Macron als Chefeuropäer im Wahlkampfmodus
Der französische Staatspräsident fordert im europäischen Parlament in Straßburg eine Frauenquote für Unternehmensvorstände und ein europaweites Recht auf Abtreibung.
Emmanuel Macron liebt es, über Europa zu reden, und das erst recht, wenn sein Land wie derzeit im Mittelpunkt steht. Im ersten Halbjahr 2022 hat Frankreich den EU-Ratsvorsitz inne. Mehr Aufmerksamkeit geht nicht auf europäischer Bühne, was dem französischen Staatspräsidenten äußerst gelegen kommt angesichts der Wahlen Mitte April im eigenen Land. Zwar hat er seine erneute Kandidatur noch nicht verkündet, aber er befindet sich schon im Kampagnenmodus.
Als er am Mittwoch im Europa-Parlament in Straßburg seine Pläne vorstellte, waren seine Worte deshalb keineswegs nur an die Abgeordneten gerichtet. Macron sprach auch zu seinen Landsleuten. Immerhin will er die Weichen für ein zukunftsfähiges, starkes und unabhängiges Europa stellen. Man müsste die großen Versprechen von Demokratie, Fortschritt und Frieden neu verankern. „Die französische Präsidentschaft wird eine sein, die unsere Werte fördert.“ Außerdem müsse die Rechtsstaatlichkeit als Grundsatz verteidigt werden. Der Rechtsstaat sei das Ergebnis „unserer gemeinsamen Geschichte“, so Macron – „unser Schatz“.
Macron will eine Frauenquote
Allzu viele Details lieferte der Franzose nicht, er spannte aber einen weiten Bogen. Erwartbar war seine erneute Forderung nach mehr Souveränität in der Außen- und Sicherheitspolitik. „Es geht darum, aus Europa eine Zukunftsmacht zu machen.“ Strategische Autonomie heißt das Stichwort. Die EU dürfe nicht bloß auf Krisen reagieren, sondern müsse vorausschauend handeln und seine Zukunft nicht von Entscheidungen anderer Länder abhängig machen. Insbesondere mit Blick auf Russlands Truppenaufmarsch nahe der Grenze zur Ukraine verlangte er eine neue europäische Sicherheitsordnung. Dafür sollten die Europäer zügig einen Vorschlag ausarbeiten. „Die Sicherheit unseres Kontinents bedarf einer strategischen Wiederaufrüstung als Macht des Friedens und des Ausgleichs.“ Wesentlich bleibe der Dialog mit Moskau.
Auf Herausforderungen wie Klimawandel und Digitalisierung müsse man mit einem „Zukunftsmodell“ antworten. Dazu gehöre auch eine Reform des Schengen-Raums. Und: Er will sich nicht nur für einen europäischen Mindestlohn oder auf EU-Ebene für eine Frauenquote in Unternehmensvorständen einsetzen, sondern auch das Thema Migrationspakt voranbringen, das im Kreis der 27 Mitglieder so umstritten wie heikel ist.
Das Recht auf Abtreibung soll verankert werden
Überraschend kam der Vorschlag, den Umweltschutz und das Recht auf Abtreibung in die EU-Grundrechte-Charta aufzunehmen, „um einen neuen Rechtssockel zu schaffen“. Zufall? Im Rücken von Macron saß die neue Parlamentspräsidentin Roberta Metsola. Sein Vorstoß durfte als Seitenhieb gegen die 43-Jährige verstanden werden. Die Konservative aus Malta, wo das strengste Abtreibungsgesetz in der EU herrscht, hatte entgegen der Mehrheitsmeinung im EU-Parlament mehrmals gegen einen erleichterten Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen gestimmt.
Während die Parlamentsvizepräsidentin Nicola Beer (FDP) lobte, der Staatschef habe „den richtigen Ton“ getroffen, wenn er Europa ins Gewissen rede, „sich nicht im Status Quo auszuruhen“, zeigte sich Rasmus Andresen, Sprecher der deutschen Grünen-Europaabgeordneten, enttäuscht: „Er wurde nur an ganz wenigen Stellen konkret und hat Konflikte ausgespart.“ Sein Parteifreund, der Grünen-Abgeordnete Daniel Freund, bemängelte zudem das Programm. „Ambitionierte Vorhaben, die Europa voranbringen könnten, sind nicht zu erkennen.“ Die Vorsitzende der CSU-Europagruppe Angelika Niebler forderte Taten vom „Meister der politischen Inszenierung“. Der Ratsvorsitz müsse sich dafür einsetzen, dass die EU im Ukrainekonflikt „mit einer gemeinsamen starken Stimme spricht und Gehör findet“.
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