Die Herausforderungen sind groß, wenn am Mittwoch im Bremerhaven die Innenministerkonferenz (IMK) beginnt. Bis Ende der Woche beraten die Ressortchefs der Länder über drängende sicherheitspolitische Fragen, unter anderem den Zivilschutz. „Wir sind uns darin einig, dass wir angesichts der geänderten Sicherheits- und Bedrohungslage nicht nur die militärischen Fähigkeiten ausbauen, sondern auch die zivile Verteidigung umfassend stärken müssen“, sagt der bayerische Innenminister Joachim Herrmann mit Blick auf den Krieg in der Ukraine seit 2022. Konkret habe man in der Vergangenheit bereits Investitionen von bis zu zehn Milliarden Euro binnen zehn Jahren angemahnt.
Ein weiteres Thema auf der Innenministerkonferenz: die Migrationspolitik
Doch die Zeit drängt. „Seit 2022 sind nicht nur drei Jahre verstrichen. Wir müssen heute auch davon ausgehen, dass uns kein Zeitraum von zehn Jahren mehr verbleibt“, warnt Herrmann. Man müsse in Bund, Länder und Kommunen die Botschaft aussenden: „Wir sind hinreichend abschreckungs- und verteidigungsbereit. Diese Voraussetzungen gilt es bis 2029 zu schaffen.“ Herrmann sieht dabei Möglichkeiten durch das Paket aus gelockerter Schuldenbremse und Sondervermögen. „Im Grundgesetz sind dafür nun ausdrücklich auch Finanzmittel vorgesehen.“
Ein weiteres Thema dürfte die Migrationspolitik werden. Bisher tragen die Länder den Kurs der neuen Bundesregierung weitgehend mit. Herrmann erwartet von den Innenministerinnen und Innenministern, „dass wir dem im Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung verankerten Ziel einer echten Rückführungsoffensive Rückenwind geben“, sagt er. „Dafür müssen die Herkunftsländer stärker als bisher in die Pflicht genommen werden.“
Ein Streitthema zwischen Bund und Ländern war bisher meist die Finanzierung. Die Länder forderten in der Vergangenheit immer wieder mehr Geld für die Unterbringung von Geflüchteten. Dass der Bund das ablehnt, daran hat sich auch unter der neuen Regierung nichts geändert. Die Forderungen der Länder „sind aus Sicht des Bundes nicht nachvollziehbar“, heißt es in einer Unterrichtung der Bundesregierung von Anfang Juni.
Die neue Regierung in Berlin kann den Ländern aber anders unter die Arme greifen, sagt der Migrationsforscher Gerald Knaus. „Wo der Bund ein starkes Signal aussenden könnte: indem man die Länder dabei unterstützt, ausreisepflichtige Straftäter beispielsweise nach Afghanistan oder Syrien abzuschieben“, sagt Knaus unserer Redaktion. „Im Koalitionsvertrag ist das festgehalten, passiert ist aber bisher wenig.“ Außerdem geht es um mehr sichere Drittstaatsabkommen auf EU-Ebene. „Das hatten die Länder bereits im Oktober 2023 gefordert. Die EU-Kommission hat jetzt entsprechende Pläne vorgelegt, denen die Mitgliedsstaaten aber noch zustimmen müssen“, sagt Knaus. „Da könnte Deutschland Druck machen, dass das schnell umgesetzt wird.“
Gerald Knaus: Im Winter könnte die Zahl der Geflüchteten aus der Ukraine wieder zunehmen
Außerdem wäre es wichtig, sich bei der Innenministerkonferenz auf das Szenario vorzubereiten, dass „im Winter wieder mehr Menschen aus der Ukraine zu uns kommen“, sagt Knaus. „Angesichts der immer brutaleren Angriffe Putins könnten die Zahlen dann wieder zunehmen.“
Für Sebastian Hartmann, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, könnte es bei dem Treffen der Innenminister durchaus darum gehen, „in welchen Bereichen der Bund eine gegebenenfalls stärkere Rolle übernimmt als in der Vergangenheit“, sagt er unserer Redaktion. So sei eine Abschiebung „zum Beispiel keine Einzelmaßnahme, sondern ein komplexer Vorgang mit mehreren Akteuren auf Landes- und Bundesebene“, sagt Hartmann. „Die Verfahren müssen insgesamt effizienter und die Kosten zwischen Bund und Ländern fair verteilt werden.“
Mehr Beteiligung des Bundes fordern auch die Grünen. „Wir brauchen eine faire Kostenteilung bei den Flüchtlingskosten zwischen Bund und Ländern. Städte, Gemeinden und Landkreise müssen weiterhin finanziell entlastet werden“, sagt Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen, unserer Redaktion. Und fügt hinzu: „Um die Herausforderungen bei Unterbringung und Integration zu meistern, muss noch mehr Flexibilität ermöglicht und Bürokratie abgebaut werden. Gleiches gilt für die Arbeitsverbote oder den Zugang zu Sprach- und Integrationskursen.“ Außerdem hätten die sicherheitspolitischen Probleme Deutschlands andere Wurzeln als nur die Migration, sagt von Notz. „Der zutiefst besorgniserregende Zuwachs an Rechtsextremen und die deutliche Zunahme rechtsextremer und antisemitischer Taten sind ohne Zweifel besonders drängende dieser Probleme.“
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