„Die Dauer einer Regierungsbildung kann ein Indiz für die Schwierigkeit ihres Zustandekommens sein“, hat der wissenschaftliche Dienst des Bundestages in einer Expertise festgestellt. Daran gemessen steht die Koalition aus Union und SPD so schlecht nicht da. Gezählt wird üblicherweise vom Tag der Wahl bis zur Vereidigung des Bundeskabinetts - wenn alles nach Plan verläuft, kommt Schwarz-Rot auf 73 Tage. Das ist exakt der Zeitraum, den die Ampel benötigte und fast 100 Tage weniger als die Regierungsbildung nach der Bundestagswahl 2017, die nach 171 Tagen in eine Große Koalition mündete.
Gezählt wird bis zur Vereidigung des Bundeskabinetts und nicht bis zur Wahl des Bundeskanzlers, weil der schon gewählt werden kann, während die Koalitionsverhandlungen über die Kabinettszusammensetzung noch laufen. 1953 und 1957 war das der Fall. In diesem Jahr sieht aber alles danach aus, dass sowohl der designierte Kanzler Friedrich Merz (CDU) als auch seine Kabinettskolleginnen und -kollegen an einem Tag ihre Ernennungsurkunden überreicht bekommen. Damit stünde die neue Regierung ein halbes Jahr nach dem Platzen der Ampel-Koalition.
CDU-Chef Merz ist der einzige Kandidat
Mit dem Mitgliedervotum der SPD fiel am Mittwoch die letzte Hürde für schwarz-rotes Bündnis. Es ist nun an SPD-Chef Lars Klingbeil, übers Wochenende die Ministerliste seiner Partei zu komplettieren. Er selbst als Vizekanzler und Finanzminister sowie Boris Pistorius als Verteidigungsminister sind gesetzt. Der Rest ist - sieben Posten sind es insgesamt - noch offen.
Am Montag stellt Klingbeil das Ergebnis seiner Überlegungen vor. Danach unterzeichnen die Parteivorsitzenden von CDU, CSU und SPD – Merz, Markus Söder und Klingbeil - im Alten Gasometer in Berlin-Schöneberg den Koalitionsvertrag. Die Bundestagsfraktionen tagen und wählen ihre Fraktionsspitzen. Am Abend wird der scheidende Bundeskanzler Olaf Scholz mit einem Großen Zapfenstreich vor dem Verteidigungsministerium verabschiedet.
Der Dienstag steht ganz im Zeichen der Kanzlerwahl. CDU-Chef Merz ist der einzige Kandidat. Schwarz-Rot hat für die nötige Kanzlermehrheit nur einen Vorsprung von zwölf Stimmen. Rein theoretisch kann Merz im ersten Wahlgang durchfallen, aber das ist sehr unwahrscheinlich.
Die Wahl wird um neun Uhr am Dienstag eröffnet und kann unter anderem im Livestream des Parlaments (bundestag.de) verfolgt werden. Die Abgeordneten werden namentlich aufgerufen und geben dann ihre Stimme ab. Beim letzten Mal, bei der Wahl von Olaf Scholz, wurde das Ergebnis um 10.16 Uhr bekanntgegeben. Da der Bundestag um 100 Parlamentarier kleiner ist, dürfte es diesmal entsprechend schneller gehen.
Merz fährt anschließend zurück in das Reichstagsgebäude und legt dort seinen Amtseid ab
Sollte Merz die erforderlichen 316 Stimmen auf sich vereinen, wird er im Anschluss mit einer Wagenkolonne die knapp zwei Kilometer zum Schloss Bellevue eilen und dort um schätzungsweise 10.30 Uhr von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier seine Ernennungsurkunde in Empfang nehmen. Mit diesem Akt endet die Kanzlerschaft von Scholz.
Merz fährt anschließend zurück in das Reichstagsgebäude und legt dort seinen Amtseid ab. Anschließend benennt er offiziell die Ministerinnen und Minister. Die wiederum fahren danach auch ins Schloss Bellevue, um vom Bundespräsidenten ihre Ernennungsurkunden zu erhalten. Steinmeier wird bei dieser Gelegenheit eine Rede halten.
Am Mittwoch steigt Merz als neuer Kanzler bereits voll in die Regierungsgeschäfte ein. Sein Antrittsbesuch führt ihn traditionell nach Paris, zum französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Anschließend geht es nach Polen weiter.
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden