Die Bahn arbeitet an neuen Waggons, alten Problemen und einer Preiserhöhung
Die Bahn ist aus dem Takt. Verspätungen, geschlossene Bord-Bistros, kaputte Klos. Jetzt wurde die nächste Wagen-Generation vorgestellt. Sie kommt 2024. Ein Sinnbild.
Kennen Sie das? Mit Mühe und Not haben Sie auf dem Bahnhof ihren Zug erreicht, weil der Fahrstuhl kaputt war. Atemlos stellt sich das nächste Problem: Die schmale Tür und die Stufe nach oben. Der Koffer ist schwer und der Kinderwagen sperrig. Ohne helfende Hände wird das Einsteigen zum Akt. Dieses Problem ist so alt wie das Zugfahren selbst. Die Bahn will es jetzt angehen, also bald.
Ab dem Herbst 2024 sollen bei den ICE Waggons mit flachem Einstieg eingesetzt werden. ICE L heißen sie, das L steht für low, also flach. „Der stufenlose Einstieg beim ICE L setzt neue Maßstäbe. Reisen mit der Bahn wird so für alle Fahrgäste noch einfacher und komfortabler“, sagte Fernverkehrsvorstand Michael Peterson am Mittwoch in Berlin. Der Manager steht in einer Werkhalle seines Konzerns in Grunewald. Draußen rote Klinkerwände, drinnen stehen die schweren gelben Maschinenzüge der Gleisbauer. Peterson hat bei dem spanischen Zughersteller Talgo 23 Waggons für rund eine halbe Milliarde Euro bestellt. Damit soll dann zunächst ein ICE auf der Verbindung Berlin - Amsterdam bestückt werden. Zum Vergleich: Der Schienenkonzern hat 360 ICE. Der neue Maßstab ist erst einmal ein kleiner.
Im Sommer wurde die Bahn Opfer des eigenen Erfolges
Die Vorfreude Petersons ist dennoch verständlich, denn die Gegenwart ist für ihn rau. In seinem Zuständigkeitsbereich kann von Pünktlichkeit eigentlich nicht gesprochen werden. Im August kamen vier von zehn Zügen zu spät und damit beinahe die Hälfte. Damit nicht genug. Passagiere verschaffen sich auf Facebook und Twitter Luft, weil die Bord-Bistros geschlossen haben oder nur eine Not-Verpflegung anbieten können. Die Bahn-Mitarbeiter hinter dem Tresen flüchten sich in Galgenhumor. „Wir legen schon gar keine Karte mehr raus, weil wir eh die Hälfte nicht da haben.“ Der Zustand der Zug-Toiletten ist auch ein beständiges Ärgernis.
Die Ursachen der schlechten Verfassung sind im Wesentlichen zwei. Kurioserweise ist das Unternehmen Opfer seines eigenen Erfolges. Laut Peterson waren in den Sommermonaten noch nie so viele Fahrgäste in einem Fernzug unterwegs wie dieses Jahr. Das Neun-Euro-Ticket hat der Schiene einen Schub verliehen, aber sie gleichzeitig an die Grenze und darüber hinaus geführt. Klos konnten teilweise deshalb nicht benutzt werden, weil sie voll waren und nicht etwa, weil der Wasserhahn nicht funktionierte.
Für Schaffner, Reinigungskräfte und Lok-Führer waren die drei Monate eine Zeit schwerer Belastung. Sie machen drei Kreuze, wenn das Neun-Euro-Ticket ausläuft, hatte der Vize der Eisenbahnergewerkschaft Martin Burkert gesagt. Den sommerlichen Super-Spar-Fahrschein hatte sich die Ampel-Koalition ausgedacht. Der dadurch ausgelöste Passierandrang traf auf eine Organisation, die schon schwer zu kämpfen hatte, den Normalbetrieb zu bewältigen. Denn auf dem zwei Jahrzehnte vernachlässigten Gleisnetz wird gebaut. Und Baustellen sind der Feind des Fahrplans. „Und bedeuten auch Unpünktlichkeit, ich kann Sie nur um Geduld bitten“, sagte Peterson.
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FDP-Verkehrsminister Wissing sieht Österreich als Vorbild bei der Sanierung
Bei den Baustellen soll alles besser werden. Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) hat seinem Staatskonzern verschrieben, dem österreichischen Modell zu folgen. Generalsanierung heißt das Konzept im Fachsprech. Anders als bisher sollen besonders befahrene Strecken gesperrt und in einem Rutsch modernisiert werden. Bislang wird im laufenden Betrieb an Gleisen, Weichen und Signalen herumgebaut. Für die Passagiere heißt das, dass sie sich auf wochen- und monatelange Umleitungen einstellen müssen. Danach aber soll die Strecke für viele Jahre ohne Einschränkungen genutzt werden können. "Einen schmerzfreien Weg der Gesundung wird es nicht geben“, prophezeit Bahn-Chef Richard Lutz.
Deutsche Bahn in der Energiekrise: "Natürlich werden wir Preise erhöhen müssen"
Am Donnerstag soll beim Schienengipfel in Berlin mit allen Beteiligten darüber beraten werden, wie die Generalsanierung vorbereitet werden kann. Die Bauindustrie hält die Idee für gut, mahnt aber, genügend Geld vorzuhalten. „Das Konzept steht und fällt allerdings mit der dafür notwendigen Finanzierung, die sich nicht nur an der aktuellen Preisentwicklung orientieren darf“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbands der Bauindustrie, Tim-Oliver Müller, unserer Redaktion. Darüber hinaus brauche es „zusätzliche, vorgezogene Investitionen vom Bund, die in den nächsten eh anfallen werden“.
Das erste Projekt auf der Liste der Generalkorridore ist die Strecke zwischen Frankfurt und Mannheim. Übernächstes Jahr sollen die Bauarbeiter loslegen. Effekte wird es schon vorher geben, erwartet das Bahn-Management. „Über die veränderte Baustellenplanung gehen wir davon aus, dass wir eine spürbare Stabilisierung sehen“, erklärte Peterson. Diese Stabilisierung soll nächstes Jahr greifen. Angebracht wäre sie, denn das Reisen im Zug wird dann teurer. Die Energiekrise geht auch an der Bahn nicht vorbei. Das Unternehmen rechnet mit Mehrkosten für Strom und Diesel in Höhe von zwei Milliarden Euro. „Natürlich werden wir Preise erhöhen müssen“, kündigte Peterson an. Im Herbst wird bekanntgegeben, wie hoch die Aufschläge ausfallen.
Die Diskussion ist geschlossen.
Hurrrraaa, es gibt neue ICE, dann wohl auch wieder mit abgesperrten WC und geschlossenen Bistro. :D
Verbessert lieber die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit und vor allem die Versorgung jenseits der Hauptstrecken.
Hurra, es geht los! Aber:
Zitat: "Übernächstes Jahr sollen die Bauarbeiter loslegen."
Erste Einschränkung! Wetten, da kommen noch sehr viele andere dazu!