Der neue Digitalminister arbeitet aus dem Asyl heraus. Karsten Wildbergers Ministerium ist noch in einer Nebenliegenschaft des Innenministeriums untergebracht. In derselben Straße nahe des Tiergartens hat die Königlich-Preußische Porzellanmanufaktur ihren Sitz, die einst vom „Alten Fritz“ gegründet worden war. Sie hat sich bis heute gehalten, genau wie die Gepflogenheiten der deutschen Staatsverwaltung. Sie gründen auf Beamte und Akten aus Papier. Karsten Wildberger soll das ändern.
Von Bundeskanzler Friedrich Merz hat er im Organisationserlass der neuen Bundesregierung viele Kompetenzen erhalten, damit er jene Aufgabe angehen kann, an der sämtliche Bundesregierungen seit dem Aufkommen des Computers gescheitert sind: Der Verwaltung durch Technik Tempo zu machen. Aus den bestehenden Ministerien hat der 55-Jährige dafür rund zwei Dutzend Zuständigkeiten und die dazugehörigen Abteilungen mit deren Beamten bekommen.
Neues Digitalministerium: Ein Haus als Provisorium
Wie der Dienstsitz seines Hauses ist auch die Homepage des Ministeriums noch ein Provisorium. Auf der Startseite ist das Bild zu sehen, wie der Minister die Ernennungsurkunde aus den Händen des Bundespräsidenten erhält. Merz steht lächelnd daneben. „Das neue Ministerium wird Motor sein für konkrete, sichtbare Fortschritte bei der Digitalisierung und eine moderne, handlungsfähige Verwaltung“, lässt sich Wildberger neben einem Portraitfoto von ihm zitieren. Die Pressestelle ist für weitergehende Informationen zunächst nur per Mail zu erreichen.
Immerhin hat das Ministerium schon Ziele definiert. In den nächsten vier Jahren will Wildberger mit seiner Mannschaft allen Behörden elektronische Plattformen und Werkzeuge zur Verfügung stellen, auch den Ämtern der Länder und Gemeinden. Es soll Schluss sein, dass jedes Land sein Süppchen kocht und manchmal sogar die Kommunen eines Bundeslandes verschiedene Programme nutzen. Wenn der Minister Erfolg hat, werden die Bürgerinnen und Bürger den Staat künftig elektronisch erreichen können, ohne auf den Ämtern vorsprechen zu müssen. Ein Auto anmelden, einen Pass oder Führerschein beantragen oder eine Firma gründen – all das soll digital möglich werden.
Schon heute ist das teilweise machbar, aber nur wenige Bürger nutzen die dafür nötige digitale Identität, die mit dem Personalausweis erstellt werden kann. „Ein zentrales Element der digitalen Verwaltung ist das Bürgerkonto in Verbindung mit einer digitalen Identität“, heißt auf der Internetseite des Digitalministeriums. Dort wird sogar die kühne Version des mitdenkenden Staats entworfen: Nach der Geburt eines Kindes sollen Eltern automatisch einen Kindergeldbescheid bekommen, ohne dafür einen Antrag stellen zu müssen.
Der Service Staat, der selbstständig mitdenkt
Für die für ihre Langatmigkeit, unverständliche Sprache und Papierschreiben gefürchtete deutsche Verwaltung klingt das unerhört. Doch bevor das Digitaltempo in Deutschland Einzug hält, dürfte es ein Stück dauern. Als unter der Ampel-Koalition wieder ein unabhängiges Bauministerium aufgestellt wurde, brauchte es rund ein Jahr, bis das Haus arbeitsfähig war. Das ist auch der Gradmesser, der im Hauptstadtbetrieb an Wildberger angelegt wird. Womöglich arbeiten bis dahin auch alle Beamten unter einem Dach. Schließlich müssen Bürokraten anderen Bürokraten das Bürokratensein austreiben. Da will alles seine Ordnung haben.
Ein weiteres Problem des Ministers ist, dass er über kein Geld verfügt. Seine Beamten werden zwar bezahlt, aber weil wegen des Ampel-Bruchs noch kein Haushalt für das Jahr 2025 beschlossen ist, muss er sich jede größere Ausgabe vom Finanzminister genehmigen lassen. „Wildberger kann alleine noch nicht mal einen Bleistift, Pardon, ein Tablet bestellen“, wird in Berliner Kreisen gewitzelt. Das wird sich erst ändern, wenn die schwarz-rote Koalition den Etat für das laufende Jahr beschließt. Möglicherweise gelingt das bis zum Sommer, aber sicher ist das nicht.
Der promovierte Physiker hat Erfahrung darin, eingerostete Organisationen in die neue digitale Welt zu führen. Als er 2021 das Ruder bei der Mediamarkt-Saturn-Mutter Ceconomy übernahm, waren das Geschäft der Elektronikmärkte und der Online-Shop zwei Welten. Wildberger gelang es, diese beiden Welten zu verzahnen. Aus der Wirtschaft bekommt er deshalb viel Vorschusslorbeeren. Im vergangenen Jahr trugen seine Sanierungsarbeiten Früchte: Umsatz und Gewinn legten spürbar zu. Die Modernisierung des Staates ist ebenfalls eine Sanierungsaufgabe und sogar die größere. Und Karsten Wildberger verzichtet dafür sogar auf viel Geld. Statt wie zuletzt 2,8 Millionen Euro wird er nurmehr rund 200.000 Euro pro Jahr verdienen.
Der Mann dürfte die entsprechende Kompetenz und natürlich die Durchsetzungskraft besitzen. Bleibt zu hoffen, dass durch die Politik, durch die Politiker unmissverständliche Unterstützung gezeigt wird. Es dürfte allemal besser und effektiver klappen als mit dem leidigen Thema der Digitalisierung im Gesundheitswesen. Von einer weiteren Lachnummer gehe ich jedenfalls nicht aus.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden