
Die Tschechen haben genug vom Gepolter auf der Prager Burg. An den Wahlurnen machten sie klar: Wir wollen seriöse Politik. Es ist ein ermutigendes Signal gegen die Spaltung in Europa.
Andrej Babis ist im Kampf um das Präsidentenamt in Tschechien grandios gescheitert. Fast 60 Prozent der Wähler wollten den populistischen Ex-Premier nicht noch einmal in einem hohen Staatsamt sehen. Sie gaben ihre Stimme lieber dem Ex-General Petr Pavel, einem politisch eher blassen Quereinsteiger.
Für den schillernden Milliardär Babis war es schon die zweite schwere Niederlage in Folge. Bei der Parlamentswahl vor gut einem Jahr verlor er gegen den stillen Technokraten Petr Fiala. Und mehr noch: Beide Male war der Andrang in den Wahllokalen unerwartet groß. Bei Pavels Sieg erreichte die Beteiligung am Wochenende einen Rekordwert.

Das lässt nur einen Schluss zu: Die Menschen in Tschechien wollten ein Zeichen setzen. Für eine seriöse Politik, selbst wenn sie mit ergrautem Vollbart daherkommt wie bei Pavel und Fiala. Sie haben endgültig genug vom ewigen Gepolter auf der Prager Burg. Dort residiert, eigentlich höchst würdevoll, das Staatsoberhaupt. Doch seit dem Ausscheiden des legendären Dichterpräsidenten Vaclav Havel vor 20 Jahren gaben sich auf der Burg die Populisten die Klinke in die Hand.
Erst hetzte "EU-Hasser" Klaus, dann drohte Linkspopulist Zeman mit der Kalaschnikow
Erst hetzte von rechts der „EU-Hasser“ Vaclav Klaus gegen „das Establishment“ in Europa. Nach seiner Amtszeit steigerte er sich in immer schärfere Positionen hinein, leugnete den menschengemachten Klimawandel und präsentierte sich als „Corona-Querdenker“. Zu dem Zeitpunkt hatte auf der Burg schon der Linkspopulist Milos Zeman das Sagen, nominell ein Sozialdemokrat, der seinen politischen Gegnern allerdings auch schon mal mit der Kalaschnikow drohte. Zugleich rühmte er sich seiner Freundschaft zu Kremlchef Wladimir Putin.
Manches davon fiel vor allem in der böhmischen Provinz auf fruchtbaren Boden. Dort blickt man traditionell misstrauisch auf „die da in Prag“ – und erst recht auf „die da in Brüssel“. Das hat mit einer tief sitzenden Eliten- und Staatsskepsis zu tun, die sich im Kommunismus herausbildete. Und vielleicht auch mit einem Hang zur Anarchie in Tschechien, wie ihn Jaroslav Hasek in seinem Roman über „Die Abenteuer des braven Soldaten Schwejk“ berühmt machte.
All das passt aber nicht in eine Zeit, in der wenige Hundert Kilometer östlich von Prag ein imperialer Krieg tobt und ähnlich apokalyptische Szenarien heraufbeschwört wie die Klimakatastrophe. In einer solchen Zeit zählen Seriosität und Zuverlässigkeit mehr als markige Worte. Sogar der scheidende Präsident Zeman zeigte sich vor Weihnachten selbstkritisch und besorgt, weil die „Sicherheit der Welt“ bedroht sei.

Staatstragende Auftritte, Besonnenheit und Ernsthaftigkeit sind in Tschechien plötzlich „in“. Das lässt hoffen, und zwar über die Grenzen des kleinen mitteleuropäischen Landes hinaus. Denn der Trend ging ja jahrelang in die entgegengesetzte Richtung, angefangen bei Boris Johnson und der Lügenkampagne vor dem Brexit-Referendum über Viktor Orbans Triumphzug in Ungarn bis hin zum Sieg der Neofaschisten von Giorgia Meloni in Italien. Noch am Sonntag gewann in Niederösterreich die rechte FPÖ eine wichtige Landtagswahl.
Runterkühlen statt aufheizen ist die Devise in Zeiten der Vielfachkrisen
Da gibt Pavels Sieg in Tschechien all jenen Auftrieb, die Spaltungen überwinden wollen und nach Wegen zurück in die Mitte suchen. Runterkühlen statt aufheizen, klug dosieren statt verschärfen: Das könnte in Zeiten der Vielfachkrise das Erfolgsrezept gegen Populisten sein.
Zum Lackmustest dürfte im Herbst die Parlamentswahl in Polen werden. Dort regiert mit der rechtsnationalen PiS seit acht Jahren eine Partei, die voll auf Konfrontation gepolt ist. Vor allem im Dauerstreit mit der EU um die Rechtsstaatlichkeit, aber auch innenpolitisch. Stellt es die Opposition in Warschau so klug an wie die Antipopulisten in Prag, dann könnte auch Polen bald wieder in die (politische) Mitte Europas rücken.
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