Nach über drei Jahren Krieg in der Ukraine steigen die Chancen für eine Waffenruhe. US-Präsident Donald Trump erhöht den Druck auf Russland, seinem Vorschlag für eine Feuerpause von 30 Tagen zuzustimmen. „Wird der Waffenstillstand nicht eingehalten, werden die USA und ihre Partner weitere Sanktionen verhängen“, erklärte Trump auf seiner Onlineplattform Truth Social. Er erneuerte damit seine Initiative, die er im März formuliert hatte. Sein Vize J.D. Vance erklärte in einem Fernsehinterview, dass sich die Amerikaner aus den Gesprächen zurückziehen könnten, sollte Russland nicht auf den Vorschlag eingehen.
Unterstützung erhält Washington von den Europäern. „Wir fordern Russland auf, jetzt endlich den Pfad für echte Friedensverhandlungen zu beschreiten“, sagte Bundeskanzler Friedrich Merz am Freitag bei seinem Antrittsbesuch bei der Europäischen Union und der Nato. Europa werde nicht zögern, gemeinsam mit den Vereinigten Staaten von Amerika den Sanktionsdruck auf Moskau nochmals zu erhöhen, betonte der CDU-Politiker. In Brüssel versprach der 69-Jährige der Ukraine, dass Deutschland weiter an ihrer Seite stehen werde.
Taurus-Lieferung an Kiew aktuell kein Thema
Im Wahlkampf hatte sich Merz dafür starkgemacht, den Überfallenen die deutschen Taurus-Raketen zu liefern, damit sie sich besser gegen die russische Armee zur Wehr setzen können. Zuletzt hatte er sich aber deutlich zurückhaltender zu der Frage geäußert. Moskau hatte gedroht, die Lieferung der Marschflugkörper als direkte Kriegsbeteiligung der Bundesrepublik zu werten.
Die Hoffnung der Ukrainer auf einen Nato-Beitritt dämpfte Merz am Freitag. „Die Ukraine hat eine Beitrittsperspektive in die Europäische Union. Die wird zeitlich sicherlich vor dem Nato-Beitritt liegen - wenn der denn dann eines Tages zustande kommen sollte“, sagte der CDU-Politiker im Nato-Hauptquartier. Zuletzt hatte die US-Regierung deutlich gemacht, dass die Ukraine aus ihrer Sicht ihre Ambitionen auf einen Nato-Beitritt aufgeben sollte, um ein Ende des russischen Angriffskriegs zu ermöglichen. Zahlreiche andere Nato-Staaten lehnen solche Zugeständnisse an Russland kategorisch ab. Noch im vergangenen Jahr hatte die Nato der Ukraine bei einem Gipfel in Washington zugesichert, ihr Pfad zur Mitgliedschaft sei unumkehrbar. Eine Einigung auf eine formelle Einladung zum Beitritt war allerdings auch da schon nicht möglich gewesen - unter anderem wegen des Widerstandes von Merz-Vorgänger Olaf Scholz (SPD).
In Kiew trifft sich die „Koalition der Willigen“
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte unterdessen für diesen Samstag ein Treffen der sogenannten Koalition der Willigen in Kiew an. Erwartet würden in der ukrainischen Hauptstadt die Führer der Koalition, sagte er. Das Treffen sei wichtig für die Sicherheitsarchitektur in Europa, und Europa werde ebenfalls davon profitieren. Wer genau in die Ukraine reisen soll, sagte Selenskyj nicht. Zur „Koalition der Willigen“ gehören unter der Führung von Frankreich und Großbritannien gut 30 Staaten. Diese arbeitet an Plänen für eine Unterstützung des von Russland angegriffenen Landes nach einem möglichen Waffenstillstand.
Auf einen Neuanfang mit der neuen deutschen Regierung hofft man indes auch bei der EU. Weil seine politische Karriere vor mehr als 35 Jahren als Europaabgeordneter begonnen hatte, sei es ein bisschen wie Nachhausekommen, erklärte Merz bei seinem Antrittsbesuch. „Coming home to Brussels, coming home to Europe“, sagte der CDU-Mann während der Pressekonferenz mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
Grenzkontrollen überschatten Antrittsbesuch
Debatten stehen dem Christdemokraten allerdings unter anderem beim Thema Migration bevor. Schon jetzt hat die neue Bundesregierung bei einigen Mitgliedstaaten für Verstimmung gesorgt, weil Berlin mit zusätzlichen Grenzkontrollen und Zurückweisungen von Asylbewerbern gegen unerwünschte Migration vorgeht. Merz verteidigte die Maßnahmen und reagierte auf die Kritik, die neue Bundesregierung weise Asylsuchende ohne Absprache mit den Nachbarländern zurück. Es gebe „hier keinen deutschen Alleingang“. Zudem stünden die Zurückweisungen im Einklang mit europäischem Recht. Er begründete das mit den sogenannten Dublin-Regeln, wonach Migranten nur im ersten EU-Land Asyl beantragen könnten, das sie betreten. Doch hinter den Kulissen äußerten sich Brüsseler Beamte skeptisch bezüglich der Rechtsgrundlage, auf die sich die Deutschen berufen.
Hinzukommt, dass Kritiker Zurückweisungen als Gefahr für den eigentlich grenzkontrollfreien EU-Binnenmarkt betrachten. Allen Staats- und Regionschefs, „die in diesen Tagen vielleicht die Sorge haben“, dass es hier zu Einschränkungen komme, wolle Merz sagen: „Wir wollen unter allen Umständen vermeiden, dass es zu Einschränkungen im Grenzverkehr kommt.“
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