
Chebli: "Ich habe mir geschworen, niemals zu schweigen, wenn ich Unrecht sehe"

Sawsan Chebli polarisiert. Im Internet wird sie mit Online-Hetze und Hasskommentaren überhäuft. Darüber hat sie jetzt ein Buch geschrieben.
Frau Chebli, im Internet schlägt Ihnen jeden Tag Hass und Hetze entgegen. Sie erhalten auch Morddrohungen. Haben Sie Angst?
Sawsan Chebli: Nein, ich habe keine Angst. Ich würde aber sagen, dass ich heute weniger entspannt durch meine Heimatstadt Berlin laufe. Seit ich einmal mitten am Tag von einem Mann körperlich angegriffen wurde, schaue ich häufiger über die Schulter, trage selten beide Kopfhöher, um mitzubekommen, wenn sich jemand nähert und schicke der Familie immer einen Live Standort, wenn ich abends unterwegs bin.
Hat Ihre Familie Angst um Sie?
Chebli: Meine Familie wünscht sich, dass ich meinen Twitter-Account stilllege und mich nicht mehr so sehr in gesellschaftspolitische Themen einmische.
Hören Sie auf Ihre Familie?
Chebli: In diesem Fall nicht. Ich habe erlebt, wie es ist, keine Stimme zu haben, Schikanen eines politischen Systems ausgesetzt zu sein, entmenschlicht und der Würde beraubt zu werden. Als ich gerade mal fünf Jahre alt war, musste ich meinen Vater in der Abschiebehaft besuchen. Er wurde abgeschoben, war ein Jahr nicht bei uns und wir konnten nichts dagegen tun. Ich habe mir geschworen, niemals zu schweigen, wenn ich Unrecht sehe.
Sie haben nie darüber nachgedacht, leiser zu werden?
Chebli: Natürlich gibt es Momente, wo ich darüber nachdenke, ob ich mit dem, was ich tue, nicht nur mich, sondern auch meine Familie zu stark gefährde und nicht doch aussteigen sollte aus Twitter und Co.
Doch das ist zumindest bislang nicht passiert.
Chebli: Nein, denn dann kam die kämpferische Frau in mir durch, die sagte: Jetzt erst Recht! In Momenten der Schwäche, der Angst und der Zweifel regt sich das kleine Mädchen in mir, das es trotz schwieriger Verhältnisse geschafft hat. Und es geht hier ja nicht nur um mich. Leute, die gegen mich haten, tun es ja nicht gegen mich als Person. Es geht um die Werte, für die ich stehe, wie eine plurale Gesellschaft, in der Frauen und Menschen mit Einwanderungsgeschichte gleiche Chancen und Rechte haben und eine echte Religionsfreiheit, die auch für Muslime gilt. Deshalb würde ich mir wünschen, dass noch mehr Menschen laut würden und Demokratiefeinden nicht das Netz überlassen.
Geben die Hater sich mit ihren echten Namen zu erkennen?
Chebli: Viel häufiger als man erwarten würde. Sie fühlen sich offenbar so sicher, dass sie ihrem Hass ohne Furcht vor Konsequenzen freien Lauf lassen. Das macht mir Sorgen. Eigentlich müsste es doch andersrum sein, eigentlich müsste ich mich sicher und vom Rechtsstaat geschützt fühlen – und nicht sie. Digitale Gewalt wird leider immer noch zu oft als Bagatelle gesehen, zu oft laufen Verfahren ins Leere und zu oft werden Hass und Hetze von der Meinungsfreiheit geschützt.
Auf Facebook, dem auch in Deutschland mit Abstand größten Netzwerk, sind Sie seit fünf Jahren nicht mehr. Warum?
Chebli: Facebook wurde für mich immer gefährlicher. Bei den meisten Posts gab es strafrechtlich relevante Hass-Kommentare. Ich hätte den ganzen Tag damit verbringen müssen, das zur Anzeige zu bringen. Von Facebook fühlte ich mich dabei alleingelassen. Selbst volksverhetzende und strafbare Kommentare zu meinen Posts wurden nicht gelöscht.
Stärken oder schwächen Twitter und andere soziale Medien die Demokratie?
Chebli: Die Zukunft der Demokratie – ob es uns gefällt oder nicht – wird im Internet verhandelt. Schon jetzt tauscht sich die Hälfte der Menschheit im Schnitt zweieinhalb Stunden am Tag über die sozialen Medien aus. Und wir wissen, dass rechte Kräfte das Internet viel erfolgreicher nutzen als wir Demokratinnen und Demokraten. Sie haben den Raum früh erobert, können ihn viel besser nutzen und entsprechend wesentlich effizienter in ihm agitieren. Fakt ist, dass rechte Netzwerke Hate gezielt nutzen, um Menschen wie mich mundtot zu machen und politische Debatten in eine bestimmte Richtung zu manipulieren.
Das klingt nicht gut…
Chebli: Auf der anderen Seite haben soziale Medien eine große positive Wirkungsmacht. Ohne Twitter und die sozialen Medien würden wir hier in Deutschland wahrscheinlich wenig mitbekommen von den Frauen und Männern, die im Iran für Freiheit, Demokratie und Selbstbestimmung kämpfen. Der Arabische Frühling wäre ohne Facebook nie so wirkmächtig geworden. Die sozialen Netzwerke bergen eine gigantische demokratische Macht, aber auch ein gigantisches zerstörerisches Potenzial.
Was muss jeder einzelne User tun?
Chebli: Ich würde mir wünschen, dass Menschen ihr Verhalten in den sozialen Medien reflektieren und erkennen, dass der Hass gegen einzelne nicht allein die Betroffenen etwas angeht. Er geht uns alle etwas an. Es geht um unsere Demokratie, um unser Zusammenleben, um unser aller Sicherheit, um unser aller Leben. Mein Buch ist ein Aufruf an die Zivilgesellschaft, die Beobachterrolle zu verlassen, die Seitenlinie zu überqueren und sich auf das Feld, in dem Fall ins Netz, zu beigegeben. Wir müssen laut sein, einschreiten und Zivilcourage zeigen. Wenn auf der Straße jemand verprügelt wird, guckt man ja normalerweise auch nicht weg, sondern schreitet ein oder ruft zumindest die Polizei. Nicht ohne Grund gibt es den Straftatbestand der unterlassenen Hilfeleistung. Aber leider ist die Realität im Netz oft anders.
Als Sie noch stellvertretende Sprecherin von Außenminister Steinmeier waren, haben sich Mitarbeiter über Ihren Führungsstil beschwert. Haben Sie die Freundlichkeit, die Sie für die sozialen Medien einfordern, nicht selbst an den Tag gelegt?
Chebli: Ich kenne diese Erzählungen und sie verletzen mich. Bin ich perfekt? Natürlich nicht. Mache ich Fehler? Mit Sicherheit. Aber ich weiß natürlich auch: Als Person im öffentlichen Leben hat man wenig Einfluss auf die Art der Kritik, der man ausgesetzt ist, besonders, wenn sie anonym ausgedrückt wird.
Zur Person: Sawsan Chebli wurde am 26. Juli 1978 in West-Berlin als zwölftes von dreizehn Kindern einer geflüchteten palästinensischen Familie geboren. Ihr Vater wurde zweimal in den Libanon abgeschoben, kehrte jedoch immer wieder nach Deutschland zurück. Chebli studierte Politik und trat 2001 in die SPD ein. 2014 holte der damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier sie als stellvertretende Sprecherin ins Auswärtige Amt. Gemeinsam mit Miriam Stein hat sie das Buch "Laut. Warum Hate Speech echte Gewalt ist und wie wir sie stoppen können" geschrieben, es erscheint am 29. März im Goldmann Verlag.
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„Ich habe mir geschworen, niemals zu schweigen,
wenn ich Unrecht sehe“
erweckt bei mir den Eindruck einer selbstermäch-
tilgten Sachwalterin für alle von ihr als solche be-
fundenen Unrechtsfälle . . . .
Ein Hoch auf Sawsan Chebli niemals zu schweigen, wenn sie Unrecht sieht, aber vor allem viel Kraft und Übersicht diese Lebensaufgabe zu meistern und die Weisheit das Unrecht zu erkennen, um es bekämpfen zu können.
Das Frau Chebli massiven Anfeindungen und Drohungen ausgesetzt ist glaube ich ihr sofort. Das trifft in unseren Tagen leider auch schon auf viele Kleinstadt-Bürgermeister zu.
Man muss aber auch klar sagen das Frau Chebli sehr ehrgeizig, sehr intelligent sowie wirtschaftlich und politisch erfolgreich ist. Sie versteht es perfekt die Narrative der Mainstreammedien für sich einzusetzten. Frau + politisch links + Migrationshintergrund + bekennende Muslima = Doppelplusgut! Jeder Journalist überlegt es sich schon drei mal ob und in welcher Form er hier berichtet. Und Frau Chebli versteht sich sehr gut darauf, zur richtigen Zeit in die Opferrolle zu schlüpfen. Klar doch, alle die was an Chebli kritisiern sind rechts und Hater und muslimfeindlich.
Religionsfreiheit für Muslime bedeutet halt auch Religionskritik für Muslime. Einen Politiker, der Kontakte zu Opus Dei oder zu Sientology hat, würde doch auch sehr offen hinterfragt werden. Frau Chebli pflegt nun mal engste Kontakt zum konservativen Islam.
Klar darf Sie das machen - aber ist jeder der da seine Bedenken hat gleich islamophob?
Ein Politiker der oft, zu oft, zu Geschäftsbesprechungen zum Diktator nach Aserbeidschan fliegt müsste sich doch auch ein paar peinliche Fragen gefallen lassen. Das Frau Chebli und ihr Gatte sehr enge, auch wirtschaftliche Beziehungen zu den radikalislamischen Monarchien in der Golfregion haben ist nun wirklich kein Geheimnis. Wären da ein paar kritische Fragen nicht angebracht? Immerhin soll Frau Chebli ja mit dem Amt der Innenministerin liebäugeln. Aber bei Frau Chebli wird wohl nur kritisiert weil sie Frau mit Migrationshintergrund ist??
Naja, und die ROLEX-Panne vor ein paar Jahren. Deutschland ist eben ein bisserl futterneidisch. Wenn linke Politiker in schöner Regelmässigkeit den Raubtierklapitalismus anprangern und dann mit den Aushängeschildern eben dieses bösen Kapitalismus rumlaufen dann sorgt das einfach für Spott und Häme in den sozialen Netzwerken. Da befindet sich Frau Chebli in guter Gesellschaft.
Man kann immer Kritik anbringen, aber Hass, Hetze und Bedrohungen im Netz sowie körperliche Angriffe haben aber nichts mit Kritik zu tun.
Frau Chebli trägt für ihr umstrittenes Ansehen schon eine klare Mitverantwortung:
https://juedischerundschau.de/article.2022-07.sawsan-chebli-das-feigenblatt-islamischer-fundamentalisten.html
Artikel zu der Frau sind schnell mal von Einseitigkeit geprägt.
>>
Artikel zu der Frau sind schnell mal von Einseitigkeit geprägt.<<
Kommentare auch.
Aha, Frau Chebli ist also selbst schuld, dass man sie im Netz mit Hass und Hetze verfolgt. Weil sie manchen konservativen Kräften nicht in den Kram passt? Weil sie sagt, was sie denkt? Weil sie für Meinungsfreiheit steht, die nicht mit Hass zusammenpasst? Weil sie als gebürtige Palästinenserin in einer jüdisch geprägten Zeitung schlecht gemacht wird? Chebli ist eine mutige Frau, die mit ihren Ansichten vielleicht manchmal polarisiert, aber wer sie auf einen Artikel in der "Jüdischen Rundschau" reduziert, zeigt auch, dass er sehr einseitig denkt. Ich würde mir wünschen, dass wir mehr Politiker und Politikerinnen von dieser Art hätten, die sich mit Mumm und persönlichem Einsatz für Toleranz, gegen Vorurteile und gegen Benachteiligung einzelner Gruppen einsetzen. Antisemitismus ist nicht zu tolerieren, aber die ständige moralische Keule, die man auch in diesem Forum gegen Menschen islamischen Glaubens auspackt, ist ebenfalls nicht zu tolerieren.
Frau Reichenauer ,
Frau Chebli ist genauso und in der gleichen Art eine Fundamentalistin höchster Ausprägung wie diejenigen , denen sie diese Eigenschaft beständig vorhält .
Daß es in Deutschland keine "echte Religionsfreiheit gäbe" ist dabei noch der kleinere Fehltritt in ihren Äußerungen .
Daß Frau Chebli eine antiisraelische/antijüdische Einstellung hat , ist ebenso bekannt - sie kaschiert sie nur zuweilen sehr geschickt , indem sie auf die antijüdischen Ressentisments von Rechts verweist.
So kann man sich dann auch gut verstecken .
Daß Steinmeier diese Frau zu seiner zeitweiligen Sprecherin gemacht hatte und entlassen mußte wegen ihrer zweifelhaften Äußerungen und ihrer doch sehr undurchsichtigen Kontakte zu islamistischen Gruppierungen (JUMA) - nun ja , Steinmeier hatte ja immer schon auf vielen Feldern (beispielsweise "Ukraine") in erheblichem Maß grandiose Schnitzer zu verantworten .
Der Hass im Netz geht doch nicht nur gegen die dunkelhäutige SPD-Frau Chebli, sondern vor allem gegen die Grüne Ricarda Lang und
gegen die Grünen grundsätzlich. Besonders schlimm ist dieser Hass im WELT-Forum. Diese Menschen leben offenbar richtig auf in
ihrem Hass gegen Andersdenkende, Andersfarbige und Andersgläubige wie Juden. Wohin soll das noch führen ?
Frau Lang ? Die wird die nächste Zeit eher mit "friendly fire" beschäftigt sein...
https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/koalitionsausschuss-beendet-die-ampel-hat-sich-geeinigt-18783385.html
>> Lang hob hervor, dass zugleich eine „Solaroffensive“ vereinbart worden sei. Bei jedem Straßenbau oder -ausbau müssten künftig auch Photovoltaikanlagen eingeplant werden. Demnach dient jeder Straßenbau künftig immer auch dem Klimaschutz. <<
Demnach dient jeder Straßenbau künftig immer auch dem Klimaschutz !!!
Kapiert das doch endlich ;-)