Noch strengere Bauvorschriften: Kritik an Geywitz reißt nicht ab
Die SPD-Politikerin will am Montag ihr neues Konzept zum klimafreundlichen Bauen vorlegen. Für CDU und CSU ist es schon jetzt ein weiterer Preistreiber.
Vor wenigen Tagen hatte die Bundesbauministerin die Bauindustrie verärgert. Sie warf der Branche vor, in den vergangen 15 Jahren keinen Fortschritt bei der Produktivität gemacht zu haben. "Ein Treppenwitz", schnaubte der Chef des Branchenverbandes der Bauindustrie, Tim-Oliver Müller.
Weniger Produktivität heißt weniger Wohnungen und Letzteres ist das Problem von Klara Geywitz. Denn statt der angepeilten 400.000 Wohnungen sind wohl im vergangenen Jahr wohl nur zwischen 280.000 und 290.000 fertig geworden. Die amtlichen Zahlen liegen noch nicht vor. Nun will Geywitz zum Wochenbeginn gemeinsam mit dem Umweltbundesamt ein Konzept vorlegen, wie der Bau neuer Häuser nachhaltig und klimafreundlich gemacht werden kann. Die SPD-Politikerin will den Ausstoß an Kohlendioxid in ihrem Aufgabenbereich senken – sowohl bei der Herstellung von Baumaterial als auch beim Heizen und Kühlen der Gebäude.
"Die Vorschläge werden das Bauen weiter blockieren"
Höhere Auflagen beim Klimaschutz führen allerdings zu steigenden Baukosten. Diese wiederum haben mittlerweile eine Grenze erreicht, die alle außer Top-Verdiener überfordert. Wird bauen noch teuer, werden noch weniger Wohnungen gebaut. "Die Vorschläge werden das Bauen weiter blockieren. Die Erfahrung lehrt uns doch: Immer, wenn Umweltbundesamt und Bundesumweltministerium ihre Finger im Spiel haben, wird alles teurer und schwieriger", sagte der stellvertretende Fraktionschef von CDU und CSU im Bundestag, Ulrich Lange, unserer Redaktion. Klimaschutz funktioniere nur, wenn er auch bezahlbar sei.
Geywitz hatte die Kritik an strengeren Umweltauflagen jüngst mit dem Argument zurückgewiesen, dass es selten einen günstigen Moment dafür gebe. Allerdings ist der Moment delikat, denn im laufenden Jahr rechnet die Branche nur mit rund 250.000 Wohnungen, die fertiggestellt werden. "Wenn wir nicht bald mehr Dynamik im Wohnungsbau erreichen, wird Frau Geywitz vom "Gesicht der Krise" zum "Gesicht des Super-GAU" schimpfte CSU-Mann Lange.
Derzeit werden im ganzen Land geplante Häuser auf Eis gelegt, weil die Kosten zu hoch sind. Der soziale Wohnungsbau funktioniert bei Baupreisen von 5.000 Euro je Quadratmeter nicht mehr. Dadurch entfällt der preisdämpfende Faktor dieser Wohnungen. Die Kaltmieten im Bestand betragen jetzt im bundesweiten Durchschnitt 9,10 Euro je Quadratmeter und damit 5,2 Prozent mehr als vor einem Jahr. In begehrten Großstädten betragen sie mehr als das Doppelte.
Die Ampel-Koalition erhöhte das Wohngeld
Schon in den Jahren davor kannten die Mieten nur den Weg nach oben. Bei der Vermietung frisch fertiggestellter Wohnungen werden auch außerhalb der angesagten Lagen 20 Euro je Quadratmeter fällig. "Der Wohnungsmarkt ist schon am Boden, die Ziele der Ampel für den Wohnungsbau werden krachend verfehlt und es gibt auch keinerlei Aussicht auf Besserung", kritisierte Ulrich Lange.
Geywitz und die Ampel-Regierung hatten als Teil der Entlastungspakete gegen den Energieschock die Zahl der Wohngeldberechtigten stark vergrößert. Statt 600.000 können jetzt rund zwei Millionen Haushalte die Sozialleistungen kassieren. Statt bisher durchschnittlich 177 Euro sollen es seit dem Jahreswechsel monatlich 370 Euro an Zuschuss geben.
Die Diskussion ist geschlossen.
Die Bundesbauministerin hat einerseits 400.000 Wohnungen versprochen, kann aber durch ihre ganzen Verordnungen und Gesetze ihr Wort nicht halten.
Nicht gebaute Wohnungen stellen keine Gefahr für das Klima dar => Klimaziel erreicht (außerdem gibt es ja genügend Brücken, unter denen man übernachten kann)
"Ein Treppenwitz" ist vielleicht eher, dass man glaubt, man könne ewig so weitermachen. Die Entwicklung der Energiepreise und die Klimaerwärmung haben aber deutlich gezeigt, dass auch in der Bauwirtschaft die Regeln geändert werden müssen. Frau Geywitz tut das, wofür sie im Amt ist, nämlich die gesetzliche Grundlage dafür zu schaffen, was längst überfällig ist und was die Minister vor ihr verpennt haben. Dass sich die Opposition schon vor Bekanntgabe der zu erwartenden Maßnahmen aufbläst und die Bauwirtschaft ins gleiche Horn stößt – es war nicht anders zu erwarten. Bauen MUSS aber eine Investition in die Zukunft sein. Schade, dass sich die AZ wieder einmal auf die Seite von Opposition und Lobbyisten schlägt, ohne zu wissen, was die Ministerin konkret vorschlägt und was es für Industrie und Bauwillige bedeuten wird. Auch wenn Bauen für den einzelnen teurer wird, der Schutz des Klimas geht über den Anspruch, ein Superluxushaus zu haben. Vielleicht tut es ja zum Nutzen der Allgemeinheit auch mal der Marmor aus dem Jura statt der Luxusplatten aus Südamerika oder sonst woher.
"Sie warf der Branche vor, in den vergangen 15 Jahren keinen Fortschritt bei der Produktivität gemacht zu haben."
-> Die Bürokratischsten und Unproduktivsten dieses Landes (Bundespolitiker) werfen den noch wenigen Produktiven (Baufirmen, Handwerker, etc.) zu geringe Produktivität vor. Damit ist doch schon das ganze Dilemma dieses Landes erklärt. Im Mittelalter hätte man vermutlich schärfere Maßnahmen ergriffen als so jemanden nur vom Hof zu jagen. Und heute? Die Unfähigsten bleiben schier endlos am Drücker und werden im Falle einer (seltenen) Ablösung auch noch fürstlich entlohnt.
Wieder einmal nutzt die Baulobby die politisch erzeugte Wohnungsnot der letzten 20 Jahre über die willfährige Wirtschaftsredaktion der AZ für eine Forderung nach Deregulierung. Wir können diese Fehler angesichts des Zeitdrucks der Klimakrise leider nicht wie bisher jedes Mal zugunsten der Bauwirtschaft lösen. Klimatechnische Standards bleiben leider unabdingbar und als Leser würde man sich wirklich auch mal von einer kompetenten Wirtschaftsredaktion wünschen, dass diese nicht nur die Wünsche der Branchenverbände in die Welt trompetet. Leider werden die Hoffnungen von unserer AZ immer und immer wieder enttäuscht. Sehr schade.
Tja - das mit den Bauvorschriften ist so eine Sache. Z.Zt. wird ja Erdogan angegriffen weil seine Verwaltung die Bauvorschriften offensichtlich zu lasch gehandhabt hat. Ich kenne jetzt die Bauvorschriften in Deutschland nich en detail, aber ich kann mir vorstellen, daß sie ein Bücherregal vom 1m Länge füllen könnten :).
Sie haben sicher recht, dass die Bauvorschriften in manchen Bereichen einer Überarbeitung bedürften. Das fängt schon bei der Baugenehmigung an, die sich über Jahre ziehen kann, bis alle Institutionen und Einsprüche berücksichtigt und befriedigt sind. Aber im Bereich Klimaschutz ist ein gesetzlicher Rahmen notwendig und längst überfällig.