Der Krankenwagen ist von Munitionssplittern durchsiebt. Wer zum SPD-Parteitag in der Berliner Messe will, kommt kaum an dem Gefährt vorbei. Friedensaktivisten haben es als „Mahnmal russischer Kriegsverbrechen“ vor der Veranstaltungshalle aufgestellt. Drinnen ist der Krieg in der Ukraine allerdings kein Thema. Dort dominiert eine ganze andere Diskussion: Die Mindestlohnkommission hat vor dem Parteitagsstart verkündet, dass die gesetzliche Lohnuntergrenze bis 2027 in zwei Schritten auf 14,60 Euro pro Stunde steigen soll. Das liegt deutlich unter den 15 Euro, die die Sozialdemokraten vor der Wahl versprochen hatten.
Besonders im linken SPD-Flügel kocht es. Gerade erst hat ihr Co-Vorsitzender Lars Klingbeil ein anderes Versprechen gebrochen: Die Senkung der Stromsteuer soll zunächst nur für die großen Unternehmen kommen. Private Haushalte und Mittelständler, etwa die vielen tausend Handwerkerinnen und Handwerker im Land, werden nicht berücksichtigt. Dabei steht die Senkung im Koalitionsvertrag. Klingbeil begründet sein Vorgehen als Finanzminister mit den knappen Mitteln.
Milliarden für Corona-Masken
Das allerdings lassen viele in seiner Partei nicht gelten. Seine Kritiker blicken beispielsweise auf die offenbar in Teilen desaströse Beschaffung von Corona-Masken durch Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Mit den Milliarden Euro, die nun möglicherweise für Schadenersatzforderungen aufgebracht werden müssen, hätte man die Stromsteuer für alle Menschen im Land komplett für ein Jahr übernehmen können, halten sie Klingbeil entgegen. Zwischen 6,5 und 7 Milliarden Euro bringt die Stromsteuer pro Jahr, ob die Rechnung stimmt, ist also fraglich. Aber in der Politik geht es oft um Symbolik - hinter all dem steckt die Forderung an den Vizekanzler, sich in der schwarz-roten Regierungskoalition stärker durchzusetzen.

Die Höhe des Mindestlohns ist nicht vom Bundeshaushalt abhängig. Er wird von der Kommission festgelegt (und muss von den Arbeitgebern bezahlt werden). Bis jetzt jedenfalls. Wenn die SPD unbedingt auf 15 Euro kommen will, müsste sie das politisch durchsetzen. Sie würde damit aber nicht nur die Mindestlohnkommission überflüssig machen. Der Koalitionspartner Union ist strikt gegen eine politische Festlegung. Das gefährde Arbeitsplätze und schade den Beschäftigten, heißt es bei CDU und CSU.
DGB-Chefin Fahimi steht zum Ergebnis
Die Gewerkschaften halten von einer politischen Festlegung ebenfalls nichts, wie DGB-Chefin Yasmin Fahimi auf dem Parteitag deutlich macht. Ihr Auftritt war mit großer Spannung erwartet worden. Hätte sich die Kommission – die Gewerkschaften sind dort vertreten – auf 15 Euro verständigt, wäre ihr großer Applaus sicher gewesen. So jedoch bleibt der Beifall verhalten.
Es sei ein „verdammt hartes Ringen gewesen“, erklärt Fahimi. Die Arbeitnehmervertreter hätten es sich nicht leicht gemacht und die Kommission notfalls sogar platzen lassen. Sie wisse, „dass manche Erwartungen vielleicht höher gelegen haben“, aber am Ende sei das Ergebnis der Einstieg „in einen wirklich armutsfesten Mindestlohn“ und damit akzeptabel. Es dürfe nicht sein, dass die Politik den Arbeitslohn festlege, betont Fahimi gleichzeitig. Schließlich wisse man heute nichts über die Zusammensetzung künftiger Regierungen.
Die amtierende Regierung wird dem wohl folgen, wie Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas in ihrer Bewerbungsrede für den Parteivorsitz deutlich macht. Gute Arbeit müsse sich lohnen, und das fange beim Mindestlohn an, erklärt Bas, die in Zukunft neben SPD-Chef Lars Klingbeil die Partei führen soll. Die Festlegung der Kommission sei eine „gute Entscheidung“ gewesen, versuchte sie, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen.
Bas hält an Kommission fest
Die Partei habe sich, räumt Bas ein, im Wahlprogramm mehr gewünscht. Die jetzige Festlegung bedeute aber deutlich mehr Geld in der Tasche von sechs Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. „Wer Vollzeit mit Mindestlohn arbeitet, verdient dann monatlich über 300 Euro mehr als heute.“ Es handele sich damit um die größte sozialpartnerschaftlich beschlossene Lohnerhöhung seit Einführung des Mindestlohns. Dieser bleibe eine Erfolgsgeschichte SPD. „Und jetzt lasst uns das auch nicht nehmen“, appelliert die 57-Jährige an ihre Genossen. Sie wünsche sich, „dass die Kommission ihre Arbeit fortsetzen kann“, weist Bas gleichzeitig Gedankenspiele über einen politischen Mindestlohn zurück.
Tatsächlich scheint das Thema Mindestlohn damit für diesen Parteitag erledigt zu sein. Es gibt wohl doch dringendere Themen. Ein AfD-Verbot zum Beispiel, darüber soll am Sonntag beraten werden. Oder den Krieg in der Ukraine.
Ist in Ordnung. Mehr als die SPD erhoffen durfte. Aber auch dieser kleine Erfolg wird der SPD nicht weiter helfen. Es fehlen einfach "Köpfe", egal welchen Geschlechts. Klingbewil (abgestraft), Bas und der oft genannte Pistorius (ist gegen das Völkerrecht) - beide blass. Gestern hörte ich zum ersten Mal Klüssendorf - daraus könnte was werden.
Aufgrund dieses schlechten Ergebnisses sollte oder müsste Klingbeil zurücktreten. Schon Wochen vorher hatte ich hier im Forum geschrieben, dass Klingbeil zurücktreten und den Weg für Pistorius freimachen muss, da es ihm nicht gelingt, aus dem Schatten von Kanzler Merz herauszutreten. Mit Kling- beil geht der Absturz der SPD weiter von 16,4 % bei der Wahl auf jetzt 15 %. Herr Pistorius und Frau Bas hätten als integre Personen dagegen das Zeug dazu, die SPD wieder attraktiv zu machen, wenn man sieht, wie Personen wie Merz, Dobrindt, Spahn und Klöckner an der Demokratie in Deutschland kratzen.
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