Man übertreibt nicht, wenn man die tiefen Spuren, die Corona in der Gesellschaft bis heute hinterlassen hat, mit jenen Folgen vergleicht, die allenfalls lokal begrenzte Naturkatastrophen oder gar Kriege als Folgen im Unterbewusstsein ganzer Generationen hinterlassen haben. Der Streit um die Verhältnismäßigkeit politischer Maßnahmen hat sogar Familien tief gespalten. Das Erleben einer wahrhaftigen Staatsgewalt, die mit Ausgangssperren und Vorgaben, wie viele Menschen sich an Weihnachten treffen durften, tief ins Privatleben eingriff, hat den Blick auf die Macht der Politik im Nachkriegsdeutschland verändert.
In Zeiten nicht enden wollender Krisen, die sich teils überlagern und gegenseitig verschärfen, haben sich auch als Folge der Pandemieerfahrungen populistische und radikale Parteien fest im politischen System etabliert. Chronisten der Zeitgeschichte diskutieren gar die These, ob Russlands Herrscher Wladimir Putin den Ukraine-Krieg begonnen hätte, wenn er nicht von Beratern abgeschnitten sich in Coronazeiten besonders isoliert hätte. Bilder seines überdimensionierten Tisches, an dem er kurz vor dem Angriff ausländische Politiker empfing, wirken noch heute als Symbol dafür, wie sehr die Pandemie die Politik beeinflusste.
Wie sehr pfuschte die Politik während Corona in das Leben der Jugend?
Gesellschaftlich eine der brennendsten Fragen bleibt jedoch, wie sehr die Politik in das Leben der Jugend pfuschte. Schon so wirken Erlebnisse kaum stärker als in den Jahren der Kindheit und des Heranwachsens, wodurch Corona so oder so die damals jungen Deutschen mit besonderer Wucht traf. Dass der Staat diese negative Wirkung mit einer übertriebenen Politik der Schließung von Schulen und anderen Bildungseinrichtungen noch erheblich verstärkte und dabei zusätzlich sozial benachteiligten Bevölkerungsgruppen eine hohe Last aufbürdete, gilt heute selbst unter vielen damals zuständigen Verantwortlichen als Fehler.
Die Zeit hat viele der Wunden bis heute nicht geheilt. Deshalb drängt auch fünf Jahre nach dem Höhepunkt der Coronapandemie die Notwendigkeit einer politischen Aufklärung. Es geht letztendlich nicht nur um die Frage, wie der Staat mit der Bedrohung durch ein neues Virus umgeht, sondern auch mit gefährlichen Krisen und Katastrophen jeglicher Art, bis hin zur militärischen Bedrohung.
Aufarbeitung der Corona-Pandemie: U-Ausschuss wäre bessere Wahl
Die Ampel-Koalition scheiterte wie in so vielen politischen Feldern auch an der Aufarbeitung. Die während Corona mit regierende SPD wollte nicht einmal einer sogenannten „Enquete-Kommission“ aus Abgeordneten und Fachleuten zustimmen. Immerhin will dies die neue, von der Union geführte Koalition nachholen, nachdem nun auch die Sozialdemokraten einverstanden sind. Doch dieser halb wissenschaftliche, halb politische Arbeitskreis ist nur eine halbherzige Angelegenheit.
Angesichts des riesigen Interesses der Bevölkerung sollte das Parlament die Mühsal für die einst Regierenden auf sich nehmen, einen echten Untersuchungsausschuss einzusetzen. Nur eine harte, transparente Auseinandersetzung mit der Vergangenheit wird der Bedeutung und den bis heute reichenden Folgen der Pandemiepolitik gerecht. Selbst dem damaligen Bundesgesundheitsminister Jens Spahn täte man damit einen Gefallen, wie die aktuelle Debatte um dessen Maskenbeschaffung zeigt.
Dass Spahn damals den größten privaten Kliniklogistiker statt Post- und Bahntöchter beauftragte, ist kein Skandal. Die Frage aber, wie teuer der in Krisen beliebte Ruf „Koste es, was es wolle“ werden darf, ist immer eine Debatte wert.
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