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Liliom und Airbus: Ist der Flugtaxi-Hype vorbei?

Mobilität

Ist der Hype um Flugtaxis schon wieder vorbei?

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    Airbus entwickelt sein Flugtaxi künftig vorerst nicht weiter.
    Airbus entwickelt sein Flugtaxi künftig vorerst nicht weiter. Foto: Stefan Küpper

    Wie viel Schub haben Flugtaxis eigentlich noch? Als im März 2019 Airbus seinen Demonstrator auf dem Ingolstädter Rathausplatz der Weltöffentlichkeit präsentierte, sah mancher schon das Ende des Shuttle-Busses vom Nordbahnhof zum Münchener Flughafen nahen. Doch zuletzt kündigte Airbus an, dass das Unternehmen den technisch offenbar noch nicht ausgereiften Prototypen des CityAirbus Next Gen künftig vorerst nicht weiterentwickeln wird. Und Lilium, ein mit großen Hoffnungen und viel Geld begleitetes Flugtaxi-Startup, musste vor wenigen Tagen ein zweites Mal Insolvenz anmelden. Es entstand der Eindruck: Der Flugtaxi-Hype isch over, um die legendären Worte des CDU-Politikers Wolfgang Schäuble zu zitieren. Aber ist das wirklich so?

    Es gibt technische Höhenflüge, wirtschaftliche Abstürze und es gibt etwas dazwischen. Wie also ist es tatsächlich um die Flugtaxis und ihren mit großen Erwartungen versehenen Markt bestellt? Florian Holzapfel, Professor an der TU München, kennt sich aus. Trotz der jüngsten Nachrichten stellt der Experte klar: „Flugtaxis haben nach wie vor genau dieselbe Perspektive wie eh und je.“ Noch immer gebe es einen „riesigen Markt“. Klar sei aber auch, die sinnvollen Anwendungen für diese seien nicht der Massentransport und auch nicht Schicki-Micki-Flüge. Gut zu gebrauchen, seien die neuen Flieger immer da, erklärt Holzapfel, wo man auf relativ kurzen Strecken viel Zeit sparen kann. Sprich: Inselgruppen, in Berggegenden, da, wo das Straßennetz schlecht oder die Sicherheitslage prekär ist. Zusammengefasst sagt Holzapfel: „Am globalen Markt hat sich nichts geändert.“ China und die USA seien eben weiter, weil dort Regularien pragmatischer gehandhabt würden und ein „sinnvollerer Experimentalbetrieb“ zugelassen sei.

    Und was passiert in Ingolstadt, wo der CityAirbus eins Weltpremiere hatte?

    Auch in der Region Ingolstadt, wo rund um die CityAirbus-Weltpremiere eine groß-angelegte Urbain-Air-Mobility-Initiative organisiert wurde, bleibt man gelassen. Und kümmert sich lieber um den Auftrieb: Beim brigkAIR, das zum dortigen Digitalen Gründerzentrum gehört, haben junge Unternehmen erst kürzlich ihre Innovationen präsentiert. Viele Militärs waren auch da. Gewonnen hat ERC System. Das Startup aus Ottobrunn hat ein elektrisches, bemanntes Fluggerät entwickelt, das senkrecht starten und landen kann. Nach Unternehmensangaben dreimal schneller unterwegs als ein Auto, zu einem Drittel der Kosten eines Hubschraubers. Per Rettungsdrohne in die Notaufnahme. Kein Flugtaxi, sondern ein Krankentransporter. Das verheißt doch Zukunft.

    Franz Glatz, Geschäftsführer des Digitalen Gründerzentrums in Ingolstadt, verweist auf Nachfrage darauf, dass man bis Ende des vergangenen Jahres 38 Gründer und Startups betreuen und unterstützen konnte. „Ingolstadt befindet sich in einem tiefgreifenden Wandel – insbesondere durch die Transformation der Automobilindustrie. Hersteller und Zulieferer sind auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern und Innovationsimpulsen.“ brigkAIR gestalte diese Entwicklung mit, indem man Formate schaffe, in denen etablierte Unternehmen aus der Region mit Gründern und neuen Technologien zusammengebracht würden. Zunehmend auch aus der Rüstungsindustrie. Das brigkAIR hat draußen bei der Wehrtechnischen Dienststelle für Luftfahrzeuge und Luftfahrtgerät der Bundeswehr in Manching einen Außenposten.

    Stadt Ingolstadt. Noch keine Neuansiedlung etablierter Firmen

    Auch Georg Rosenfeld, Wirtschaftsreferent der Stadt Ingolstadt, sagt: „Bei der Urban Air Mobility handelt es sich um ein hochinnovatives, noch von Forschung und Entwicklung geprägtes Themenfeld, so dass ein messbarer Ertrag in Form von neuen Arbeitsplätzen oder zusätzlichen Gewerbesteuereinnahmen noch nicht zu erwarten und darzustellen ist.“ Der wesentliche Erfolg bestehe „im Aufbau eines Innovationsökosystems mit starken Teilnehmern aus Wirtschaft, Wissenschaft, Behörden und Transferinstitutionen“. Dass das Programm für den CityAirbus angehalten wurde, schmerze, aber es sei eben „nur ein Teil“ der Aktivitäten der Urban Air Mobility Initiative, „wenn auch ein regional und bayernweit bedeutender“. Allerdings sagt Rosenfeld auch: „Neuansiedlungen etablierter Firmen hat es noch nicht gegeben.“

    Und wie schaut es bundesweit aus? Marie-Christine von Hahn, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie, sagt einerseits: „Deutschland hat im Bereich der Advanced Air Mobility, insbesondere bei elektrischen Senkrechtstartern zur Beförderung von Personen, Impulse gesetzt, die Weltspitze sind.“ Und schränkt andererseits ein: „Viele der deutschen Unternehmen dieses Segments haben Schwierigkeiten, ausreichend Risikokapital zu erhalten, um ihre Ideen zur Marktreife zu bringen. Das liegt nicht zuletzt an den Rahmenbedingungen in Deutschland und Europa, mit Blick auf Kapitalmarkt und Risikokultur.“ Aber sie ist sicher: „Im elektrischen Fliegen, gerade auf kürzeren Distanzen, liegt erhebliches Potenzial – nicht nur für Einzelne, sondern für viele.“

    Fliegen ist schön, aber Busse schaden auch nicht

    Bis diese Innovationen aber tatsächlich nennenswert neue Jobs schaffen, wird es wohl noch dauern. Im Juli 2021, als die Euphorie noch groß war, hatte der Entwicklungsleiter von Airbus unserer Redaktion gesagt, Bayern könnte vielleicht das Zentrum für „unseren elektrischen Senkrechtstarter“ werden. Und: „Wenn es so weit ist, dann reden wir von mehreren tausend hoch qualifizierten Arbeitsplätzen von der Entwicklung über die Produktion bis zum Vertrieb. Innerhalb des Airbus-Konzerns ist das ein wesentliches, ein großes Projekt. Das sieht man auch daran, dass wir dafür Eigenmittel einsetzen.“

    Nun wird der CityAirbus NextGen absehbar in der Halle bleiben. Und der mal für den Ingolstädter Hauptbahnhof zumindest angedachte Vertiport, von dem Flugtaxis hätten Richtung München starten können, ist zwar nicht Geschichte, werde nun aber, „möglicherweise“ draußen am IN-Campus sein, heißt es von der Stadt. Fliegen bleibt schön. Aber wenn irgendwo noch ein Bus fährt, ist es auch gut.

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    1 Kommentar
    Gerold Rainer

    Pragmatisch wäre es gewesen, die Kompetenz von Airbus und Lilium zu bündeln. Aber es hat in Deutschland Tradition sich gegenseitig Konkurrenz zu machen, anstatt sich gemeinsam auf den globalen Markt zu behaupten, siehe die deutsche Autoindustrie, die in den letzten Jahrzehnten großzügig Synergien verschenkt hat.

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