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Gesundheit: CSU erteilt der Praxisgebühr eine Absage

Gesundheit

CSU erteilt der Praxisgebühr eine Absage

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    Für den Zutritt zum Hausarzt soll auch in Zukunft keine Extragebühr fällig werden.
    Für den Zutritt zum Hausarzt soll auch in Zukunft keine Extragebühr fällig werden. Foto: Monika Skolimowska, dpa

    Das habe er im Bundestag noch nicht erlebt, sagte SPD-Urgestein Wolfgang Thierse im Jahr 2012, nachdem gerade die Praxisgebühr wieder abgeschafft worden war. Einstimmig hatten die Mitglieder des Parlaments für das Aus gestimmt – ein Indiz dafür, wie unbeliebt und überflüssig die Abgabe von zehn Euro pro Quartal für Arztbesuche inzwischen geworden war. Doch 13 Jahre später sprechen sich Ärztelobbyisten und Krankenkassen für eine Rückkehr der Zwangsgebühr aus. Und seit Wochen wird spekuliert, die nächste Regierung könnte sie tatsächlich wieder einführen.

    Ärztelobbyisten fordern Strafgebühren von bis zu 100 Euro

    Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt hatte schon vor der Bundestagswahl einen höheren Krankenkassenbeitrag oder eine Praxisgebühr für jene Patienten gefordert, die weiterhin völlig frei ihre Ärzte wählen und sich nicht von ihrer Hausarztpraxis überweisen lassen wollen. Der Bundesverband der Kinder- und Jugendärzte schlug gar „ein Ausfallhonorar von bis zu 100 Euro“ vor, falls Patienten vereinbarte Termine ausfallen lassen. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, sagt, dass „zehn bis 20 Prozent der gebuchten Termine nicht wahrgenommen“ werden und er deshalb eine Ausfallgebühr von „zehn bis 20 Euro“ für sinnvoll halte.

    In Fahrt gekommen war die Debatte auch durch die Koalitionsverhandlungen. Union und SPD hatten sich rasch darauf verständigt, ein sogenanntes „Primärarztsystem“ einführen zu wollen, das die Patientenströme besser durch das Gesundheitssystem steuern soll. Demnach sollen sich Patienten in der Regel wieder vom Haus- zum Facharzt überweisen lassen. Dieses Modell war jahrzehntelang in Deutschland Praxis, bis Mitte der 90er Jahre die Krankenkassen-Chipkarten eingeführt wurden.

    Seit der Kassen-Chipkarte herrscht echte freie Arztwahl

    Seit direkt abgerechnet werden kann, können Patienten ihr gesetzliches Recht auf freie Arztwahl auch bei Fachärzten ohne Umwege ausüben. Allerdings klagen seitdem die Kassen über hohe Mehrkosten. CSU-Landtagsfraktionschef Klaus Holetschek war an den Sondierungsgesprächen von Union und SPD beteiligt — und wundert sich nun über die Praxisgebühr-Debatte.

    „Es geht beim geplanten Primärarztsystem um bessere Anreize und nicht um neue Gebühren“, stellt der frühere bayerische Gesundheitsminister im Gespräch mit unserer Redaktion klar. „Eine allgemeine Praxisgebühr, wie es sie schon einmal gab, war in den Verhandlungen der Arbeitsgruppe Gesundheit und Pflege kein Thema“, betont er und erteilt dem Modell seitens der CSU eine Absage: „Ein Comeback der alten Praxisgebühr wäre auch nicht zielführend für eine bessere Patientensteuerung.“

    Holetschek dementiert geplante Praxisgebühr

    Für Holetschek steht fest: „Wenn man erreichen will, dass möglichst viele Menschen zuerst ihren Hausarzt aufsuchen, dann schafft man das nicht über neue Gebühren oder gar Strafzahlungen, sondern über Anreize und Steuerung.“ Befürworter der Praxisgebühr halten dagegen, die Abgabe könnte Patientinnen und Patienten davon abhalten, ohne Befund vom Hausarzt direkt zu Spezialisten zu gehen und damit womöglich Termine für andere zu blockieren, die sie dringender bräuchten.  

    Aus Holetscheks Sicht wäre ein anderer Weg zielführender: „Den Patienten, die den vorgesehenen Weg über ihren Hausarzt — beziehungsweise im Ausnahmefall über einen definierten Facharzt — gehen, soll im Gegenzug garantiert werden, anschließend bei Bedarf ohne lange Wartezeit einen Termin beim Facharzt oder alternativ zur ambulanten Behandlung im Krankenhaus zu bekommen“, erklärt er das geplante System. „Dieser Anreiz einer schnelleren Behandlung führt im besten Fall dazu, dass sich der Druck auf die Facharztpraxen verringert und deren Kapazitäten zielgerichteter eingesetzt werden können als bisher“, betont der CSU-Landtagsfraktionschef.

    Von 2004 bis 2012 waren für den ersten Arztbesuch im Quartal zehn Euro Praxisgebühr fällig. Wer danach ohne Überweisung eine andere Praxis konsultierte, musste erneut zahlen. Wer heute denkt, die Ärzte, seien froh über das Geld gewesen, der irrt: Die Einnahmen gingen an die Krankenkassen, den Ärger mit der Abrechnung hatten die Praxen. Die Ärzteschaft frohlockte regelrecht, als die Gebühr Geschichte war. „Als Steuerungsmittel hat sie versagt, als Bürokratietreiber nicht“, schrieb das Ärzteblatt damals. Patientinnen und Patienten ärgerten sich zudem über das Abkassieren zusätzlich zu den Hunderten Euro, die ihnen für die Krankenkasse vom Lohn abgezogen wurden. Ihren Unmut darüber bekamen nicht selten Ärzte und das Personal in den Praxen zu spüren.

    Die Patientenströme besser durch die Arztpraxen zu lenken, das gelang der Praxisgebühr indes zumindest zu Beginn: Studien kamen zu dem Ergebnis, dass die Arztkontakte nach Einführung der Gebühr vorübergehend sanken.

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