Nun hat man sich also doch zusammengerauft: Nach fünf Monaten politischer Achterbahnfahrt steht nun endlich jene Regierung, die man schon im Herbst versuchte zu bilden - erstmals in seiner Nachkriegsgeschichte wird Österreich künftig von einer Dreierkoalition aus Konservativen, Sozialdemokraten und Liberalen regiert. Am Sonntag segneten die Mitglieder der kleinsten Regierungspartei, die der liberalen Neos, den Koalitionspakt ab – schon am Montagvormittag will Bundespräsident Alexander Van der Bellen die insgesamt 14 Ministerinnen und Minister und sieben Staatssekretäre vereidigen – oder wie man in Österreich sagt: angeloben.
Herkulesaufgabe für den wenig bekannten neuen Kanzler
Der neue ÖVP-Vorsitzende Christian Stocker, der nach dem Rückzug des bisherigen Regierungschefs Karl Nehammer die konservative Volkspartei erst seit wenigen Wochen kommissarisch leitet, wird die Dreier-Koalition als Bundeskanzler führen. Auf den niederösterreichischen Anwalt, der bisher ÖVP-Generalsekretär war und erfolglos mit der extremrechten FPÖ von Herbert Kickl verhandelt hatte, kommt nun eine politische Herkulesaufgabe zu.
„Jetzt das Richtige tun. Für Österreich“: So lautet der Titel des über 200 Seiten starken Regierungsprogramms Schon mit dem die drei Parteien die zahlreichen Probleme lösen wollen, vor denen das Land steht. Das Bündnis, das wegen seiner bonbonbunten Parteifarben Türkis, Rot, Pink „Zuckerlkoalition“ genannt wird, einigte sich in dem Programm in weiten Teilen auf jenem Kompromiss zu dem Bundespräsident Van der Bellen die Verhandlungspartner immer wieder gedrängt hatte.

SPÖ setzt Mietendeckel in Österreich für zwei Jahre durch
Vermögenssteuern, die der SPÖ-Chef und künftige Vizekanzler Andreas Babler immer wieder gefordert hatte, kommen nicht. Stattdessen soll eine Bankenabgabe 500 Millionen Euro in die Staatskasse spülen. Weitere Einnahmen sollen höhere Steuern für die in Österreich besonders begünstigten Stiftungen bringen. Für sich verbuchen kann Babler ein Einfrieren der Mieten für das laufende Jahr, zudem eine Deckelung der Mietpreise für die kommenden zwei Jahre.
Die ÖVP setzte sich mit einem Aus der Auszahlung eines sogenannten Klimabonus an alle Bürger durch, den die Partei zuvor in ihrer Koalition mit den Grünen eingeführt hatte. Die SPÖ stimmte schließlich auch den für die ÖVP wichtigen Verschärfungen im Bereich Asyl und Migration zu: EU-rechtskonform soll der Familiennachzug vorerst ausgesetzt werden - und im Falle eines starken Migrationsandrangs soll die EU-Notfallklausel aktiviert werden.
Für die Liberalen gibt es hingegen Einschränkungen bei den Frührenten und Verbesserungen im Bildungsbereich, etwa ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr. Die Sozialdemokraten verantworten künftig Finanzen, Bildung, Medien, Justiz. Die Konservativen erhalten neben dem Kanzleramt das Innen- und Verteidigungsressort, die Liberalen Justiz und Bildung. Die Neos das Außen- und Bildungsressort. Alle scheinen damit zufrieden zu sein.
Ärger zwischen Finanzminister und Wirtschaftsressortchef scheint vorprogammiert
Sieht man sich aber die Ressortverteilung genauer an, wird deutlich, dass die neue Regierung einiges an Spannungs- und Konfliktpotenzial in sich birgt - und das nicht nur, was die drei Koalitionsparteien angeht. Da wäre zum einen die stolze Zahl von sieben Staatssekretärinnen und Staatssekretären: Diese sollen in den jeweils von anderen Parteien geführten Ministerien wohl als eine Art Aufpasser oder Informationsstelle für die jeweils andere Partei fungieren. Eine ÖVP-Staatssekretärin wird etwa dem neuen SPÖ-Finanzminister zur Seite gestellt: Der heißt Markus Marterbauer und war bisher als Ökonom in der Arbeiterkammer tätig. Marterbauer gilt als dezidierter Linker und starker Kritiker neoliberaler Wirtschaftspolitik.
Parteichef Babler setzte seinen Wunschkandidaten gegen den Willen der mächtigen Wiener SPÖ durch, deren Favorit das Verkehrsministerium übernehmen wird. Für Spannungen in der Haushalts- und Finanzpolitik der Koalition sorgt zugleich der neue ÖVP-Wirtschaftsminister und bekennende Wirtschaftsliberale Wolfgang Hattmannsdorfer. Die Ressorts Finanzen und Wirtschaft könnten damit nicht gegensätzlicher aufgestellt sein.
Konfliktpotenzial gibt es auch bei den liberalen Neos. Diese werden zwar künftig über das Außen- und das Bildungsressort verfügen. Dass der sogenannte „Deregulierungsstaatssekretär“, der Neos-Politiker Sepp Schellhorn nicht konsequenterweise beim Finanz- oder Wirtschaftsministerium angesiedelt wird, sondern im von seiner Partei geführten Außenministerium, löst in der Wiener Politikszene schon jetzt Stirnrunzeln aus.
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