
Auf den Handys erlischt ein letztes Ärgernis der Pandemie. Doch was Deutschlands Digitalisierung angeht, darf man der unvollkommenen Anwendung eine Träne nachweinen.
Die Corona-Warn-App nervt schon länger nicht mehr: Seit Ende April gibt es keinen rot oder grün leuchtenden Risikostatuts mehr und auch kein Meckern, wenn auf dem Handy ein Ruhemodus eingeschaltet wird. Nun geht die auf fast 50 Millionen Smartphones installierte Digitalanwendung endgültig in den Tiefschlaf. Sie sinkt in Vergessenheit wie jene irrwitzigen Chiffren namens 2G, 3G oder 2G-plus, bei denen die App in den Hochphasen der Pandemie Eintrittskarte in Teile des gesellschaftlichen Lebens war.
Kein Mensch weint diesen Zeiten eine Träne nach. Und doch darf man der Warn-App diese Ehre zukommen lassen, wenn man an den Rest der Digitalisierung im Lande denkt, sei es allen voran im Gesundheitswesen oder fast allen anderen Dienstleistungsbereichen der öffentlichen Hand.
Ein Vierteljahrhundert Warten auf die Elektronische Patientenakte
Die Corona-Warn-App ist eine Lektion für die deutsche Politik: Auf der einen Seite erfüllte sie die hochtrabende Hoffnung allzu fortschrittsgläubiger Politiktreibender nicht, dass mit ein bisschen Digitalisierung alle Probleme gelöst seien. Auf der anderen Seite luden immerhin neun Millionen Infizierte verantwortungsvoll ihre positiven Ergebnisse hoch oder stimmten dem zu. Vor allem gelang es der Politik endlich einmal, das elende Geschwür zu durchschlagen, das aus über-perfektionierten Sonderwegen, Entscheidungsschwäche und Datenschutzhörigkeit die Digitalisierung im Gesundheitswesen seit Jahrzehnten verhindert.
Im Jahr 2001 versprach SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt, dass endlich auch in Deutschland die „elektronische Patientenakte“ eingeführt werden sollte. Ein Vierteljahrhundert später werkelt ihr fünfter Nachfolger Karl Lauterbach noch immer daran, das Projekt für den Alltagsbetrieb fit zu machen, um es in der Breite einzuführen. Derweil wird das „elektronische Rezept“ hunderttausendfach auf Papier ausgedruckt, um es wie in Großmutters Zeiten als Zettel in der Apotheke abzugeben.
Die Rückständigkeit schadet der Medizin und den Menschen
In einem Land, in dem eine Organisation mit dem bezeichnenden Namen „Chaos Computer Club“ mit wahnhaften Ängsten vor Datenmissbrauch einen bedeutenden Einfluss auf die Digitalpolitik von Generationen von Bundesregierungen ausübt, grenzt es fast an ein Wunder, dass die Corona-Warn-App vor dem Ende der Pandemie überhaupt das Licht der Smartphone-Welt erblickte.
Die in kriechender Langsamkeit dahinsiechende Digitalisierung im Gesundheitswesen macht dagegen leider im eigentlichen Sinne des Wortes viele Menschen krank oder kränker, als sie sein müssten. Nicht nur in der Pandemie kamen alle wesentlichen Forschungsergebnisse über Virustypen, Impfwirkungen und Krankheitsverläufe aus hoch digitalisierten Gesundheitssystemen wie Dänemark, Israel oder Großbritannien. Auch die Krebsforschung wäre ohne Daten aus dem Ausland heute in Deutschland ein hilfloses Unterfangen: Hundert Jahre, nachdem 1926 in Hamburg das weltweit erste Krebsregister in Betrieb gegangen war, wird noch immer an einer bundesweit nutzbaren digitalen Version herumgedoktert.
Die mangelnde Digitalisierung muss man besonders im Gesundheitssystem klar als ein Staatsversagen zum Schaden der Menschen werten, auch wenn diffuse Datenschutzängste diese Diagnose vernebeln. Obendrein kostet das digitale Nichtwissen das Gesundheitswesen jedes Jahr einen hohen zweistelligen Milliardenbetrag. Am bittersten ist jedoch, dass Medizin und Forschung in Deutschland immer mehr den Anschluss an die Höhe der Zeit verlieren.
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Und wieder mal wettert Herr Pohl gegen den Datenschutz: Diesmal ist es nicht der Terror oder sind es die Kinder (das absolute Totschlagargument) für den man doch bitte den Datenschutz einschränken soll, diesmal ist der böse, böse Datenschutz daran Schuld dass es mit der Digitaliserung in Deutschland so lange schon krankt.
Aber so sehr ich Herrn Pohl bei der mangelnden Digitalisierung in Deutschland recht gebe so wenig scheint mir die deutsche Corona-App als Argument geeignet für seine These dass das "elende Geschwür (...) aus über-perfektionierten Sonderwegen, Entscheidungsschwäche und Datenschutzhörigkeit die Digitalisierung im Gesundheitswesen seit Jahrzehnten verhindert".
Bei der App haben sich die Mahner für den Datenschutz gegen Widerstände in der (konservativen) Politik und Zeitungsschreiberlingen zu großen Teilen durchgesetz die u. a. Bewegegungstracking und zentraler Speicherung der Daten eingefordert haben, und ein größerer Erfolg (sprich Benutzerkreis) scheiterte daran dass große Teile der Bevölkerung immer noch Sorge um ihre Daten hatten - vielfach aus mangelndem Wissen über die Datensparsamkeit der App.
Für die Programmierung der App hat man SAP und der Telekom 220 Millionen € bezahlt !!
220 Millionen für die Entwicklung einer App, unglaublich....................................
Da sieht man, was in Deutschland fehl läuft!
Richtig, vergleichbare Apps im europäischen Auslande haben einen Bruchteil gekostet. Die "Koronavilkku" aus Finnland hat beispielsweise ca. 6 Mio, die "CoronaMelder"-App der Niederlande hatte beispielsweise 5 Mio an Entwicklungskosten verursacht.
https://www.welt.de/politik/deutschland/article242462401/Corona-Warn-App-Kosten-steigen-auf-mehr-als-220-Millionen-Euro.html?icid=search.product.onsitesearch
In Zeiten einer "pandemischen Notlage von nationaler Tragweite" haben viele - siehe diese App, siehe Testcenter, siehe Testlabore, siehe Maskendeals usw., offensichtlich ein gewinnbringendes Geschäftsmodell gesehen (zumindest hier in Deutschland).