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Debatte nach Anschlag von München: Wie sind Abschiebungen in Deutschland geregelt?

Asylpolitik

Nach Anschlag in München: Wer wird eigentlich abgeschoben?

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    Polizei und Generalstaatsanwaltschaft ermitteln zu dem mutmaßlichen Anschlag in München.
    Polizei und Generalstaatsanwaltschaft ermitteln zu dem mutmaßlichen Anschlag in München. Foto: Matthias Balk, dpa

    Nach dem mutmaßlichen Anschlag von München ging es schnell. Politiker eilten zum Tatort und zeichneten das Täterbild eines jungen Afghanen, der schon mehrfach straffällig geworden sei. Es war am bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU), dieses Bild zu korrigieren. Dabei hatte er es vorher maßgeblich mit in die Welt gesetzt. Der Afghane war demnach nicht einschlägig aufgefallen, er hatte einen gültigen Aufenthaltstitel und eine Arbeitserlaubnis. Was bleibt, ist das Leid der Opfer, die Schuld des Täters und die Frage, die sich unabhängig von der Tat in München vielen Menschen stellen: Warum werden straffällige Flüchtlinge aus Afghanistan nicht schneller in ihre Heimat abgeschoben?

    „Wir haben ja bereits einen Abschiebeflug nach Afghanistan im Spätsommer hingekriegt“, erklärte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums am Freitag in Berlin. Gemeint ist die Abschiebung von 28 Männern, die Ende August aus verschiedenen Bundesländern – darunter Baden-Württemberg, Bayern, Berlin und Hessen – ab Leipzig nach Kabul geflogen worden waren. Anlass dieser Abschiebung war auch der tödliche Messerangriff in Mannheim Ende Mai. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte danach an, die Abschiebung von Schwerstkriminellen und terroristischen Gefährdern nach Afghanistan wieder zu ermöglichen.

    Taliban bieten sich bei Abschiebungen nach Afghanistan an

    Die Machtübernahme der radikal-islamistischen Taliban dort war zum Zeitpunkt des Abschiebefluges drei Jahre her. Die Bundesregierung erkennt die De-facto-Regierung der Taliban politisch nicht als legitime Regierung Afghanistans an. Nach Regierungsangaben war und ist es deshalb schwer, Abschiebeflüge zu organisieren. So fehlen in Kabul beispielsweise die notwendigen Ansprechpartner. Nach dem mutmaßlichen Anschlag von München meldete die Nachrichtenagentur dpa, die Taliban hätten sich offen für eine Zusammenarbeit bei Abschiebungen gezeigt. Dahinter steckt der offensichtliche Versuch der Taliban, die politische Isolation zu durchbrechen.

    Die Bundesregierung arbeitet gleichwohl an einem weiteren Abschiebeflug. Bis zur Bundestagswahl wird daraus aber offenbar nichts. Er wolle „jetzt nicht übermäßig Hoffnungen machen“, dass es bis zum 23. Februar einen Abschiebeflug gebe, erklärte der Sprecher von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD). Da es dafür verschiedener internationaler Partner bedürfe, könne er kein genaues Datum nennen. „Aber wir sind da seit Wochen und Monaten intensiv daran.“

    In Deutschland sind die Bundesländer für Abschiebung zuständig

    Nach Angaben von Innenstaatssekretär Mahmut Özdemir (SPD) ist die Rechtslage eindeutig. „Der Vollzug des Aufenthaltsrechts und damit auch die Durchführung von Abschiebungen fällt in die Zuständigkeit der Länder“, erklärte er und ergänzte: „Um die Länder auch bei Abschiebungen nach Afghanistan zu unterstützen, hat die Bundesregierung mit diesen vertrauliche Abstimmungen vorgenommen.“ Zu den Inhalten nehme die Bundesregierung keine Stellung.

    Hintergrund ist, dass die Länder zwar für Abschiebungen zuständig, dabei aber auf die Hilfe der Bundespolizei angewiesen sind. Der Kontakt zum Herkunftsstaat und zu Drittstaaten läuft grundsätzlich über die Bundesregierung. Einseitige Schuldzuweisungen einzelner Länder, der Bund allein sei für Abschiebungen zuständig, laufen allerdings ins Leere.

    Linke mahnt zur Besonnenheit

    CDU-Chef Friedrich Merz, Kanzler Scholz und viele andere mehr stellen in der laufenden Debatte den Aspekt verschärfter Abschiebungen in den Vordergrund. Es gibt auch andere Stimmen. Die Linken-Abgeordnete Clara Bünger etwa bewertet die Abschiebediskussion kritisch. „Die aktuelle Migrations- und Asyldebatte ist längst völlig entgleist. Sie findet abseits jeglicher Vernunft oder Realität statt“, sagte die Sprecherin für Flucht- und Rechtspolitik unserer Redaktion. Führende Politiker überböten sich „mit Hetze gegen Schutzsuchende und schüren gezielt Feindbilder“. Der Fall in München habe das eindrücklich gezeigt.

    Die verwendete Rhetorik sei „brandgefährlich“, weil sie Menschen ausgrenze, „die längst Teil unserer Gesellschaft sind“, erklärte Bünger. „Wer eine Straftat begeht, muss sich vor Gericht verantworten und die verhängte Strafe tragen“, sagte sie. Aber das Strafrecht dürfe „nicht instrumentalisiert werden, um unliebsame Menschen loszuwerden“. Deutschland werde dadurch nicht sicherer. „Im Gegenteil: Es wird gefährlicher, Schutzsuchende werden zur Zielscheibe.“ Am Donnerstag war bekannt geworden, dass Ermittler offenbar einen Anschlag auf eine Asylunterkunft bei Dresden vereitelt haben. Bei einem Deutschen wurden Waffen sichergestellt, gegen ihn wurde Haftbefehl erlassen.

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    14 Kommentare
    Peter Pfleiderer

    Was soll nach dem Terroranschlag von München die Diskussion über Abschiebungen? Wir hatten hier ähnlich wie bei nine-eleven einen unauffälligen Menschen mit Job, Auto, Wohnung, der nicht durch Gewalttaten aufgefallen ist - es gibt nur wie bei der Hamburger Zelle ein Problem - er ist ein Islamist.

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    Richard Merk

    Haben die voreiligen Worte vom Innenminister Herrmann bei Ihnen gleich gewirkt. Wenn das stimmen würde sollten sie sich doch Gedanken um die Nachlässigkeit der bayerischen Behörden mitsamt der bayerischen Staatsregierung machen.

    Rainer Kraus

    Ja der Bürger hat ein Anrecht zu fragen, wer abgeschoben wird, denn in der Einwander- und Asylpolitik scheint die Politik, Justiz, Polizei und die Verwaltung seit 10 Jahren total zu versagen.

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    Richard Merk

    Ein Rechtsstaat scheint bedeutet ihnen nichts. Nicht umsonst wurde Gesetze mit Menschrechten nach dem schändlichen Tun der Deutschen während der Nazi-Zeit eingeführt.

    Thomas Keller

    Das müssen Sie die Wähler fragen. Irgendjemand hat den Parteien wohl geglaubt/nicht geglaubt.

    Gerold Rainer

    @Richard Merk: Was hat das dritte Reich mit der heutigen Gewalt auf den Straßen zu tun? In München wurde bei einem Anschlag die Würde von 30 Menschen verletzt.

    Claus Hoecherl

    Ich verstehe nicht wie der Innenminister gleich den Täter beschreibt, ohne sich vorher zu informieren. Wasser auf die Mühlen der Rechten. Mein Lehrer lehrte mich: Vor Inbetriebnahme des Mundwerk, Gehirn einschalten. Das hätte ich mir von einem Innenminister auch gewünscht.

    Gerold Rainer

    Geht ein abgeschobener Gewalttäter weitgehend straffrei aus, ist das in meinen Augen eine ziemlich gefährliche Motivation für weitere Taten. Vielleicht war ein Täter voll gesellschaftlich integriert und wurde einfach nur angeworben? Vielleicht war die bürgerliche Existenz auch nur eine Tarnung? Kommt ein abgeschobener Täter mit mehreren Identitäten beliebig oft zurück? Wie viele der Täter sind tatsächlich psychisch krank? Selbst dann, wird ein psychisch labiler Mensch absichtlich von dritten missbraucht? Welche Staaten oder Organisationen könnten Interesse daran haben, Deutschland mit Terror zu destabilisieren? Die Destabilisierung beginnt nicht bei Angst und Schrecken, sondern bereits dort, wo eine Gesellschaft durch Spaltung geschwächt wird. Wo ideologische Schlammschlachten ausgetragen werden, haben logische, vernunftbasierte Lösungen keine Chance mehr. Ich finde es erschreckend, mit welcher Naivität viele Deutsche an dieses existenziell bedrohliche Problem herangeben.

    Viktoria Reissler

    "Hintergrund ist, dass die Länder zwar für Abschiebungen zuständig, dabei aber auf die Hilfe der Bundespolizei angewiesen sind. Der Kontakt zum Herkunftsstaat und zu Drittstaaten läuft grundsätzlich über die Bundesregierung" . Und genau deswegen geht da nix voran. Und genau deswegen wurde dies von Rot-Grün, davor aber auch von Merkel, so konstruiert!!

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    Richard Merk

    Na ja Frau Reissler, was sie mit ihren Worten ständig konstruieren lässt nichts Gutes ahnen. Da heißt es ganz schnell Abstand nehmen.

    Stefan Wenger

    Na ja mein lieber Herr Merk, das selbe gilt für sie!

    Franz Wildegger

    Wo Sie recht haben Herr Stefan Wenger, da haben Sie sogar "total" recht. Aber da gibt es schon noch ein paar "andere User/in" auf die das zutrifft, die das auch beherzigen sollten, anstatt ständig über Andere herzufallen. Aber das sind doch immer die gleichen Links-Grünen Anhänger Ja!

    Maria Reichenauer

    Frau Reissler, das ist eine Unterstellung, die Sie in die Welt setzen, aber nicht belegen können. Denn Sie haben weder Einblick in die Verhandlungen mit den Taliban oder einen entsprechenden Umweg noch kennen Sie die Absprachen, die mit den Ländern getroffen sind. Also nur die üblichen Beschuldigungen und Hetze gegen Rot/Grün.

    Wolfgang Boeldt

    Das gesamze "Abschieberecht" scheint mir nicht ganz praktikabel zu sein. Einerseits sind die Länder zuständig, andererseits braucht man die Bundespolizei und sogar die Bundesregierung. Das gehört überarbeitet. Zusätzlich problematisch bei Abschiebe-Afghanen ist die Nichtanerkennung der Taliban-Regierung. Aber auch das ändert sich schon schleichend - aber nicht in Deutschland.

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