
Impfpflicht-Streit: In der Corona-Krise wird es Zeit für den großen Wurf

Die Politik droht sich mit dem Streit um Lockerungen, Gesetzesdefizite und Kompromisse im Klein-Klein zu verlieren. Die Impfpflicht-Debatte braucht mehr Mut.
Laut wird in der Politik gestritten um die Durchsetzung der Impfpflicht im Pflege- und Gesundheitsbereich. Laut rufen viele in der Politik nach Konzepten für Lockerungen, obwohl diese längst in der Schublade liegen. Doch laut sollte eigentlich der Ruf nach Konzepten für den Weg aus der Krise sein. Nach Vorbereitungen auf den nächsten Corona-Winter, der ein Vielfaches wahrscheinlicher ist als Schnee an Weihnachten. Doch dieses Thema klingt weniger populär als der Ruf nach einem hitverdächtigen „Freedom-Day“.
Zwei neue Entwürfe für eine Impfpflicht aus Ampel und Union
So arbeitet ein anderer Teil der Politik seit Wochen recht leise an Entwürfen für eine Impfpflicht. Abgeordnete von SPD, Grünen und – ja auch – der FDP legen nun den weitreichendsten Entwurf vor: Drei Impfdosen muss demnach jeder Erwachsene nachweisen, sonst drohen Bußgelder bis zu 2400 Euro. Die Unionsfraktion bietet nun auch eine Stufenlösung nach Alter an, die erst später nach Bedarf scharf gestellt werden soll.
Doch seit dem heftigen Streit um die Pflege-Impfpflicht lastet eine schwere Hypothek auf der Debatte um die Impfpflicht für alle oder auch nur Ältere. Anstatt die Bevölkerung interessiert auf den Weg der Entscheidung mitzunehmen, droht die Diskussion im Parteienstreit zerrieben zu werden.
Söders Kritik ist berechtigt, sein brachiales Vorgehen nicht
Inhaltlich hatte Bayerns Ministerpräsident mit seiner Kritik an den offenen Umsetzungsfragen der einrichtungsbezogenen Impfpflicht recht: Von den zuständigen Gesundheitsministern aller Bundesländer, von Kliniken, Heimträgern und Kommunen gab es ähnliche Kritik. Aber sachlich. Mit dem Ton und der brachialen Form, mit der CSU-Chef Markus Söder aber die Gesetzesumsetzung zertrümmerte, löste er selbst in Teilen des bürgerlich-konservativen Lagers Entsetzen aus: Ein Regierungschef, der den Eindruck erweckt, sich nicht an Gesetze halten zu wollen, rüttelt an geradezu heiligen Grundfragen der Rechtsordnung.
Inzwischen kehrt Bayerns Gesundheitsminister Klaus Holetschek die Scherben von Söders Ausflug in den Porzellanladen der sensiblen Fragen von Recht und Impfängsten zusammen, ohne dabei an Glaubwürdigkeit einzubüßen. Der CSU-Gesundheitsminister erweist sich einmal mehr in der Pandemie als Glücksfall für seine Partei, deren Reihe an charismatischen Figuren immer lichter wird.
Der Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion zur Impfpflicht ist mutlos
Dabei wäre sogar Glaubwürdigkeit ein Punkt, den Söder in der Impfdebatte nutzen könnte: Zusammen mit Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann war er einer der einzigen Spitzenpolitiker, die sehr früh eine allgemeine Impfpflicht nie ausschließen wollten, während andere dies kategorisch ablehnten und nun zurückrudern. Doch mit den aktuellen Streitereien und dem mutlosen Gesetzentwurf der CDU/CSU-Fraktion droht sich die Impfpflicht-Debatte im politischen Klein-Klein zu verlieren.
Auch die FDP-Spitze versteckt sich hinter verfassungsrechtlichen Bedenken, obwohl sie von den Karlsruher Richtern mehrmals eines Besseren belehrt wurde. Mit dem Ansatz, die Politik dürfe nur nach möglichst milden Maßnahmen greifen, machen die Liberalen Parlament und Regierung unnötig klein. Es gilt nicht nur, einen Kollaps des Gesundheitssystems zu vermeiden, sondern Deutschland endlich aus der Krise zu führen.
Das Risiko des Scheiterns der Impfpflicht darf keine Ausrede sein
Nun wird es Zeit für einen großen Wurf. Es gibt zwar keine Garantie, dass der Wurf ins Schwarze trifft und eine Impfpflicht Corona-Maßnahmen nächsten Winter tatsächlich überflüssig macht. Doch es gibt derzeit kein besseres Konzept. Ein Risiko des Scheiterns darf keine Ausrede für Verzicht auf Vorsorge sein. Bislang hat die Politik das Coronavirus noch vor jedem Winter fatal unterschätzt.
Die Diskussion ist geschlossen.
Ich finde das Vorgehen von Markus Söder und der CSU super. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht war von Anfang an nicht der richtige Weg. Sie wurde nur beschlossen, weil unsere neue Bundesregierung nicht in der Lage ist, zeitnah eine allgemeine Impfpflicht auf den Weg zu bringen. Ich bin sehr froh, das wir wenigsten in Bayern eine Regierung haben, die sicher nicht alles richtig macht, aber arbeitet, anstatt sich zu verweigern überhaupt irgend etwas zu tun!
Zeit für einen großen Wurf, um zu experimentieren ob es nächsten Winter überhaupt was bringt? Die Forderung nach einer Impfpflicht geht wohl ausschließlich von den Menschen aus, die das Glück hatten, keine Nebenwirkungen zu bekommen. Die sogenannten Impfstoffe haben bereits genug Menschen mit ihren Nebenwirkungen chronisch krank gemacht und einige wenige sogar mit hoher Wahrscheinlichkeit getötet. Meintwegen kann man es als mutig nennen, alle die bisher noch nicht geimpft sind, diesem Risiko auszusetzen. Ich würde es eher als egoistisch und zu tiefst menschenverachtend ansehen.
P.S. In einem Punkt gebe ich Ihnen völlig recht. Es wird tatsächlich Zeit für den großen Wurf.
Einspruch, werter Herr Pohl! Laut tagesschau.de hat die Bundesregierung hat seit Beginn der Pandemie insgesamt mehr als 660 Millionen Dosen Corona-Impfstoff bestellt, die bis 2023 ausgeliefert werden sollen. Davon wurde bisher in Deutschland etwa ein Viertel verimpft. Knapp 16 Prozent des Impfstoffes wurden an andere Länder, überwiegend an Entwicklungsländer, abgegeben. Übrig bleiben also rund 400 Millionen Dosen für die kommenden zwei Jahre.
Warum ist die Impfpflicht noch nicht vom Tisch? Weil viel zu viel Impfstoffe bestellt wurden, die eine gewisse Wirksamkeit gegen den Wildtyp von SARS-CoV2 gehabt haben mögen. Inzwischen gibt es so viele Varianten, dass wir im griechischen Alphabet schon bei Omikron angekommen sind. Und mit jeder wird die Wirksamkeit geringer. Das Thema Nebenwirkungen mal ganz ausgeklammert. Es ist an der Zeit, die Menschen entscheiden zu lassen, ob sie sich durch die Impfung oder irgendwann durch natürliche Infektion immunisieren wollen. Es ist an der Zeit, die grundrechtseinschränkenden Maßnahmen vollständig aufzuheben.
Nicht so laut Herr B., dieses Thema ist vielen Politikern, sofern denen das bewusst ist, und auch vielen Journalisten "unangenehm".
Die Impfdebatte war während der Pandemie immer im Spannungsverhältnis Gesundheitsschutz und Politik, mittlerweile überwiegt der politische Anteil aus meiner Sicht deutlich.
Und ja, ich meine auch, dass es nicht mehr nur um Lockerungen gehen soll, sondern um die vollständige Rücknahme aller Maßnahmen und Rückgabe der Verantwortung in die Gesellschaft.