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Der Koalitionsvertrag steht: Doch schon bald könnte es zwischen Merz, Söder und Klingbeil krachen

Koalition

Die Ruhe vor dem Sturm: Warum es zwischen Union und SPD schon bald krachen könnte

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    Die Parteichefs von CDU, CSU und SPD stellen den Koalitionsvertrag vor. Noch herrscht Harmonie vor.
    Die Parteichefs von CDU, CSU und SPD stellen den Koalitionsvertrag vor. Noch herrscht Harmonie vor. Foto: Michael Kappeler, dpa

    Ausgerechnet seine größte parteipolitische Widersacherin sprach dem designierten Kanzler ein Lob aus. Unmittelbar nach der Fertigstellung des Koalitionsvertrages attestierte Alt-Kanzlerin Angela Merkel (CDU) ihrem wahrscheinlichen Nach-Nachfolger Friedrich Merz einen „absoluten Willen zur Macht“. Der hat den 69-Jährigen dahin geführt, wo er seit Jahren schon immer hinwollte. An die Spitze der Regierung. Wie lange er dort bleiben kann, hängt davon ab, ob Union und SPD die 140 Seiten des Koalitionsvertrages mit Leben füllen. Sollte er eine folgenlose Ansammlung von Wünschen und Ideen bleiben, könnte es mit dem Ansehen des Kanzlers schnell weiter bergab gehen: Einer aktuellen Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Ipsos zufolge ist derzeit jeder und jede zweite Deutsche mit der Arbeit von Merz unzufrieden.

    Meinungsumfragen weisen Fehlertoleranzen auf und können immer nur ein Indiz für die Stimmung im Land sein. Doch andere Erhebungen gehen in eine ähnliche Richtung, und die Sorge, dass die Alternative für Deutschland noch stärker wird, ist einer der Klebstoffe, die das neue Regierungsbündnis zusammenhalten. Ob das reicht? Einen Tag nach der Fertigstellung des Koalitionsvertrages jedenfalls wurde in beiden Lagern deutlich: Schon die Einigung auf das Papier war schwierig. Richtig ernst aber wird es erst, wenn die neue Regierung ihre Arbeit aufnimmt. Zum Schwur kommt es bereits nach der parlamentarischen Sommerpause. Die Aufstellung der Haushalte für dieses und fürs nächste Jahr, erklärten Vertreter beider Lager übereinstimmend, ist der erste Stresstest für den Einigungswillen von CDU, CSU und SPD. Dann wird sich das erste Mal schwarz auf weiß zeigen, welche der Projekte aus dem Koalitionsvertrag überhaupt finanziert werden können.

    Merz und Klingbeil duzen sich

    In der Union sind Abgeordnete und Funktionäre noch ganz zufrieden. CDU und CSU führen die Regierung an, stellen den Kanzler. „Im Koalitionsvertrag ist doch viel von uns drin“, ist ein Satz, der häufig fällt. Doch dass die SPD mit 16,4 Prozent sieben Ministerien und darunter das wichtige Schlüsselressort Finanzen bekommt, schmerzt. Aber Koalieren heißt nun einmal, Kompromisse eingehen zu müssen. „Regieren ist ein Rendezvous mit der Realität“, dieser Satz des verstorbenen CDU-Politikers Wolfgang Schäuble wird ebenfalls oft zitiert in diesen Tagen.

    Die vielen Verhandlungsstunden in Sondierungsrunden und Arbeitsgruppen haben die Koalitionspartner zusammengeschweißt. Merz und Klingbeil sind jetzt per Du. Andererseits hat man sich näher kennengelernt, als vielen lieb ist. Bei den Sozialdemokraten wird da auffallend oft in wenig positiven Zusammenhängen der Name Jens Spahn genannt. „Angeber“ ist noch eine der milderen Bezeichnungen für den aufstrebenden CDU-Politiker. Union und SPD haben zwar verstanden, dass es nichts nützt, auf Kosten des Koalitionspartners Stimmung zu machen, wie es in der abgewählten Regierung die FDP tat. Der stetige Streit nutzte keiner der drei Ampel-Parteien.

    Doch statt der Freien Demokraten schwirren nun freie Radikale durch den Betrieb und ein ziemlich energiegeladenes Molekül ist der CSU-Vorsitzende Markus Söder. Einmal im Monat wird der Koalitionsausschuss tagen. Schon vor einigen Monaten hat der bayerische Ministerpräsident das Gremium zum eigentlichen Machtzentrum ausgerufen, das Kabinett ist in seinen Augen zweitrangig. Die SPD spielt das Thema noch herunter, macht sich über den Ausschuss lustig. Doch damit ist Schluss, wenn er wie von der CSU geplant bespielsweise Einfluss auf die Tagesordnungen des Kabinetts bekommt.

    Die alte Fehde zwischen Merkel und Merz

    Merkel erklärte zur alten Fehde mit Merz im Deutschlandfunk Kultur weiter: „Was ein bisschen zwischen uns stand, war einfach die Tatsache, die ja ganz oft im Leben vorkommt, dass wir beide Chef werden wollten“. Das lässt sich auch auf die neue Regierung übertragen. Merz auf der einen, Söder auf der anderen Seite. Dazwischen SPD-Chef Lars Klingbeil, der künftige Vizekanzler und mutmaßlich neue Chef des Bundesfinanzministeriums. Der setzt zunächst darauf, dass die SPD-Mitglieder zwar an einzelnen Punkten Kritik üben, dem Koalitionsvertrag in Gänze aber zustimmen. Anschließend, Ende April oder Anfang Mai, müssen der Öffentlichkeit überzeugende Namen für die Besetzung der vielen Regierungsposten präsentiert werden.

    Die Osterferien verschaffen Schwarz-Rot die notwendige Atem- und Denkpause. Danach jedoch ist es mit der Ruhe vorbei. „Die übliche Schonfrist von 100 Tagen“, sagte ein altgedienter Sozialdemokrat in Berlin, „haben wir diesmal nicht.“

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    6 Kommentare
    Rainer Kraus

    Diese Regierung wurde vom deutschen Bürger sowieso nicht gewählt, deshalb sollte sie so früh wie möglich beendet werden, bevor wieder wertvolle Zeit verloren geht bis Neuwahlen stattfinden. Außerdem muss das Wahlsystem in Deutschland von Parteien- auf Personen-Wahlsystem geändert werden.

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    Walter Koenig

    >>Diese Regierung wurde vom deutschen Bürger sowieso nicht gewählt<< Erzählen Sie hier keinen Schmarren, Herr Kraus. Das Wahlergebnis ist auch Ihnen bekannt, und da keine Partei genügend Stimmen bekommen hat, um allein zu regieren, sind Koalitionen unumgänglich, um eine Regierungsmehrheit zu erhalten. Koalitionen haben es in sich, dass jeder Koalitionär Abstriche bei seinen politischen Vorstellungen machen muss, das ist auch bei der neuen Koalition nicht anders. Aber die beteiligten Parteien bewegen sich auf dem Boden der Demokratie und deshalb ist Ihr Vorwurfm der deutsche Bürger habe sie nicht gewählt, schlicht und ergreifend dummes Geschwätz.

    Hans Meixner

    Was sind wir eigentlich für ein Volk (einschl. Medien)? Es waren Wahlen und es wird ununterbrochen spekuliert, was alles schiefgehen könnte während und nach den Verhandlungen zur Regierungsbildung, dass der zukünftige Kanzler vielleicht doch nicht der richtige ist. Dass es kurz nach beginn der Regierung wahrscheinlich schon die erste Probleme innerhalb der Koalition geben könnte. Man hört und liest fast nur negatives ohne besseres Wissen und gibt keinen Vertrauensvorschuss an die neue Regierung. Wie sollen wir da Vorwärtskommen!

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    Helmut Eimiller

    Herr Meixner, früher konnte man den Politikern eher vertrauen. (Dabei erinnere ich mich auch gerne an einen CSU-Mann mit Ihrem Familiennamen.) Aber wie kann man Merz noch einen Vertrauensvorschuss gewähren, wenn er doch gleich nach der Wahl sich kaum noch an das erinnert, was er noch kurz vor der Wahl gesagt hat. Auch kann der Bürger kein neues Vertrauen aufbauen, wenn nicht mal die Verhandler genau wissen, was sie im Koalitionsvertrag vereinbart haben. (Beispiel: Meinte man mit dem Finanzierungsvorbehalt auch die Mütterrente?) Oder bei der Grundgesetzänderung: Wie ist das mit der Klimaneutralität 2045 zu verstehen? Kann das diesbezügliche Sondervermögen auch dann noch herangezogen werden, wenn z. B. durch die Verpflichtung zur Abnahme von Unmengen des schmutzigen Fracking-Gases aus den USA klar ist, dass dieses Ziel unerreichbar geworden ist?

    Wolfgang Schwank

    Diese Spekulationen sind komplett überflüssig - der Krach wird kommen, noch viele Krache werden folgen. Alle werden zugedeckt oder ausgesessen, denn fester Kitt hält sie zusammen. Inhaltlich der Hurra-Patriotismus mit Wehrhaftigmachung und Rüstungswahn, gestützt mit 500 Milliarden auf Pump. Und noch dazu das Damoklesschwert des weiteren Schrumpfens in der Wählergunst.

    Martin Dünzl

    "Diese Regierung wurde vom deutschen Bürger sowieso nicht gewählt" - hat da jemand wohl das Wahlrecht nicht ganz verstanden oder fällt das (mal wieder) nur unter die Rubrik provozierender Schmarren?! Wahlberechtigte in D wählen auch keine Regierungen, sondern mit Erststimme eine Person der jeweiligen Parteilisten und mit der Zweitstimme eine Partei. Je nach Mehrheitsverhältnissen und Schnittmengen bilden sich daraus dann Regierungen, häufig als Koalition mehrerer Parteien. Glaubt man den Umfragen, sprach sich die Mehrheit der Wähler:innen in D für eine große Koalition aus - schau mer mal, was die jetzt zustande bringt und wieviele der großmundigen Wahlversprechen dann wirklich umgesetzt werden...

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