Deutschland steckt in der Rezession – ins Bodenlose aber stürzt deshalb niemand. 1200 Milliarden Euro geben Betriebe, Beschäftigte und der Staat jedes Jahr für die soziale Absicherung der Menschen aus, das ist knapp ein Drittel der Wirtschaftsleistung: Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung, Kinder-, Wohn- und Bürgergeld, das Bafög, die Alterskasse der Landwirte, der Kinderzuschlag für Geringverdiener, Pensionen und Beihilfen für Beamte, das Elterngeld, und, und, und.
Den Vergleich mit anderen Ländern, auch den gerne als besonders vorbildlich gerühmten skandinavischen, braucht Deutschland damit nicht zu scheuen. Auf Dauer aber kann ein Sozialstaat nur so stark sein wie die Wirtschaft, die ihn trägt, und nur so nachhaltig, wie die Demografie es erlaubt. Beides wird in der Bundesrepublik zunehmend zum Problem. Die Wirtschaft lahmt – und das Land altert zu schnell. Trotzdem sind einige Parteien im Wahlkampf in die Spendierhosen geschlüpft. Die Grünen wollen das Elterngeld um ein Drittel erhöhen, die SPD die Pflegekosten begrenzen, die CSU bei der Mütterrente nachlegen und das Bündnis Sahra Wagenknecht eine Mindestrente von 1500 Euro einführen. Alles gut gemeint, alles irgendwie erstrebenswert – aber kaum etwas davon finanzierbar.
Die Krankenkassen werden immer teurer
Zu den unausgesprochenen Wahrheiten dieses Wahlkampfes gehört auch die von der Endlichkeit alter Gewissheiten. Wo immer weniger Junge und Gesunde für immer mehr Alte, Kranke und Pflegebedürftige aufkommen müssen, stößt auch ein Sozialstaat mit den finanziellen Möglichkeiten des bundesdeutschen an Grenzen. Die Beiträge der Krankenkassen nähern sich allmählich der 20-Prozent-Markte, die Bundeszuschüsse zur gesetzlichen Rentenversicherung haben längst die 100-Milliarden–Hürde gerissen und das Bürgergeld ist zu einem Fass ohne Boden geworden, weil das System zu wenige Anreizte setzt, wieder eine Arbeit aufzunehmen. Von den gewaltigen Herausforderungen bei der Pflege gar nicht zu reden.
Wenn die Beiträge zu den Sozialkassen nicht immer weiter steigen sollen und der Sozialstaat halbwegs bezahlbar bleiben soll, wird die nächste Regierung um eine Reihe schmerzhafter Reformen nicht herumkommen. Bei der Rente ist ein stärkerer Einstieg in die Finanzierung über die Kapitalmärkte unausweichlich – eine solche Umstellung aber dauert gut und gerne 20 Jahre, weshalb jedes Jahr, in dem nichts geschieht, ein ebenso teures wie verlorenes Jahr ist. Das Bürgergeld muss in Notlagen helfen, es darf aber nicht Arbeitslosigkeit in Tateinheit mit Schwarzarbeit dauerhaft alimentieren. Und in der Gesundheitspolitik ließe sich ohne Abstriche bei den Leistungen alleine durch die Fusion von Krankenkassen schon eine Menge Geld sparen. Im Moment gibt es deren 94, also auch 94 Vorstände und 94 Verwaltungen. Sozialabgaben auf Kapitalerträge, wie der grüne Spitzenkandidat Robert Habeck sie fordert, sind jedenfalls der falsche Weg. Ein System in Schieflage saniert man mit Kostenbewusstsein und Konsequenz, und nicht, indem man es einfach nur mit frischem Geld flutet.
Steuern und Abgaben verschlingen 48 Prozent des Lohnes
Inzwischen zahlt ein alleinstehender Durchschnittsverdiener von seinem Lohn 48 Prozent an Steuern und Sozialabgaben. Bei Krankheit und Arbeitslosigkeit ist er damit gut abgesichert, als Rentner oder Pflegebedürftiger dagegen steht er (oder sie) deutlich schlechter da. Diese Sicherheitslücken zu schließen und den Sozialstaat neu auszutarieren, hat seit 20 Jahren keine Koalition mehr gewagt. Umso nötiger ist es jetzt.
Was lässt sich daraus schließen? Arbeit lohnt sich nicht mehr in Deutschland, wenn der Staat "vollkommen" für mich sorgt.
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