Wie so oft im Leben stand der kleine Bruder manchmal im Schatten des älteren: Der Christdemokrat Bernhard Vogel widmete den größten Teil seines politischen Lebens der Landespolitik, während sein Bruder Hans-Jochen Vogel vom reformfreudigen Justizminister bis zum SPD-Vorsitzenden in der Bundespolitik ebenso große Spuren hinterließ, wie als Münchner Oberbürgermeister. Doch kein deutscher Politiker regierte länger als Ministerpräsident als Bernhard Vogel: Erst zwölf Jahre in Rheinland-Pfalz und später, nach einem kurzen politischen Rückschlag, führte er elf Jahre in Thüringen die Landesregierung.
Die Brüder nannten sich „Bernd“ und „Jochen“
Die beiden Brüder aus einer Göttinger Professorenfamilie, waren zugleich über Jahrzehnte Sinnbild einer ungewöhnlichen Großen Koalition, als sich Union und SPD in den siebziger und achtziger Jahren regelrecht feindlich gegenüberstanden. Privat war es für „Bernd“ und „Jochen“, wie sich die Brüder innerhalb ihrer Familie nannten, nie ein Problem für ihre Verbundenheit, unterschiedlichen Parteien anzugehören. So sehr sie ihre Wesenszüge trennten, der pedantisch ernste große und der fröhlich gewitzte jüngere Bruder, so sehr verband sie nach Kindheit und Jugend im Zweiten Weltkrieg die Überzeugung, dass nichts wichtiger für die Gesellschaft ist als Demokratie und Engagement.
Für den jungen Juristen Hans-Jochen Vogel war es im Jahre 1950 der Besuch einer Parteiveranstaltung in Regensburg, der den Weg in die SPD ebnete: Der große Sozialdemokrat und damalige Parteichef Kurt Schumacher — gezeichnet von zwölf Jahren Konzentrationslagerhaft und Erster-Weltkriegs-Verletzung — hinterließ tiefen Eindruck. Der gut sechs Jahre jüngere Bernhard war dagegen als junger Erwachsener fasziniert von der damaligen modernen Neugründung der CDU, die sich um Westintegration bemühte und Visionen von einer Einheit Europas entwickelte.
Bernhard Vogel war von der neu gegründeten CDU fasziniert
Engagiert in der katholischen Jugend und als Anhänger der christlichen Soziallehre trat Vogel schließlich 1960 selbst in die CDU ein, die er damals auch wegen des damaligen Wirtschaftsministers Ludwig Erhard als erstaunlich junge, kraftvolle Partei empfand, wie er sich später erinnerte.
Als junger Politikwissenschaftler machte Vogel rasch in der CDU Karriere, erst als Stadtrat in seiner Universitätsstadt Heidelberg und wenig später in der benachbarten rheinland-pfälzischen Domstadt Speyer, die lange Jahre Vogels Lebensmittelpunkt blieb.
Kurze Zeit vertrat er den Wahlkreis auch als direkt gewählter Bundestagsabgeordneter, dann holte CDU-Ministerpräsident Peter Altmeier den 35-jährigen Vogel 1967 als damals jüngsten Kultusminister der Bundesrepublik in die Landesregierung. Der Chef der CDU-Landtagsfraktion hieß damals Helmut Kohl und beerbte bald Altmeier als Ministerpräsident. Und als der machtbewusste Kohl 1976 in die Bundespolitik wechselte, machte er Vogel zu seinem Nachfolger als Regierungschef in Rheinland-Pfalz. Zweimal errang Vogel die absolute Mehrheit, beim dritten Mal reichte es mit 45 Prozent „nur“ zur Koalition mit der FDP. Es folgte ein Tiefpunkt in Vogels Karriere.
Auf einem turbulenten Landesparteitag am 11. November 1988 in Koblenz wurde Vogel von seinem eigenen Umweltminister Hans-Otto Wilhelm als CDU-Landesvorsitzender herausgefordert. Vogel verlor die Abstimmung klar. Verbittert verabschiedete er sich mit den Worten „Gott schütze Rheinland-Pfalz“ und trat als Ministerpräsident zurück. Seine Amtsnachfolger hatten kein Glück und verloren die Landtagswahlen krachend. Seit nunmehr über dreißig Jahren wird das einst tiefschwarze Rheinland-Pfalz von der SPD regiert.
Im Osten gelang Bernhard Vogel nach dem Tiefpunkt das Comeback
Vogel aber gelang kurz nach der Wiedervereinigung das Comeback. Nachdem der erste freigewählte Ministerpräsident Thüringens, der ostdeutsche CDU-Politiker Josef Duchač, darüber stolperte, dass er als Clown in einem Stasi-Heim aufgetreten war, holte man den erfahrenen Westpolitiker nach Erfurt. Vogel stellte später klar, dass es nicht, wie oft geschrieben, der damalige CDU-Vorsitzende Kohl war, der ihn 1992 bat, das Amt in Thüringen zu übernehmen, sondern die Partei vor Ort. Auch Vogels befreundeter einstiger Ministerpräsidenten-Kollege Lothar Späth war zu dieser Zeit als Chef der Jenoptik bereits einflussreich in Thüringen zugange.
„Mit der Wahl zum Ministerpräsidenten begann für mich das größte Abenteuer meines Lebens“, sagte Vogel zurückschauend. Die Beseitigung der Schäden von 40 Jahren DDR habe sich als schwieriger erwiesen, als er sich vorgestellt habe, und sei bis heute nicht abgeschlossen. Vogel blieb bis zuletzt politisch aktiv, etwa in der Konrad-Adenauer-Stiftung. Und bis ins hohe Alter blieb er seiner Leidenschaft, dem Schwimmen, treu.
Am Montag starb Bernhard Vogel im Alter von 92 Jahren, rund fünf Jahre nach seinem Bruder.
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