Trumps zweiter Putschversuch

18.03.2023

Die bevorstehende Anklage des Ex-Präsidenten vor einem New Yorker Geschworenengericht ist kein Anlass zum vorzeitigen Jubel.

Die Vorstellung lässt seine Gegner erfreut jubeln und bringt das Blut in den Adern seiner wütenden Anhänger zum Kochen. Donald Trump in Handschellen, am besten gleich in einem orangefarbenen Häftlings-Overall, vor einem Gericht in New York: Das wäre das Bild des Jahrhunderts und die maximale Zuspitzung jener wahnwitzigen Polarisierung, die das gesellschaftliche Klima der USA seit jenem Tag vor acht Jahren vergiftet, an dem der narzisstische Rechtspopulist seine erste Präsidentschaftskandidatur bekanntgab.

Doch extreme Vorsicht ist angebracht - auf beiden Seiten. Zwar haben sich in den letzten Tagen tatsächlich die Hinweise darauf verdichtet, dass eine Anklage des Ex-Präsidenten bevorsteht. Alvin Bragg, der Bezirksstaatsanwalt von Manhattan, hat einer Grand Jury wichtige Zeugen und Beweismaterialien vorgeführt. Doch bislang ist weder klar, ob, noch wann die Geschworenen das Verfahren eröffnen werden. Die Behauptung, er solle am kommenden Dienstag gleich "verhaftet" werden, stammt alleine von Trump, einem notorischen Lügner.

In Trumps Augen ist das Verfahren politisch motiviert

Der Grund, weshalb der Ex-Präsident seine drohende Anklage an einem Samstagmorgen mit zwei dramatischen Postings in Großbuchstaben auf seiner Propagandaplattform "Truth Social" herausposaunt, ist klar. "Trumps Leute planen mit Attacke", hat die New York Times schon am Vortag die Strategie beschrieben: Wilder Angriff als Verteidigung. Mit allen Mitteln will der Milliardär, der sich 2024 erneut für die Präsidentschaft bewirbt, das Verfahren als politisch motiviert diskreditieren: Joe Biden, die linken Eliten, der Philanthrop George Soros und Werweißwer haben sich verschworen, um eine Rückkehr des Anwalts der echten amerikanischen Patrioten ins Weiße Haus zu verhindern - so lautet ihre Verschwörungslegende. "In Wahrheit sind sie nicht hinter mir, sondern hinter Euch her", hämmert der republikanische Sektenführer Trump seinen Jüngern ein.

Mögliches Verfahren gegen Trump dreht sich nur um Schweigegeldzahlung

Umso wichtiger ist, dass die Anklage wirklich sitzt. Nach zwei gescheiterten Amtsenthebungsverfahren hat die Justiz nur einen Schuss frei, um den Demokratieverächter Trump endlich dingfest zu machen. Und genau deswegen ist das mögliche New Yorker Verfahren auch für Gegner des Ex-Präsidenten kein Grund zum Jubeln. Es geht hier nämlich nicht um dessen massiven Versuche, das Wahlergebnis zu fälschen und auch nicht um die mögliche Unterdrückung von Geheimunterlagen, die anderswo untersucht werden. Staatsanwalt Bragg ist alleine für die Schweigegeldzahlung von Trump an seine Ex-Affäre Stormy Daniels zuständig. 

Dahinter steckt eine sehr unschöne Geschichte, die viel über den widerlichen Charakter von Trump aussagt, der seine Ex-Geliebte inzwischen als "Pferdegesicht" beleidigt. Juristisch relevant sind aber nur zwei Punkte: Durch die heimliche Zahlung von 130.000 Dollar, die ihm peinliche Schlagzeilen im Wahlkampf ersparen sollte, könnte Trump gegen die Transparenzregeln der Kampagnenfinanzierung verstoßen haben. Außerdem wurde der Betrag als "Anwaltskosten" falsch verbucht, was strafbar wäre, wenn es der Vertuschung einer Straftat diente.

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Trump mobilisiert bereits erneut seinen teilweise gewaltbereiten Mob

Im Vergleich zu den monströsen Vergehen des Ex-Präsidenten bis hin zur Inszenierung eines Putschversuches klingen die möglichen Anklagepunkte eher kleinteilig. Und irgendwie ahnt man, dass sie schwierig nachzuweisen sind, zumal der Hauptbelastungszeuge - der ehemalige persönliche Anwalt von Trump - keinen besonders guten Leumund hat. So überfällig es also ist, dass sich endlich die Gerichte mit dem Mann beschäftigen,Erst Trump, dann Johnson: Geht das Zeitalter der Populisten zu Ende?, so nervös muss man im konkreten Fall sein. Vielleicht zaubert Staatsanwalt Bragg noch einen Überraschungszeugen aus dem Hut. Ansonsten ist es zumindest nicht sicher, ob die Anklage zum triumphalen Erfolg oder zum gigantischen Rohrkrepierer wird. 

Kein Grund für voreilige Schadenfreude also - zumal Trump längst zur Gegenoffensive bläst. Sein Aufruf "Protestiert! Holt Euch unsere Nation zurück!" kommt einem nicht zufällig bekannt vor: Nach den Ereignissen vom 6. Januar 2021 können nur Naivlinge oder verblendete Ideologen behaupten, der Appell sei harmlos. Tatsächlich mobilisiert hier ein ehemaliger Präsident den teilweise gewaltbereiten rechten Mob gegen die demokratische Justiz seines Landes. Ein eigentlich unfassbarer Vorgang - gäbe es nicht einen Vorläufer. 

"Seid da. Es wird wild!", hatte Trump vor dem Kapitolsturm geschrieben. Manches deutet darauf hin, dass Amerika erneut schicksalhafte Wochen bevorstehen. 

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