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Bundestagswahl: Wie steht es um Parteien der Mitte?

Kommentar

Warum diese Wahl die wichtigste seit 30 Jahren ist

Peter Müller
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    Wolken sind über der Kuppel vom Reichstag zu sehen, auf dem Deutschlandfahnen wehen.
    Wolken sind über der Kuppel vom Reichstag zu sehen, auf dem Deutschlandfahnen wehen. Foto: Jens Kalaene, dpa

    Man muss schon ein ganzes Stück in der Geschichte zurückgehen, um eine Bundestagswahl zu finden, die in ähnlich turbulenten Zeiten stattfand wie die Wahl am Sonntag. Vor gut 40 Jahren etwa, 1983, ging es nicht nur darum, ob Helmut Kohl Kanzler bleibt, sondern auch, ob der Nato-Doppelbeschluss umgesetzt wird – ob also in Deutschland als Antwort auf die russische Aufrüstung in Osteuropa amerikanische Mittelstreckenraketen stationiert werden sollten. Ende 1990 wiederum wählten die Deutschen nicht nur Kohl erneut zum Kanzler. Ihre Abstimmung war auch ein nachgeholtes Votum über den Kurs der (raschen) deutschen Wiedervereinigung und das Geschenk der D-Mark an die neuen Länder.

    Wenn die Bürgerinnen und Bürger nun am Sonntag zur Wahl gehen, steht womöglich weit mehr auf dem Spiel. Die Voraussetzungen für das politische und wirtschaftliche Erfolgsmodell der Bundesrepublik in den vergangenen Jahrzehnten sind binnen kurzer Zeit weggebrochen: Das billige Gas aus Russland, der schier endlose, offene chinesische Exportmarkt – und die Sicherheitsgarantie durch die USA.

    Die pubertär-dauerzankende Ampel-Koalition ist abgehakt. Was kommt jetzt?

    Heute leiden Industrie und Verbraucher unter den beinahe höchsten Energiepreisen der Welt, während China VW, BMW und Mercedes vormacht, wie man attraktive und günstige Elektroautos baut. Gleichzeitig ziehen die USA ihre schützende Hand über den Europäern weg. Und die Politiker? Sind trotz aller Warnungen und Ankündigungen bass erstaunt, dass Donald Trumps neue Welt nun Wirklichkeit wird: Abkehr vom Freihandel, Umdeutung westlicher Werte, Großmächte-Diplomatie.

    Die dramatischen Folgen, die ein Ende der amerikanischen Schutzgarantie für Europa haben könnte, sind im Wahlkampf noch gar nicht angekommen. Derzeit ist noch nicht mal ausgeschlossen, dass Soldaten der Bundeswehr bereits in den nächsten Monaten mit ihren europäischen Freunden einen Waffenstillstand in der Ukraine absichern müssen.

    Die Bürgerinnen und Bürger spüren diese Veränderungen. Sie haben die pubertär-dauerzankende Ampel-Koalition und Unglücks-Kanzler Olaf Scholz längst abgehakt, merken aber auch, dass ein Regierungswechsel allein nichts an den neuen Unsicherheiten ändert, mit denen sich Deutschland jetzt arrangieren muss. Mit der Flucht in die Vergangenheit allein, in die Zeit der guten, alten Bundesrepublik, die der nach zwei Jahrzehnten aus dem Abseits in die Politik zurückgekehrte Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz ein Stück weit verkörpert, wird hier wenig zu gewinnen sein. Kein Wunder, dass die persönlichen Umfragewerte beider Kandidaten alles andere als herausragend sind.

    Können die Parteien der Mitte noch Probleme lösen? Die Migration steuern?

    Ganz gleich, wer das Land in den nächsten Jahren führt – es muss darum gehen, den Bürgerinnen und Bürgern das Vertrauen zurückzugeben, dass die Parteien der demokratischen Mitte Probleme lösen können. Gerade weil schon bald bis vor kurzem noch unvorstellbare Entscheidungen (Bundeswehr in die Ukraine) anstehen könnten, sollten sie sich rasch da einigen, wo es in unserer eigenen Kraft liegt. Nirgendwo zeigt sich das deutlicher als bei der Migration. Das Schauspiel, dass Union, SPD, Grüne und Co. Ende Januar im Bundestag boten, als es darum ging, eine Mehrheit für die markig ausgerufene, aber nicht zu Ende gedachte Migrationswende des Kandidaten Merz zu finden, war abschreckend. Wer nicht will, dass die AfD, die am Sonntag ohnehin ein neues Rekordergebnis einfahren wird, weiterwächst, muss in der Mitte Kompromisse finden.

    Es wäre daher ein gutes Zeichen, wenn die demokratischen Parteien bereits Mitte März gemeinsame Gesetze zur Steuerung der Migration beschließen würden. Bis dahin dürfte es zwar noch keine neue Regierung geben. Dennoch tritt der neu gewählte Bundestag aufgrund verfassungsrechtlicher Fristen erstmals zusammen. Warum nicht bereits dann mit neuen Mehrheiten an die Arbeit gehen? Es wäre ein Zeichen der Stärke gegenüber den Zerstörern ganz Rechts, ein Zeichen, dass die Parteien der Mitte verstanden haben, in welchen Zeiten wir leben und was die Bürgerinnen und Bürger erwarten.

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    8 Kommentare
    Wolfgang Schwank

    Zitat: " Ende 1990 wiederum wählten die Deutschen nicht nur Kohl erneut zum Kanzler. Ihre Abstimmung war auch ein nachgeholtes Votum über den Kurs der (raschen) deutschen Wiedervereinigung und das Geschenk der D-Mark an die neuen Länder." Schön, Herr Müller, wie Sie wohl ganz bewusst das Märchen von den blühenden Landschaften aussparen. Genau dieser - heute würde man sagen - Fake, entschied die Wahl und wirkt in 'Folge der Bitternis der realen Entwicklung bis heute nach!

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    Inge Brenner

    Karl Brenner Herr Schwank, die Wiedervereinigung ist trotz zunächst großer sozialer Verwerfungen in den neuen Bundesländern durch den Niedergang vieler Unternehmen, die auf dem freien Markt nicht konkurrenzfähig waren, meines Erachtens ein klarer Erfolg, auf dem wir stolz sein können. Da aber der ländliche Raum dort immer noch unter Strukturproblemen und Abwanderung junger Menschen leidet, wohnt vor allem hier die AFD Wählerschaft, deren Lamentieren aber bisweilen skurrile Züge zeigt. Viele können, wenn gefragt, gar nicht schlüssig erklären, warum es ihnen angeblich so schlecht geht. Im Gegensatz dazu sind Städte wie Leipzig nach der Wiedervereinigung ein ökonomische Wachstumspole geworden, sodass "blühende Landschaften" trotz sozialer Gegensätze zwischen Stadt und Land durchaus zu finden sind.

    Maria Tkacuk

    Sehr geehrter Herr Schwank, in Ihrem Ostdeutschland (wie auch in einigen der ehemaligen Ostblock-Ländern, Polen, Slovenia, Slovakia (CSSR),Hungary...) sind die "blühenden Landschaften" doch gekommen. Wissen Sie und andere Deutsche überhaupt, wie es in der DDR ausgesehen hat ? Ich glaube nicht. Ich war dort als ukrainische Soldatin in der Sowjetarmee - in der DDR und Polen - ich weiß, wie in der DDR alles ausgesehen hat. Ihre blühenden Landschaften sind gekommen - Ihrem Deutschland geht es selbst heute noch viel besser als den meisten anderen Ländern der Welt. Soweit ich weiß, wurde in Ihrem Land noch im letzten Jahr über die 3-Tage, wenigstens aber 4-Tage-Arbeitswoche diskutiert und das mit allem Ernst. In den vergangenen 2 Jahren seit Corona sind die Löhne angehoben worden wie noch niemals in Ihrem Land. Wenn eine Firma in das Ausland geht, dann weil dort die Arbeitskräfte viel billiger sind und es im Ausland mehr als genügend Arbeitskräfte gibt - anders als in Deutschland.

    Inge Brenner

    Karl Brenner Unglaublich, Frau Tkacuk, ich hätte nie gedacht, dass ich Ihnen einmal grundsätzlich zustimmen kann, selbst wenn Sie bezüglich der anscheinend aus Ihrer Sicht fehlenden Arbeitsbereitschaft unserer abhängig Beschäftigten deutlich übertreiben. Bitte, sagen sie diesen, wo man in D drei Tage bei vollem Lohnausgleich Arbeit finden kann, ich wüsste genügend Bekannte, die zugreifen würden.

    Wolfgang Boeldt

    Ich kann mich nicht erinnern, daß Bundesdtagswahlen nicht immer "sehr wichtig" oder "richtungsweisend" o.ä. durch die Presse attributiert wurden. Auch die neue Regierung wird, egal wie immer sie zusammengestellt ist, das Vertrauen kaum zurückgewinnen können. Wie denn auch? Einerseits ist Deutschland höchstens halb-souverän, verfangen in Bündnissen (EU und NATO). Andererseits ist die Gesellschaft gepalten wie ich glaube selten oder nie zuvor. Beispiel Ukraine: https://www.ipsos.com/de-de/halfte-der-deutschen-gegen-weitere-waffenlieferungen-die-ukraine Ähnlich wird es sich bei dem Thema Asyl/Migration darstellen. Ich sehe keine Partei(und keine Person) die diesen gordischern Knoten trennen könnte. Heißt: weiter so

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    Wolfgang Steger

    Herr Boeldt, in einer parlamentarischen Demokratie können Regierungen nur gebildet werden, wenn Kompromisse ausgehandelt werden. Wenn Ihnen das nicht passt, benötigen Sie Ihren persönlichen Diktator, der genau Ihre Vorstellungen durchsetzt.

    Maria Tkacuk

    "Wer ohne Waffen ist, kann nicht verhandeln. Er muß knieen !" Und Golda Meir sagte: "Du kannst nicht mit jemand verhandeln, der gekommen ist, Dich zu töten !" Ob die Deutschen diese doch leicht begreifbaren Wahrheiten überhaupt begreifen ? Ich denke - Nein ! Vielleicht liegt es daran, daß die Deutschen über 60 Jahre durch USA und NATO geschützt waren und sich um ihr Überleben in Freiheit gar keine Gedanken machen mußten. Das ist nun ganz anders - Trump alliiert sich mit dem Diktator nicht nur gegen die Ukraine, sondern auch gegen Europa. Bisher haben die Ukrainer und Ukrainerinnen die Russen von Europa weggehalten - mit den wenigen Waffen, die wir bekamen. Wir haben nun keine Waffen und keine Munition mehr, können Europa nicht mehr verteidigen. Dank Trump wird Putin nun gewinnen. Die Russen werden über ganz Europa herrschen. Aber auch Ihr könnt nicht verhandeln - mit jemand der kommt, um Euch zu töten !

    Rainer Kraus

    Ich habe soeben den FCA gewählt, die beste Alternative für unser Land, bei der derzeitigen politischen Situation. Es ist jedoch zu befürchten, dass wir wieder eine Ampel bekommen, nur mit andersfarbigen Birnen, dafür aber die beste Opposition, die Deutschland je hatte.

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