Das Debakel um Stuttgart 21 hat nicht dazu geführt, dass die Bahn die richtigen Lehren zog. Bei der Erweiterung der Stammstrecke in München deutet sich eine Wiederholung an.
Wie sich die schlechten Dinge gleichen in Stuttgart und München. Ein Großprojekt der Bahn wird um Milliarden teurer und verzögert sich um etliche Jahre. In Baden-Württemberg geht es um Stuttgart 21, in Bayern um die zweite S-Bahn-Röhre für München. Dass der seit Ewigkeiten in der Modernisierung steckende Bahnhof in Augsburg nun vielleicht doch nicht leistungsfähig genug ist, um die geplante Schnellverbindung nach Ulm bedienen zu können, wirkt dagegen wie eine Petitesse.
Eigentlich, so könnte es der naive Beobachter annehmen, hätten Bahn, Bund und Länder aus dem Debakel um den neuen Stuttgarter Bahnhof gelernt. Dass es hinterher doppelt und dreifach kostet, wenn der Zuschlag an ein künstlich heruntergerechnetes Angebot geht. Dass es großzügiger finanzieller Puffer bedarf. Dass wegen des Baubooms der vergangenen zehn Jahre Arbeiter und Material knapp sind. Doch die Bahn als Bauherr hat es versiebt – wieder einmal. Der Staatskonzern schafft es noch nicht einmal, sich mit einem hochrangigen Vertreter der Debatte im Münchner Stadtrat zu stellen. So viel Rückgrat müssen die Münchner von Bahnchef Richard Lutz und seinen Vorstandskollegen erwarten dürfen.
Bahnchef Richard Lutz wäre in der Privatwirtschaft nicht mehr Chef
Doch die Bahn hat ein Führungsproblem. Lutz gehört dem obersten Führungsgremium des Unternehmens seit 2010 an, zunächst als Finanzvorstand, seit 2017 als Chef. Dass ein Chef zwei derartige Debakel bei Prestigebauten zu verantworten hat, wäre in der privaten Wirtschaft nicht denkbar. Doch Lutz darf weitermachen, als wäre nichts geschehen. Denn die traurige Wahrheit lautet, dass die Bundesregierung Mühe hat, passenden Ersatz zu finden.
Zwar wollte sich der Ex-Kanzleramtschef und Merkel-Vertraute Ronald Pofalla zum Bahn-König krönen, aber als CDU-Mann hatte er nach dem Regierungswechsel das falsche Parteibuch. Im Übrigen hat Pofalla als einstiger Infrastrukturvorstand ganz wesentlichen Anteil daran, dass sich die Probleme in Stuttgart und München türmen und die Bahn ihre Baustellen nicht in den Griff bekommt, sodass mehr als jeder dritte Zug im Fernverkehr zu spät kommt.
Die Bahn könnte im Herbst ihre Preise erhöhen
Einen erfahrenen Ersatz für Lutz in der deutschen Manager-Elite zu finden ist deshalb so schwer, weil die Bundesregierung als Eigentümer gerne und ausdauernd in ihrem Schienenbetrieb hineinregiert. Zum Beispiel durch das Großexperiment Neun-Euro-Ticket, beschlossen in einer nächtlichen Basarrunde der Ampel-Parteien, damit die Grünen auch einen Skalp mit nach Hause tragen durften, weil die FDP den Tankrabatt durchgesetzt hatte.
Der Superbilligfahrschein sorgt unter den Eisenbahnern intern für viel Zorn, weil die Bahn kaum Vorbereitungszeit für Millionen neue Passagiere hatte und das System schon zuvor am Anschlag lief. Zur Ironie der Geschichte gehört, dass die Bahn wahrscheinlich im Herbst ihre Preise wird anheben müssen, weil Strom und Diesel so viel mehr kosten als vergangenes Jahr. Es sei denn, der Eigentümer greift in die Staatskasse und überweist einen ansehnlichen Milliardenbetrag an sein ohnehin hoch verschuldetes Unternehmen.
Die Bahn leidet unter einer unklaren Führung zwischen Vorstand und Regierung
Die Bahn krankt an dieser zwischen Vorstand und Regierung verwischenden Führung. Beide Seiten können die Schultern heben und sagen, die jeweils andere hat Schuld. Deshalb ist es gut, dass Verkehrsminister Volker Wissing das Unternehmen jetzt durch eine Steuerungsgruppe eng führt. Für Lutz wird damit der Bewegungsspielraum enger, seiner Bilanz ist jedoch nicht angetan, dass sie mehr Beinfreiheit rechtfertigen würde. Wissing, der im ersten halben Jahr im Amt eher in der Beobachterrolle agierte, macht den schlingernden Schienenkonzern damit zu seiner Sache. Es wäre leichter gewesen, den Bahnchef zu feuern und den Posten mit einem Nachrücker aus der zweiten Reihe zu besetzen. Doch der FDP-Minister will sich nicht länger wegducken. Das heißt aber auch, dass Stuttgart 21, die Stammstrecke in München und die chronische Unpünktlichkeit nun seine Probleme sind. Viel Feind, viel Ehr.
Die Diskussion ist geschlossen.
Zug (ICE) aus Göttingen sollte heute um 18:34 in Ulm ankommen. Zug fährt nicht ab, da technische Probleme und der Ersatzzug auch nicht wegen Oberleitungsproblemen. Stunden später losgefahren und steht nun in Stuttgart, niemand weis warum und ob es weiter nach Ulm geht. Das ist kein Einzelfall, unsere Tochter versuchte am Freitag von Freiburg nach Augsburg zu kommen, wartet ebenfalls ohne Infos in Freiburg 2 Stunden auf den Zug.
So wird’s nichts mit der Energiewende und der DB.
Vielleicht sollten die alten Dampflocks wieder fahren, die funktionierten, brauchten keine Oberleitung und keine Schnelltrassen.
Was kolportieren Sie hier denn für Räuberpistolen? Es gibt keinen ICE aus Göttingen, der um 18:34 in Ulm halten soll.
Man kann berechtigt erwarten, dass solch ein Kommentar auch einen Verweis auf Zinslandschaft und Preisentwicklung von Rohstoffen enthält. Die 2. Stammstrecke war ursprünglich pro Kilometer schon recht teuer kalkuliert und ist hinsichtlich der Bahnhofsbauwerke auch weit weniger komplex als S21.
>> Dass der seit Ewigkeiten in der Modernisierung steckende Bahnhof in Augsburg nun vielleicht doch nicht leistungsfähig genug ist, um die geplante Schnellverbindung nach Ulm bedienen zu können, wirkt dagegen wie eine Petitesse. <<
Politische Diskussionen dazu wurden in demokratiefeindlicher Weise unterdrückt.
"Gegner des HBF-Umbaus" und "Feinde von ÖPNV und Klimaschutz" - das war doch in Augsburg zu hören.
Man steckte das Projekt unter eine "Käseglocke" unter der man nichts ändern durfte.
Natürlich passen die zusätzlichen Fernzüge durch den Augsburger HBF durch - man darf halt nicht immer noch mehr Nahverkehrszüge im HBF incl. Wendezeit enden lassen; es muss einfach mehr durchfahrende Nahverkehrszüge geben und das eigentlich formulierte Ziel des Regio-Schienen-Taktes auch verwirklicht werden.