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Interview
22.08.2022

Anetta Kahane zu Rostock-Lichtenhagen: "Das war der Horror für mich"

Hunderte Neonazis randalierten 1992 in Rostock-Lichtenhagen. Dabei steckten sie auch ein von über 100 vietnamesischen Vertragsarbeiterinnen und -arbeitern bewohntes Haus in Brand.
Foto: Jens Kalaene, dpa (Archivbild)

Vor 30 Jahren fanden die schwersten fremdenfeindlichen Ausschreitungen seit 1945 statt. Anetta Kahane, langjährige Vorsitzende der Amadeu-Antonio-Stiftung, erinnert sich.

Frau Kahane, im August 1992 griffen fünf Tage lang hunderte Neonazis zuerst ein Asylbewerberheim und dann ein danebenstehendes Wohnheim vietnamesischer Vertragsarbeiterinnen und -arbeiter mit Steinen und Molotowcocktails an. Sie selbst haben einige Jahre zuvor in Rostock studiert. Wie haben Sie die Ausschreitungen damals erlebt?

Anetta Kahane: Ich habe das sehr intensiv erlebt, gerade weil ich dort studiert habe. Für mich war das so ein Horror, dass ich danach krank geworden bin – ich hab Fieber bekommen. Es kroch die reine Verzweiflung in mir hoch. Ich hatte damals viele Freunde dort, die sich engagiert haben. Wir waren eng in Kontakt, eine schilderte mir vollkommen außer Atem am Telefon die Szenen. Sie sagte: „Das ist jetzt die dritte Nacht und die Polizei ist weg. Hier gibt es nur Anarchie, Chaos und Faschismus“. Es kamen immer mehr Leute, immer mehr jubelten. Die hatte richtig Angst.

Anetta Kahane zu Rostock-Lichtenhagen: "Das war der Horror für mich"
11 Bilder
Das waren die rechtsextremen Krawalle von Rostock-Lichtenhagen

Was hat das emotional bei Ihnen ausgelöst?

Kahane: Ich war fassungslos. Fassungslos, wie das sein kann, dass die Polizei weggeht und sich keiner kümmert. Und da ich aus einer Familie von jüdischen Holocaustüberlebenden stamme, hat diese pogromartige Stimmung in mir natürlich auch noch ganz andere Gefühle ausgelöst.

Häufig werden die Ausschreitungen als Zäsur bezeichnet. Wie überrascht waren Sie damals?

Kahane: In der Zeit passierte das damals andauernd – vor allem in Ostdeutschland. Also es war nichts Neues. Auch nicht, dass die Polizei nicht eingeschritten ist – das haben wir ja ein Jahr vorher in Hoyerswerda erlebt. Überraschend war, dass es im hellen Licht der Öffentlichkeit passierte und sich die Politiker hinstellten und sagten, das läge daran, dass das Asylgesetz so großzügig ist und man sich nicht wundern müsse, wenn die Menschen anfangen, andere umzubringen.

Die Bilder gingen live um die Welt – es waren ja über 20 Kamerateams vor Ort. War das neu?

Kahane: Ja, und dass sie sich trotzdem nicht geschämt haben. In den meisten ostdeutschen Städten gehörte Rassismus damals einfach dazu. Und wir hatten ja in den 80er Jahren auch ganz große Probleme mit Neonazis.

Anetta Kahane erinnert sich an die Ausschreitungen in Rostock-Lichtenhagen vor 30 Jahren.
Foto: Michael Kappeler

Das Besondere an Rostock war auch, dass eben nicht nur Neonazis vor Ort waren, sie wurden auch von tausenden Zuschauern beklatscht und bejubelt. Wie war damals das gesellschaftliche Klima?

Kahane: Ich halte es immer für heikel, Neonazis von der Normalbevölkerung zu trennen. Natürlich unterscheidet sich ein gewaltbereiter Skinhead von einem Normalbürger, aber die waren ja miteinander verwandt. Die haben sich nur anders angezogen und waren radikaler. Natürlich ist es völlig unbestritten, dass Riesenfehler gemacht wurden, infrastrukturell und auch von der Investition in das Klima dort. Aber dieses passiv-aggressive Rumgejammer der Älteren nach der Wende hat die Jugendlichen natürlich noch aggressiver gemacht. Und dann stellen sie sich zusammen hin und schreien. Also das zu trennen ist von der Kategorisierung her richtig, aber von der Atmosphäre her nicht.

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Die einen waren gewaltbereiter, aber das Gedankengut war vergleichbar?

Kahane: Genau. Und es wurde behauptet, die Nazis kämen alle aus dem Westen. Klar kamen auch Skin-Touristen an, aber die meisten waren sehr wohl von dort. Ich hatte auch Freunde noch in Rostock aus der Zeit des Studiums. Der Sohn einer Freundin etwa ist verprügelt worden nach seinem Coming-out. Leute, die sich nicht in eine gewisse Richtung bewegen wollten, waren dran.

Gab es dafür im Osten einen fruchtbareren Boden als im Westen?

Kahane: Natürlich. Dieses Land hatte sich gerade aufgelöst. Die Bevölkerung war komplett anders sozialisiert als im Westen. Denen ist der Boden unter den Füßen weggeglitten. Und die Menschen hatten natürlich gerade in Bezug auf Rassismus und Antisemitismus überhaupt keinen Schimmer. Die krochen da alle noch aus den diktatorischen Eiern und wachten auf in einem Land, das es nicht mehr gab. Und dann wurden sie konfrontiert mit Asylrecht und Roma und Vietnamesen. Das war eine komplett durchgeknallte Situation.

Also ging es auch um die fehlende demokratische Erfahrung?

Kahane: Ja und wissen Sie: 1945 war Deutschland ein besiegtes Land. Es war eine Nachfolgegesellschaft des Nationalsozialismus im Osten wie im Westen. Man tut heute so, als wären die im Osten nicht da gewesen, als wäre die DDR wie ein Raumschiff aus dem Himmel gekommen. Das war aber nicht so, es war eine postnationalsozialistische Gesellschaft und die wurde nie wirklich in einer Weise aufgebrochen, wie es nötig ist, um wirklich Muster zu ändern.

Wer trägt denn in Ihren Augen politisch die Verantwortung für das was passiert ist?

Kahane: In Rostock sind aber zwei Sachen passiert. Erstens ist mir das Herz in die Hosentasche gerutscht, als Oskar Lafontaine [zu diesem Zeitpunkt SPD-Ministerpräsident des Saarlandes und später Bundesratspräsident; Anm. d. Red.] einknickte und sagte, wir brauchen einen Asylkompromiss. Und zweitens die Behauptung, dass Ausschreitungen wie in Hoyerswerda und Rostock daran lägen, dass das Asylrecht so liberal ist. Das heißt, man hat den Migranten die Schuld gegeben.

Und die Rechtsextremen konnten einen Erfolg verbuchen.

Kahane: Genau. In Rostock haben sie an der großen zentralen Aufnahmestelle die ankommenden Roma aus Rumänien entgegen dem Gesetz nicht reingelassen. Sie haben die Leute vor dem Haus campieren lassen. Ohne Versorgung, ohne Wasser, ohne Toiletten. Das ist doch klar, dass die nach ein paar Tagen alle durchdrehen. Bis sie für die Bevölkerung keine Menschen, sondern Tiere sind. Und alles mit dem politischen Ziel, das Asylrecht zu verschärfen.

In diesem Jahr gibt es wieder verschiedene Gedenkveranstaltungen und Demonstrationen, auch der Bundespräsident hat sich angekündigt. Immer wieder hört man aber auch Menschen, denen das Gedenken unangenehm ist. Warum ist es wichtig, zu erinnern?

Kahane: Gerade weil es unangenehm ist. Ein Gedenken an Verbrechen, die aus dem Bauch des Volkes kommen, sind immer unangenehm. Auch die Erinnerung an den Holocaust ist unangenehm. Es ist ja ein Teufelskreis. Je mehr das Erinnern abgewehrt wird, desto mehr perpetuiert sich solches Gedankengut. Man kriegt diesen Teufelskreis nur unterbrochen, indem man sich der Sache stellt. Ich finde das total wichtig.

In den Jahren danach haben Angriffe auf Asylunterkünfte abgenommen, aber 2015 waren es wieder über 1000, ein Jahr später nur knapp darunter. Es gab den NSU, es gab die Anschläge in Halle und Hanau. Was unterscheidet die heutige Situation von damals?

Kahane: Wir haben auch heute ein großes Problem mit Rechtsextremismus. Früher wurde immer gesagt, die NPD ist nicht im Landtag und deswegen gebe es kein Naziproblem. Jetzt sehen wir es an den Wahlergebnissen der AfD, es ist offensichtlich. Früher war es so, wer rassistisch eingestellt war, konnte durchaus die PDS wählen. Das war kein innerer Widerspruch. Heute hat die AfD in Thüringen in Umfragen bis zu 30 Prozent. Es ist erschreckend, aber es macht etwas deutlich. Dieses Zahlenverhältnis war in den 90ern ähnlich, es gab bloß keine Partei, die das widergespiegelt hätte.

Rechtsextreme Parteien wählen und Flüchtlingsheime anzünden sind zwei verschiedene Dinge. Sind Ausschreitungen wie damals heute überhaupt noch denkbar?

Kahane: Sie sind insofern nicht denkbar, weil die Polizei und auch die Feuerwehr heute nicht mehr so reagieren würden. Das waren ja auch für die Polizei und die Feuerwehr regellose Zustände. Die waren total überfordert. Das würde heute nicht mehr funktionieren.

Und was ist mit der Gewaltbereitschaft?

Kahane: Da kann ich nicht sehen, dass das aufhört. Es gibt eine Kontinuität von Anfang der 90er bis jetzt. Wir haben aber ein ungleich höheres Aggressions- und Demokratiefeindlichkeitsproblem. Über die Querdenkerszene und die ganzen Verschwörungsnarrative haben wir nun eine Ost-West-Allianz auf einer ganz anderen Ebene und der kann sich auch der ostdeutsche Rassist gut anschließen.

Was kann die liberale Gesellschaft dem entgegensetzen?

Kahane: Was wir als Stiftung beispielsweise machen, ist viel Mühe zu investieren in Bildungsprojekte zum Thema Verschwörungstheorien. Dass man Leute mit geschlossenem Weltbild da nicht rausholen kann, ist völlig klar. Da stehen Aufwand und Nutzen in keinem Verhältnis. Es geht vor allem um diejenigen, die im Dunstkreis dieser Milieus sind und sich nicht so richtig zurechtfinden und unentschlossen sind. Oder die selber unsicher sind, aber gerne was sagen würden, wenn es darauf ankommt. Es ist total wichtig, dass es Organisationen gibt, die sich die Mühe machen und das mit den Leuten besprechen, denen das beibringen, sie mit einbeziehen und all diese Dinge. Es geht also um politische Bildung.

Und was sollte die Politik tun?

Kahane: Natürlich müsste viel mehr als bisher bei Polizei und anderen Institutionen des Staates darauf geachtet werden, dass die nicht selber Teil des Problems sind. Aber da gibt es eine gewisse Konfliktscheue. Da ist das überhaupt kein Thema. Rassismus kein Thema, Verschwörungstheorien kein Thema. Von Antisemitismus ganz zu schweigen. Das ist eine staatliche Aufgabe. Leute, die für den Staat arbeiten, müssen klar sein. Es geht ja auch nicht, dass ein Polizist keine Klarheit darüber hat, was Eigentumsdelikte sind. Aber bei Einstellungsfragen, bei Artikel 3 des Grundgesetzes, da dürfen sie auf einmal Zweifel haben? Nein, das dürfen sie nicht. Ich finde, das wäre ein ganz großer Schritt, wenn sich da die Behörden ein bisschen mehr Mühe geben würden.

Zur Person: Anetta Kahane, 1954 geboren, war in der Bürgerrechtsbewegung der DDR aktiv, setzt sich seit Jahrzehnten gegen Rechtsextremismus, Antisemitismus und Fremdenfeindlichkeit ein und wurde mehrfach dafür ausgezeichnet. Sie war Ausländerbeauftragte des Magistrats Ost-Berlin und initiierte 1998 die Amadeu-Antonio-Stiftung, deren hauptamtliche Vorsitzende sie bis März 2022 war.

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Die Diskussion ist geschlossen.

22.08.2022

Ob dieses durchaus beeindruckende Interview ausreicht, um dieses Pogrom von 30 Jahren richtig einzuordnen?
Fast völlig ausgespaart wird die Rolle der Politik der rechten Flanke und dem (bis heute) windigen Teil der Medien.
Man darf schon an folgendes erinnern:
- dank der Debatte um das Asyrecht wurde der rechte Rand (DVU, Reps) gestärkt. Die Postionen reichten weit in die CSU hinein; diese fuhr den harten Kurs auf Änderung des Grundrechts auf Asyl und setzte die liberaleren Kräfte in der CDU ziemlich unter Druck.
- in der Folge knickten SPD und FDP ein und schränkten das Grundrecht auf Asyl in einem Kompromiss mit den C-Parteien erheblich ein - beschämend!
- die Aufarbeitung - politisch und juristisch - geriet zu einem Desaster. Die Verfahren gegen die Verantwortlichen in Land und Stadt, in Polizei und Politik wurden nach und nach eingestellt. Die strafrechtliche Verfolgung war milde ausgedrückt lasch, zu Verurteilungen kam es trotz ca. 400 Ermittlungsverfahren kaum

Das Schlimmste m.E. war jedoch, dass neben den handelnden rechten Tätern ein applaudierender Mob von 3 oder 4.000 Rostockern dabei war. Rostock war ja leider kein Einzelfall, Hoyerswerda, Solingen und andere gab es. Und nicht zuletzt der NSU! Immer waren die Ermittlungen schwierig, schleppend und meist folgenlos.
Nebenbei, der Geisteshaltung der Täter und die der applaudierenden Menge begegnen wir heute immer noch. Der politische Arm dieser Gemengelage sitzt in verschiedenen Parlamenten und hat auch dank macher medialen Hetze noch erheblichen Einfluss.
Wie sagte einst Bert Brecht: Der Schoss ist fruchtbar noch, aus dem das kroch!