
Große Versöhnung in Meseberg


Hinter verschlossenen Türen wollen Union und SPD in Meseberg den Teamgeist der Großen Koalition stärken und den einen oder anderen Konflikt aus dem Weg räumen.
Lehrer, die den Teamgeist in einer Klasse stärken wollen, fahren ins nächste Schullandheim – Angela Merkel quartiert ihre Minister auf Schloss Meseberg ein. Eine knappe Autostunde nördlich von Berlin will die Kanzlerin dort heute und morgen einen Strich unter die jüngsten Auseinandersetzungen um die Rentenreform, die Familienpolitik oder den Datenschutz ziehen. Bei Klausuren wie dieser, das weiß sie aus früheren Jahren, ist der Ton etwas lockerer als sonst, die Kleiderordnung auch und die Atmosphäre nicht viel anders als bei einer Klassenfahrt.
2007 war das Treffen auch schon erfolgsversprechend
Vor sechs Jahren, als schon einmal eine Große Koalition im Gästehaus der Bundesregierung im brandenburgischen Meseberg zu Gast war, strahlten Angela Merkel und ihr damaliger Vizekanzler Franz Müntefering am Ende um die Wette, so gut hatten sich Schwarze und Rote verstanden. Einer von ihnen, der heutige Vizekanzler Sigmar Gabriel, fragte den Kollegen Michael Glos von der CSU seinerzeit gar: „Sollen wir jetzt Händchen halten?“
Kennenlernrunde im Kabinett
Allzu lange hielt die neue Harmonie zwischen Union und SPD zwar nicht, wie man heute weiß – zu Beginn einer schwierigen Legislatur jedoch, dürfte die Kanzlerin sich gedacht haben, kann es auch nicht schaden, wenn die Mitglieder ihres Kabinetts sich etwas besser kennenlernen und jenseits von Ressortzuständigkeiten, Terminzwängen und Eigeninteressen gemeinsam die Politik der kommenden vier Jahre erörtern. Ein Glas Wein an der Hotelbar oder ein langer Abend im Kaminzimmer des Schlosses, so das küchenpsychologische Kalkül dahinter, verbindet manche Minister womöglich mehr als ein Koalitionsvertrag mit 185 Seiten. Auch bei einer Klassenfahrt kommen gelegentlich ja die größten Radaubrüder als neue, dicke Freunde zurück.
Nach Fehlstart, will GroKo ruhige Verhältnisse schaffen
Das dominierende Thema in Meseberg dürfte diesmal die Energiewende sein, mit der Gabriel in den eigenen Reihen bisher auf größeren Widerstand stößt als bei der Union. Zwei weitere brenzlige Themen haben die zuständigen Minister gerade noch rechtzeitig vor der Klausur beiseitegeräumt: Innenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizminister Heiko Maas (SPD) arbeiten jetzt gemeinsam an einer Lösung für das Speichern von Daten auf Vorrat – und Sozialministerin Andrea Nahles (SPD) hat den Finanzbedarf für ihre Rentenreform nicht nur großzügig geschätzt, sondern bereits mit Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) abgestimmt und für die nächste Legislaturperiode zwei zusätzliche Steuermilliarden herausgehandelt. Nachdem fast zwei Drittel der Deutschen den Start der Großen Koalition als „eher misslungen“ betrachten, wollen Union und SPD nun zügig zurück in ruhigeres Fahrwasser.
Da jeder Minister in Meseberg kurz seine wichtigsten Projekte für die Wahlperiode vorstellen wird, wartet der sozialdemokratische Teil des Kabinetts gespannt darauf, wie weit Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) schon mit der geplanten Pkw-Maut für Ausländer gekommen ist. Umgekehrt verfolgt die Union mit gewissem Argwohn, wie entschlossen die Ministerin Nahles die Einführung des gesetzlichen Mindestlohnes von 8,50 Euro pro Stunde vorantreibt. CDU und CSU wollen hier unter anderem Ausnahmen für Rentner, Auszubildende und Saisonarbeiter durchsetzen. Bei der Rentenreform, die schon in der nächsten Woche das Kabinett passieren soll und bis zum Jahr 2020 rund 60 Milliarden Euro zusätzlich kosten wird, ist noch unklar, welche Phasen der Arbeitslosigkeit bei der abschlagsfreien Rente mit 63 angerechnet werden.
Eine Reihe von Ministern war auch 2007 schon dabei
Eine ganze Reihe von Ministern, allen voran Gabriel, Schäuble, Außenminister Frank-Walter Steinmeier und die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, kennen Meseberg noch aus der Zeit der letzten Großen Koalition. Sie wissen bereits, dass die Ruhe im Schloss von trügerischer Natur ist, weil die notorisch überdrehte Hauptstadtpresse sie natürlich auch in die Meseberger Abgeschiedenheit verfolgen wird. Regierungssprecher Steffen Seibert hat deshalb in der Schlossgaststätte ein eigenes Pressezentrum aufbauen lassen.
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