlich wird Scholz auch nicht als großer Europäer in die Geschichte eingehen. Zu wenig habe er sich um das Projekt Europa gekümmert, monieren seine Kritiker. Die Europaflagge im Rücken drückt das symbolhaft aus – sie wurde aus Versehen verkehrt herum aufgehängt.

    Ehrung mit Zapfenstreich

    Was für ihn typisch europäisch sei, will eine Schülerin wissen. Demokratie, der Rechtsstaat „und dass wir keine imperialistische Macht sein wollen“. Scholz ist im dunkelblauen Anzug gekommen, weißes Hemd, keine Krawatte. Er lächelt zwischendurch sein verschmitztes Scholz-Lächeln, es scheint fast so, als ob er die Last der Kanzlerjahre abgeschüttelt hat und befreit zuschauen kann, wie sich nun CDU-Chef Friedrich Merz anschickt, sein Nachfolger zu sein.

    Aber es dauert nicht lange, und er gerät in den Kanzlermodus. Seine Stimme wird so leise, dass sie trotz der Lautsprecheranlage manchmal kaum zu verstehen ist. Scholz doziert, wo er doch die Schülerinnen und Schüler um sich herum für Europa begeistern sollte. Sie sind die Zukunft, er die Vergangenheit, da könnte man es hier bei diesem Termin vielleicht ein wenig krachen lassen. Ein paar Stunden später wird er noch reichlich Gelegenheit haben für Staatstragendes: Die Bundeswehr hält ihm zu Ehren im Bendlerblock einen Großen Zapfenstreich ab. Aber Scholz taut nicht auf. Welcher europäische Regierungschef ihm am sympathischsten gewesen sei? „Die Frage werde ich ab meinem 80. Lebensjahr beantworten.“

    AfD ist stärkste Kraft

    Eichwalde ist eine hübsche 6500-Seelen-Gemeinde im Dahme-Spreewald-Land. Ein- und Zweifamilienhäuser liegen eingebettet zwischen viel Grün. Den Leuten geht es offensichtlich gut, die Immobilienpreise haben fast Hauptstadt-Niveau. Bei der letzten Bundestagswahl holte die AfD hier die meisten Stimmen, der Wahlkreis ging an einen AfD-Kandidaten. Ob unter einer rechten Partei Demokratie noch möglich sei, will eine Schülerin wissen. Scholz guckt ernst, er redet jetzt lauter. Es gehe hier um den Fortbestand der Demokratie, erklärt er. Er nennt die AfD beim Namen und sagt, dass alle rechten Parteien wieder kleiner werden müssten. Schon seine Vorgängerin Angela Merkel (CDU) wollte die AfD halbieren, Scholz hatte das ebenfalls vor – gelungen ist es beiden nicht. Ganz im Gegenteil: Inzwischen liefert sich die gesichert rechtsextreme Partei zumindest in Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen mit der Union. Wird auch das ein Erbe seiner Kanzlerschaft sein? Der Frust vieler Menschen über die etablierte Politik?

    Scholz bleibt Abgeordneter

    Sechs Mal ist Scholz direkt in den Bundestag gewählt worden. Er war SPD-Generalsekretär, Bundesarbeitsminister, Erster Bürgermeister von Hamburg, Finanzminister und Vizekanzler, ab Dezember 2021 Regierungschef. Ganz wichtig sei ihm „die Ehre, die es darstellt, der neunte Kanzler der Bundesrepublik“ zu sein, betont er. „Und was machen Sie morgen?“, fragt ein Schüler. „Eins ist ja klar“, antwortet Scholz, „ich bin ja Abgeordneter.“ Reich werde er nicht werden, auch keinen Lobbyismus machen. Gute Ratschläge an seinen Nachfolger will er sich sparen, da hält er es offenbar ganz mit Angela Merkel. „Ich werde nicht täglich morgens im Radio sagen, was die Regierung alles falsch macht“, verspricht Scholz. Stattdessen werde er als Politiker einen Beitrag dazu leisten, dass die Menschen im Land gut leben könnten. „Das werde ich, wenn ich so lange lebe, die nächsten 30 Jahre tun.“

    Immerhin ein ganz konkretes Vorhaben hat er noch: Kisten packen. In seinem Büro im Kanzleramt haben sie sich in den vergangenen Tagen schon gestapelt. „Ich gehe sicher davon aus, dass, wenn das morgen so sich vollzieht, wie wir uns alle das vorstellen, dass der künftige, der neue Bundeskanzler dann in ein sehr aufgeräumtes Büro einziehen kann“, versprach sein nun ebenfalls scheidender Regierungssprecher Steffen Hebestreit.

    Diskutieren Sie mit
    1 Kommentar
    Rainer Kraus

    Schaumermal ob Fritz Merz nicht den Rekord von Olaf Scholz toppen kann?

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden