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Cum-Ex-Skandal: "Mister Cum-Ex" Hanno Berger verbringt den Lebensabend hinter Gittern

Cum-Ex-Skandal

"Mister Cum-Ex" Hanno Berger verbringt den Lebensabend hinter Gittern

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    Der Steueranwalt Hanno Berger ist zu acht Jahren Haft verurteilt worden.
    Der Steueranwalt Hanno Berger ist zu acht Jahren Haft verurteilt worden. Foto: Oliver Berg, dpa

    Hanno Berger ist ein Mensch, der keinen Hehl daraus macht, dass er sich den meisten anderen überlegen fühlt. Und wahrscheinlich hat er damit sogar recht. Der Pastorensohn aus Hessen, der in seiner Jugend Bach-Sonaten auf der Violine spielte und Altgriechisch lernte, hat es weit gebracht. Zuerst als gefürchteter staatlicher Steuerprüfer, vor dem die ganz dicken Fische zitterten. Später dann auf der anderen, der eher dunklen Seite der Macht. Wie kaum jemand sonst fand der renommierte Anwalt Mittel, Wege und Lücken, um seinen vermögenden Mandanten Geld zu sparen und damit selbst reich zu werden. „Steuergestaltung“ nannte er selbst das gerne. 

    Berger schien schlichtweg cleverer zu sein als andere. Banken, Investoren und Millionäre standen bei ihm Schlange – obwohl sie zumindest ahnen konnten, dass sie sich nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich auf oblatendünnem Eis bewegten. Tatsächlich wurden Staaten mit den von Berger genutzten Praktiken um Milliardensummen an Steuereinnahmen betrogen. Als das dünne Eis die ersten Risse bekam und die Ermittler im Jahr 2012 seine Büros und Privaträume durchsuchten, war er selbst schon unterwegs in sein Ferienhaus in den Schweizer Bergen. Dort wähnte er sich sicher vor dem Zugriff der deutschen Behörden. Und blieb es auch jahrelang, obwohl am Ende sogar ein internationaler Haftbefehl gegen ihn vorlag.

    "Mister Cum-Ex" Hanno Berger muss für acht Jahre ins Gefängnis

    Wie so oft zuvor schien er den anderen einen Schritt voraus zu sein. Doch an diesem Dienstag wurde der 72-Jährige doch noch von seiner Vergangenheit eingeholt: Das Landgericht Bonn verurteilte „Mister Cum-Ex“, die Schlüsselfigur im wohl größten Steuerskandal der deutschen Geschichte, wegen Steuerhinterziehung in drei Fällen zu acht Jahren Gefängnis. 

    Es ist das vorläufige Ende eines jahrelang von beiden Seiten erbittert geführten Kampfes um die Auslegung des hoch komplizierten deutschen Steuerrechts. Berger arbeitete in seinem vermeintlich sicheren Exil regelrecht besessen daran, zu beweisen, dass er sich und seinen Kunden lediglich Unschärfen im Gesetz zunutze gemacht hatte. Für die Strafverfolger hingegen bestand kein Zweifel, dass seine Steuertricks nicht nur moralisch fragwürdig, sondern auch illegal gewesen sind, selbst wenn sie jahrelang von niemandem durchschaut worden waren.

    Hanno Berger im Dezember 2020. Damals besuchten wir „Mister Cum-Ex“ in seinem Exil in den Schweizer Bergen.
    Hanno Berger im Dezember 2020. Damals besuchten wir „Mister Cum-Ex“ in seinem Exil in den Schweizer Bergen. Foto: Michael Stifter

    Bei Cum-Ex ging es darum, rund um den Tag der Hauptversammlung, an dem börsennotierte Konzerne einen Teil ihrer Gewinne ausschütten, mit deren Aktien zu handeln. Auf diese sogenannten Dividenden werden Abgaben fällig, die sich der Anteilseigner später via Steuererklärung wieder erstatten lassen kann. Da die Wertpapiere im voll digitalen Handel binnen Sekunden immer wieder den Besitzer wechseln, konnte später aber nicht zweifelsfrei nachvollzogen werden, wem sie im Moment der steuerpflichtigen Gewinnausschüttung tatsächlich gehört hatten. Manche Marktteilnehmer handelten sogar mit Aktien, die sie noch gar nicht hatten. 

    Im Ergebnis bedeuten diese Geschäfte, dass mehrere Aktionäre gleichzeitig für einen Unternehmensanteil Eigentumsansprüche erheben und damit auch die vermeintlich entrichteten Steuern geltend machen konnten. Der Fiskus erstattete Anlegern also Steuern, die sie in Wahrheit nie bezahlt hatten. Cum-Ex kostete allein den deutschen Staat einen zweistelligen Milliarden-Betrag.

    Hanno Berger wurde durch das Cum-Ex-System ein reicher Mann

    Hanno Berger hat sich dieses System nicht ausgedacht, aber er hat es wie kaum ein anderer perfektioniert und an seine Kunden vermarktet. Er wurde damit ein sehr gefragter Mann – und Millionär. Als unsere Redaktion ihn vor knapp zwei Jahren in der Schweiz besuchte, zeigte er keinerlei Reue oder schlechtes Gewissen. „Als Bürger habe ich genau eine Verpflichtung gegenüber dem Staat: Ich muss mich nur an die geltenden Gesetze halten, und genau das haben wir getan“, sagte er selbstbewusst. Der Mann, dessen Arbeitstage nie vor Mitternacht geendet hatten, der sich mehr reingehängt hat als andere, der mehr wusste, weil er mehr wissen wollte, fühlte sich irgendwann sogar dem Gesetzgeber überlegen.

    Der Jurist wähnte sich als Justizopfer, wetterte aus der Ferne gegen die vermeintliche „Bananenrepublik Deutschland“ und machte sich lustig darüber, dass er zu Hause zum „Staatsfeind Nummer 1“ stilisiert wurde. Sarkastisch sagte er: „Es ist nicht meine Aufgabe, eine unzureichende Gesetzgebung zu reparieren und immer daran zu denken, was der Staat sich vielleicht dabei gedacht haben könnte.“ Für ihn sei „Steuergestaltung“ ein sportlicher Wettkampf – mal gewinne man und mal verliere man eben. 

    Dass er selbst verlieren könnte und ihn die Schweizer Behörden ausliefern würden, hielt er für ausgeschlossen. Doch wenige Monate nach unserem Treffen mit ihm in seinem Exil wurde Berger verhaftet. Seit Februar 2022 saß er dann in Deutschland in Untersuchungshaft. Doch selbst zu Prozessbeginn im April zeigte er sich noch siegessicher, später gab er dann eine Art Teilgeständnis ab. Nun steht fest, dass der einst von Finanzwelt und Wirtschaft hofierte Mann seinen Lebensabend hinter Gittern verbringen wird. Zusätzlich zur Haftstrafe ordnete das Gericht an, 13,7 Millionen Euro aus seinem Vermögen einzuziehen, die aus den Taten im Zeitraum von 2007 bis 2011 erzielt wurden. Es ist die bislang höchste Strafe, die im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften verhängt wurde. Das Urteil ist allerdings noch nicht rechtskräftig. 

    Die Gesetzeslücke, durch die der Steueranwalt und seine Mandanten geschlüpft waren, ist inzwischen geschlossen worden. Der Bundesgerichtshof hat die Cum-Ex-Deals im vergangenen Jahr als Straftat gewertet. Doch die Aufarbeitung des Skandals dauert noch immer an, es gibt hunderte Beschuldigte. Auch Berger steht in Wiesbaden noch in einem weiteren Verfahren vor Gericht. Das letzte Wort ist nicht gesprochen.

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