Bringt die deutsche G7-Präsidentschaft mehr als schöne Bilder?
Deutschland hat die G7-Präsidentschaft in einer von Krisen geprägten Zeit inne. Für die Außenministerin Annalena Baerbock könnte das eine Chance sein.
US-Präsident Barack Obama mit Weißbier vor hinreißendem Alpenpanorama. Gruppenfoto mit Staatenlenkern – im Zentrum Kanzlerin Angela Merkel im blauen Blaser, die Hände zu perfekter Raute geformt. Diese Bilder vom G7-Gipfel 2015 im Luxushotel Schloss Elmau blieben länger im Gedächtnis als die Ergebnisse des Treffens, dass – immerhin – als außergewöhnlich harmonische Konferenz in die G7-Geschichte einging. Die Bilder könnten ähnlich aussehen, wenn sich in diesem Jahr die Präsidenten und Regierungschefs – diesmal sind es nur Männer – vom 26. bis 28. Juni erneut auf Schloss Elmau im Werdenfelser Land treffen. Sieben Jahre nach dem Alpenzauber von 2015 hat Deutschland wieder die G7-Präsidentschaft inne. Doch die Welt hat sich verändert – die Krisen sind dramatischer, die Konflikte brandgefährlich Konflikte brandgefährlich.
Der Spielraum für Deutschland, eine Agenda mit eigenen Akzenten für die G7-Präsidentschaft zu kreieren, ist allerdings eher gering. Denn an den aktuellen Themen kommt derzeit keiner vorbei. Da ist der globale Kampf gegen Corona. Die Erkenntnis ist zwar da, dass einer weltweit wütenden Pandemie auch international begegnet werden muss. Doch bisher kamen die Impfprogramme für die ärmeren Länder nicht recht voran.
Ein Hauptthema der deutschen G7-Präsidentschaft dürfte das angespannte Verhältnis zu Russland werden
Sehr großen Raum dürfte das angespannte Verhältnis des Westens zu Russland und China einnehmen. Seit vielen Wochen schwelt die Ukraine-Krise, jetzt kommen die schweren Unruhen in Kasachstan hinzu. Die Mitgliedschaft Russlands, das 1998 in die G7 aufgenommen wurde, ist seit 2014 als Reaktion auf die Annexion der Krim suspendiert. Daran wird sich in absehbarer Zeit auch nichts ändern, wie die deutsche Außenministerin Annalena Baerbock bereits klarstellte.
Die Grünen-Politikerin lässt nichts unversucht, die G7-Mitglieder auf den Kampf gegen den Klimawandel einzuschwören. Um zu illustrieren, dass Erfolge nur gemeinsam möglich sind, hatte Baerbock im Dezember beim G7-Außenministertreffen in Liverpool den Kultsong bemüht, den die Fans des FC Liverpool weltberühmt gemacht haben: „You’ll Never Walk Alone“ lautet der Refrain, also „Du wirst niemals alleine gehen“.
Eine andere Frage ist, wie synchron die Bundesregierung, die ja erstmals von drei Parteien getragen wird, in das Präsidentschaftsjahr geht. Gerade mit Blick auf Russland zeigen sich unterschiedliche Sichtweisen. Während Baerbock einer stärker werteorientierten Politik das Wort redet, gibt es in der Ampel-Koalition Stimmen, denen gerade dies suspekt ist. Die Grüne will die aggressive Politik Moskaus oder Menschenrechtsverletzungen in China klarer benennen als ihr Vorgänger Heiko Maas (SPD). SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich warnt hingegen davor, Russland zu stark unter Druck zu setzen. FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner erinnert an die wirtschaftliche Bedeutung Chinas für Deutschland.
Der Leiter der Stiftung Wissenschaft und Politik, Stefan Mair, bringt die Gratwanderung, die die G7-Mitglieder meistern müssen, so auf den Punkt: „Wie können demokratisch verfasste Länder in einem systemischen Wettbewerb mit autoritären Staaten wie China und Russland bestehen, ihre eigenen Systeme schützen, aber eben auch Kernelemente der liberalen Weltordnung aufrechterhalten?“, sagte Mair gegenüber der Frankfurter Rundschau. Eine Herausforderung, die sich für die USA, aber auch für die Europäische Union unter dem Begriff „strategische Souveränität“ stelle.
G7 wurde 1975 unter dem Eindruck der Ölkrise gegründet
Für die Erörterung solch politisch-strategische Themen ist das G7-Format eigentlich nicht geschaffen worden. Es wurde 1975 als wirtschaftspolitisches Forum gegründet – unter dem Eindruck der Ölkrise, auf die in fast allen Industrieländern ein wirtschaftlicher Abschwung folgte. Mitglieder sind aktuell neben Deutschland die USA, Frankreich, Großbritannien, Kanada, Japan und Italien.
Für Annalena Baerbock ist das Jahr an der G7-Spitze gleichwohl eine große Chance, sich auf internationaler Bühne zu etablieren. Dafür müsste es gelingen, die Mitglieder zumindest auf einem wichtigen Konfliktfeld für eine gemeinsame Linie zu gewinnen. Das immerhin sollte auch im Interesse der sechs Partnerstaaten sein. Denn, wenn am Ende wieder nur die Bilder vor prächtiger Kulisse im Gedächtnis bleiben, dürfte die Diskussion Nahrung gewinnen, ob die teuren Treffen und die gewaltigen Sicherheitsvorkehrungen für das jährliche Gipfeltreffen zu rechtfertigen sind.
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