Schweden und Finnland wollen in die Nato. Aber einer ist dagegen: der türkische Präsident. Seine ablehnende Haltung könnte für ihn selbst zum Problem werden.
Der türkische Präsident Erdogan genießt die internationale Aufmerksamkeit wegen seiner Veto-Drohung gegen den Nato-Beitritt von Finnland und Schweden. Mit seinen fast täglichen Stellungnahmen gegen die Skandinavier zwingt er seine Bündnispartner zum Nachdenken über türkische Sicherheitsinteressen im Konflikt mit der PKK – und vielleicht auch zu Zugeständnissen an Ankara. Das wäre ein Erfolg, den Erdogan in Wählerstimmen ummünzen könnte.
Türkischer Präsident Erdogan benutzt sein Vetorecht in der Nato als Druckmittel
Dass der türkische Staatschef es einfach nicht mehr erträgt, dass andere Länder seiner Meinung nach im Umgang mit der PKK zu lasch sind, ist unwahrscheinlich. Er hatte in den vergangenen Jahren kein Problem damit, seine Beziehungen mit Russland bis hin zu milliardenschweren Waffenkäufen zu vertiefen, obwohl Moskau – anders als Europa – die PKK nicht einmal als Terrorgruppe einstuft, geschweige denn bekämpft. Wahrscheinlicher ist, dass Erdogan den Nato-Beitrittswunsch von Finnen und Schweden als Chance begreift, beim Westen Dinge durchzusetzen, die er bisher nicht durchsetzen konnte.
Nato-Betritt von Schweden und Finnland: Erdogan balanciert auf einem schmalen Grat
Aber der türkische Staatschef wandelt auf einem schmalen Grat. Er trägt den Streit öffentlich aus, um beim heimischen Publikum zu punkten, schränkt mit seinen Festlegungen aber seinen Verhandlungsspielraum ein. Dass er sich in Europa und den USA nicht beliebt macht, kann ihm egal sein. Doch wenn Erdogan nicht rasch eine Lösung für den von ihm selbst angezettelten Streit findet, riskiert er mehr als nur eine vorübergehende Verstimmung. Sollte der türkische Präsident den richtigen Moment zum Einlenken verpassen, hat die Türkei ihren Ruf als Verbündete verspielt. Sie steht dann als unzuverlässiger und opportunistischer Staat da, dem man nicht über den Weg trauen kann. Im Fall einer echten Krise könnte die Türkei dann allein sein.
Die Diskussion ist geschlossen.
Warum Erdogan gegen Schweden schießt
Schweden gewährt einigen vor Erdogan Geflüchteten Asyl. Gerade viele Kurden werden von Erdogan drangsaliert.
Schweden hat auch vorbildlich den Verkauf von Waffen an die Türkei vor wenigen Jahren untersagt, da die Türkei in Teile Syriens einmarschiert ist, vermutlich um dort Kurden anzugreifen.
Die Türkei Erdogans ist nur schwer in der Nato auszuhalten. Die Aufnahme der Türkei in die EU liegt zurecht auf Eis. Die türkischen Bürgerinnen und Bürger haben es in der Hand, diesen undemokratischen und Oppositionelle verfolgenden Herrscher abzuwählen.
Raimund Kamm
Herr Erdogan versucht genau wie der Herr Orban für sich und sein Land das meiste rauszuholen.
Er unterscheidet sich insoweit dann von den aktuellen deutschen Politikern.
Die Türken werden genau wie die Ungarn im Winter nicht frieren, ihre Wirtschaft wird nicht Nachteile haben.
Wir hingegen werden weiter Parolen von "klugen" Ideen hören und zahlen und zahlen und zahlen.
Herr Kamm, Ihre Sprache verrät Sie. Die Frage aus Ihrem Munde muss doch lauten: Warum glauben Sie, dass deutsche Politiker nicht die Interessen ihres Landes vertreten.
Erdogan dürfte zum Mitarbeiter des Monats von Putin gewählt werden, dessen Hände sind schon ganz heiß vom vielen Reiben.
Natürlich hat er autokratische Züge und immer wieder gibt es Problem durch sein Wirken, nur sind die auch innerhalb der Türkei selbstgemacht.
Allein schon die vielen Wechsel an der Spitze der türkischen Zentralbank immer wenn die Inflation bekämpft werden sollte hat es ihm nicht gepasst.
Ergebnis eine Inflation von ca.100% innerhalb eines Jahres.
Er versucht damit nichts anderes als sich durch die nächsten Wahlen zu retten, denn die Zustimmung auch in der Türkei bröckelt dramatisch.
Solange die EU ein uneiniger Fleckerlteppich und Brüssel nicht die zentrale Kontaktadresse ist, kann jeder Scharlatan die europäische Union missbrauchen, manipulieren und schädigen.
Die Türkei führt selbst Krieg gegen die Kurden, wird autokratisch geführt durch Erdogan, der innenpolitische Erfolge braucht. Aber die Türkei braucht auch die Einnahmen aus dem Tourismus, bleibt Erdogan bei seiner Linie, dann bleiben eben auch Touristen der Türkei fern. Und es gibt sicher noch weitere Druckmittel gegen Erdogan, die Nato sollte sich nicht scheuen, diese auch anzuwenden.
Volle Zustimmung!
Raimund Kamm
Irrtum. Die Türkei hat touristisch gegenüber dem Vorjahr um ungefähr 90% zugelegt - und das nicht grundlos. Siehe u.a. hier: https://www.tagesschau.de/wirtschaft/weltwirtschaft/tuerkei-tourismus-125.html
Die Türkei ist eines der mächtigsten und wichtigsten geostrategischen Mitglieder in der NATO. Um Vieles wichtiger als die, die nur unter den Schutzschirm kriechen und nichts "Handefestes" für das Bündnis beitragen.
Erdogan handelt im Interesse seines Landes. Da können unsere Politiker nur davon lernen. Und was die deutsche Innerlichkeit dazu sagt ist inzwischen völlig egal.
Nicht ganz richtig. Der Pascha vom Bosporus haut auf den Putz, um von seinen innenpolitischen Problemen abzulenken. Eigentlich sehr durchsichtig, das Ganze, nur nicht für jeden...
Können Sie begründen, warum das im Interesse der Türkei sein soll?
Raimund Kamm
Wenn alle so handeln würden, wie Erdogan, würde keine Union - egal, ob EU oder NATO, funktionieren. Egozentrisch und selbstherrlich. Und ich will nicht hoffen, dass unsere Politiker von so einem Typen lernen wollen. Der ist weit entfernt von einem Vorbild.
(edit/mod/NUB 7.2/7.3)
Türkei ohne NATO durchaus denkbar, aber dann ist die ganze Südostflanke der NATO Geschichte. Da ändert auch die Mitgliedschaft der Schwarzmeer Anrainer in der NATO nicht viel; alles relativ kleine Staaten mit wenig milit. Potential und die UA wäre auch auf den guten Willen Ankaras angewiesen. Das Erdogan bei seinem Machtspiel; dieser Mann denkt nicht in westeurop. liberalen normen; ihm geht es wie Putin um Einfluss und nicht um höhere westl Werte.
Frau Güsten bringt es zunächst auf den Punkt: Erdogan geht es vorrangig um seine Position gegenüber dem Westen. PKK, etc.ist in diesem Kontext nachrangig.
Das Pfund der Türkei ist doch ganz einfach die geopolitische Ausgangslage an der Südostflanke der Nato, also die unverzichtbare Speerspitze sozusagen gegen Russland, alles Östliche und der arabischen Welt. Nur nebenbei, die Nato hat über Jahrzehnte nichts gestört, was in der Türkei passierte, Menschenrechte (die hochgepriesenen) waren den Militärs und auch den Natopolitikern dabei ziemlich egal.
Deshalb bin ich, im Gegensatz zum Kommentar, der Meinung, dass Erdogans Position eine starke ist. Bin gespannt, wie diese Sache letztendlich ausgeht und wer welchen Preis dafür bezahlt.
Was ür ein Unsinn. Erdogan geht es natürlich in erster Linie um die türkische Innenpolitik und seinen persönlichen Machterhalt. Die Kurdenfrage und die PKK als Terrororganisation sind in der Türkei seit Jahrzehnten die zentralen politischen Themen.
Und natürlich wurde der Umgang mit den Menschenrechten und der Demokratie in der Türkei in den letzten Jahrzehnten seitens der EU und damit der Nato aufmerksam beobachtet und immer wieder massiv kritisiert. Dies ist einer der Knackpunkte, warum es mit dem EU-Beitritt nicht voranging. Deswegen ist Erdogans Taktierei ein äußerst gefährliches Spiel, das für ihn ganz schlecht ausgehen kann.
Nun wenn Erdogan gegen alles ist und auch schon ein Flugabwehrsystem der Russen gekauft hat, was die NATO nicht will. Sollte man Überdenken ob seine Flanke nicht durch Griechenland ersetzt wird. Der Typ ist genauso unberechenbar und ein Kamikaze wie Putin! Sowas braucht weder die NATO noch die EU!!!
Geostrategische lässt stark zu wünschen übrig. Erdogan hat Recht. Es gibt viele Gründe für sein Veto - auch vordergründige. Aber solange sich Schweden und Finnlanfd nicht von terroristischen Vereinigungen lossagen, ist ein Veto legitim. In Deutschland ist die PKK übrigens als terroristtische Vereinigung eingestuft. Ganz nebenbei auch: die Türkei hat ungefähr 3,5x so viel Soldaten als Griechenland und ist der dritt- oder viertstärkste NATO-Partner überhaupt. Das sind nun mal Tatsachen.