Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Wie Donald Trump die politische Sprache verändert

Kommentar

Na dann, Prost: Von der Bierzeltisierung der Politik

Michael Stifter
    • |
    • |
    • |
    Szene zum Fremdschämen: US-"Daddy“ Donald Trump (rechts) mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte.
    Szene zum Fremdschämen: US-"Daddy“ Donald Trump (rechts) mit Nato-Generalsekretär Mark Rutte. Foto: Alex Brandon, dpa

    Kleine Vorwarnung: Diesen Leitartikel zu lesen, wird Sie mehrere Minuten kosten, liebe Leserinnen und Leser. Und damit fängt das Problem schon an. Weil immer weniger Menschen bereit sind, derart viel Zeit zu investieren, um sich zu informieren, erleben wir seit Jahren eine Banalisierung und Bierzeltisierung der politischen Kommunikation.

    Im malzigen Dunst des Bierzelts gilt das Recht des Lauteren. Nicht erst seit Donald Trump, auch wenn der US-Präsident wie ein rhetorischer Brandbeschleuniger wirkt. Nun kann man natürlich sagen, es sei doch gut, wenn Politikerinnen und Politiker eine einfache Sprache sprechen, um die Leute zu erreichen. Tatsächlich ist die Aufmerksamkeitsspanne vieler Menschen ja auf ein Minimum zusammengeschrumpft, seit das Smartphone sie im Alltag auf das schnelle Weiterwischen trainiert hat. Problematisch aber wird es dann, wenn Politiker nicht mehr nur kommunizieren wie halbstarke Influencer auf TikTok, sondern auch so regieren.

    Mark Rutte, Donald Trump und die Rauferei auf dem Schulhof

    Es sind nur ein paar Sekunden und doch machen Sie nachhaltig ratlos. Da sitzen also zwei der mächtigsten Männer der Welt zum Gespräch mit Journalisten zusammen. Der Präsident der Vereinigten Staaten und der Nato-Boss. Donald Trump plaudert über den Krieg zwischen Israel und dem Iran, als ginge es um eine Rauferei auf dem Pausenhof. Tatsächlich vergleicht er die beiden Staaten mit zwei Schulbuben, die sich eben mal wieder in die Haare geraten sind.

    Es wäre ein guter Moment für Mark Rutte gewesen, die Dinge geradezurücken. Stattdessen treibt der Chef des wohl mächtigsten Verteidigungsbündnisses der Geschichte den Zynismus sogar noch auf die Spitze. In solchen Momenten –also auf dem Schulhof – müsse „Daddy“ eben mal ein Machtwort sprechen, sagt Rutte und lacht übertrieben laut in das peinliche Schweigen hinein. Der Konflikt im Nahen Osten, ganz einfach zu lösen also, wenn „Papa“ Trump den ungezogenen Bengeln einfach mal die Ohren langzieht.

    Es droht: eine substanzlose Mischung aus Bierzelt und Klamauk

    Die Szene am Rande des Nato-Gipfels ist symptomatisch. Nicht nur für den Mann im Weißen Haus gehören Banalisierung und Provokation zum Geschäftsmodell. Immer mehr Politiker lassen sich anstecken, getrieben von der Sucht nach ein paar Sekunden Aufmerksamkeit. Das Ergebnis ist eine weitgehend substanzlose Mischung aus Bierzelt und Klamauk. Gut für die Wisch-und-Weg-Mentalität auf dem Smartphone, schlecht für die politische Kultur, die zunehmend verflacht und kaum noch Raum lässt für eine ernsthafte Auseinandersetzung mit Inhalten.

    Markus Söder hat erkannt, dass Politik auch einen Unterhaltungsfaktor hat

    Es ist schon richtig, dass zur Politik heute auch ein gewisser Unterhaltungsfaktor gehört. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder etwa hat das früher als andere erkannt, auch wenn er sich damit bisweilen am Rande des Halbseidenen bewegt. Es ist auch wahr, dass sich viele Menschen nach einer Phase der übervorsichtigen rhetorischen Weichspülerei nach sogenanntem „Klartext“ sehnen. Die Erfahrung zeigt allerdings: Fast immer, wenn Politiker ankündigen, jetzt aber mal richtig Klartext zu sprechen, kommt Halbgares und vor allem Halbwahres heraus.

    Wer glaubt, es auf diese Weise mit Populisten aufnehmen zu können, die sich gar nicht erst die Mühe machen, auch nur in Sichtweite der Wahrheit zu bleiben, irrt gewaltig. Sollten die unseriöse Vereinfachung, die glatte Falschinformation und die billige Provokation zum Standard in der politischen Kommunikation werden, müssen wir uns nicht wundern, wenn eines Tages die einen alles glauben – und andere gar nichts mehr.

    Diskutieren Sie mit
    3 Kommentare
    Maria Reichenauer

    Es ist schon ziemlich unappetitlich, wie Rutte über die Trump'schen verbalen und gedanklichen Entgleisungen lachen kann. Nein, das ist nicht zum Lachen, auch ein "Versteher" darf manchmal Grenzen setzen. Zumindest muss er nicht dümmlich grinsen dazu.

    Peter Zimmermann

    "...einfach mal die Uhren langzieht." - Ach ne das war ja Salvador Dali: :-))

    Wolfgang Schwank

    Ach Herr Stifter, versuchen Sie doch nicht zu suggerieren, dass diese Bierzeltisierung (wie Sie es trefflich nennen) ursächlich mit dem Wüterich in Washington zu tun hat. Da hat die christiliche Partei in Bayern tatsächlich das Urheberrecht drauf. Aschermittwoch und Gillamoos seit Jahrzehnten, polternde Strauss'sche Schmeissfliegenreden, Asyltourismus, etc waren zeitlich weit vor den zur Normalität gewordenen Entgleisungen der aktuellen Politik Trump'scher Prägung. Übrigens noch eins, wenn "Papa" Trump den Kanal für Waffen und Geldtransfers nach Israel zumacht, die Europäer keine Waffen mehr liefern, die Hamas vom Nachschub abgeschnitten wird, ja dann ginge es auch dort mit der Waffengewalt gezwungenermassen zu Ende. Eine derartige Option muss man nicht mit einem Schulhofvergleich lächerlich machen.

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden