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Infektionsschutzgesetz: Bayern mit Widerstand gegen Corona-Regeln

Corona-Pandemie

Bayern übt Widerstand gegen das Infektionsschutzgesetz

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    In Herbst und Winter erwarten Experten erneut steigende Corona-Fallzahlen.
    In Herbst und Winter erwarten Experten erneut steigende Corona-Fallzahlen. Foto: Britta Pedersen, dpa

    Es war ein politischer Kraftakt: Rechtzeitig vor dem Herbst haben Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und Justizminister Marco Buschmann die neuen Regelungen des Infektionsschutzes (IfSG) vorgestellt. Sie sollen vom 1. Oktober bis 7. April 2023 gelten und sicherstellen, dass der Staat bei steigenden Corona-Zahlen handlungsfähig bleibt. Doch eine Woche nachdem der Bundestag das Gesetz verabschiedet hat, steht es erneut unter massivem Beschuss – denn es bedarf auch der Zustimmung der Länder, um in Kraft treten zu können. An diesem Freitag steht die Abstimmung im Bundesrat an. Thüringen will sich enthalten. „Meine Zustimmung wird das Infektionsschutzgesetz des Bundes in dieser Form nicht haben“, sagte der Linke-Politiker Bodo Ramelow. Formell wird eine Enthaltung wie ein Widerspruch gewertet, da der Bundesratspräsident nur fragt, wer dem Gesetz zustimmt.

    Bayern hält sich den eigenen Weg offiziell noch offen. Florian Streibl, Fraktionschef der Freien Wähler im Landtag, versucht, die Linie vorzugeben: „Bayern wird dem neuen Infektionsschutzgesetz im Bundesrat nicht zustimmen.“ Zurückhaltender ist Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek. „Bei aller Kritik: Klar ist, dass wir die Rechtsgrundlage brauchen“, sagt er unserer Redaktion. „Wenn das IfSG im Bundesrat nicht beschlossen wird, fehlt die Rechtsgrundlage für Maßnahmen. Und dass wir in einen Winter mit sicherlich wieder steigenden Zahlen ohne die Möglichkeit für Maßnahmen laufen wollen, das kann keiner wollen.“ Er hält sich allerdings offen, ob Bayern wirklich alle Regeln umsetzt, die im Gesetz enthalten sind. Schon bei der einrichtungsbezogenen Impfpflicht ist der Freistaat bislang einen eigenen Weg gegangen – indem Bußgelder schlicht nicht verhängt und Nachweise nicht eingefordert wurden.

    Was bedeutet in der aktuellen Corona-Phase ein "starker Anstieg"?

    Holetschek listet eine ganze Reihe von Details des Gesetzes auf, die aus seiner Sicht nicht durchdacht sind. „Unklar bleibt beispielsweise, was genau ein ‚besonders starker‘ Anstieg der Sieben-Tage-Inzidenz ist, bei dem dann schärfere Maßnahmen in Kraft treten können“, sagt er unserer Redaktion. „Die Länder hätten diese Leitplanken gebraucht.“ So bleibe vage, wann schärfere Maßnahmen erforderlich würden. Der Minister: „Aber die Bundesregierung ist stur geblieben – damit besteht die Gefahr, dass wir den berühmten Flickenteppich bekommen. Das entscheiden die Länder nun für sich. Ich glaube nicht, dass das die Akzeptanz der Maßnahmen wirklich verbessert.“

    Auch die Meldepflicht für Kliniken hält der Minister für wenig praktikabel. „Diese sind zwar grundsätzlich sinnvoll“, sagt er. „Dass die Kliniken künftig aber auch tagesaktuelle Angaben zu den Behandlungskapazitäten der Notaufnahmen machen sollen, dürfte nicht unerhebliche Probleme mit sich bringen. Ich bin jedenfalls gespannt, welche Daten dies genau sein sollen, das ist ja noch völlig offen.“ Der Bund habe es versäumt, automatisierte digitale Meldemöglichkeiten in den Krankenhäusern zu schaffen. Längst nicht alle Kliniken seien an das Software-System DEMIS angeschlossen. Wie auch dem thüringischen Ministerpräsidenten Ramelow ist Holetschek zudem die einrichtungsbezogene Impfpflicht ein Dorn im Auge. Die müsse gekippt werden. Ab Oktober müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Pflegeheimen und Krankenhäusern drei Impfungen vorweisen. Bayern will dies nicht durchsetzen.

    Länder können das Infektionsschutzgesetz kaum mehr stoppen

    Auch der Umgang mit Kindern in der Pandemie stößt auf Kritik in den Ländern. In einem Interview mit der Bild-Zeitung sagte Schleswig-Holsteins Bildungsministerin Karin Prien (CDU), dass die jüngsten Änderungen im Infektionsschutzgesetz „eine Katastrophe für Schülerinnen und Schüler“ seien. Denn anders als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer können Kinder und Jugendliche nach einer Infektion erst dann wieder zur Schule, wenn sie einen negativen Test vorlegen – allein die fünftägige Quarantäne reicht nicht aus. „Schülerinnen und Schüler werden erneut schlechter gestellt als Erwachsene und Arbeitnehmer“, sagt Prien. Hier könnte allerdings noch Bewegung in die Sache kommen. Bayern hatte die Attestpflicht bereits moniert. "Auf das Drängen der Länder und der Initiative Bayerns hin hat der Bund angekündigt, das Thema in der Sitzung des Bundesrats am Freitag noch einmal aufzugreifen und klarzustellen", sagt Holetschek. "Ich hoffe, dass der Bundesgesundheitsminister einen guten Vorschlag macht, etwa, dass Selbsttests ausreichen."

    Zu Fall bringen können Thüringen, Bayern und Schleswig-Holstein das Infektionsschutzgesetz allerdings ohnehin nicht. Die Mehrheit der Bundesversammlung wird dem Vorhaben von Lauterbach und Buschmann zustimmen.

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