In zwei Wochen werden die meisten Pandemie-Regeln aus unserem Alltag verschwinden. Die Gesellschaft darf aufatmen, die Politik sollte das nicht tun.
Der Krieg, er schluckt alles in diesen Tagen. Sogar das Coronavirus. Dabei ist das, was wir aktuell erleben, zumindest eine Zeitenwende im Miniaturformat. Zwei Jahre nach Ausbruch der Pandemie ist zwar der Erreger längst nicht verschwunden, doch eine Kombination aus Gewöhnungseffekt und milderen Verläufen hat dazu geführt, dass weite Teile von Politik und Gesellschaft in einer Art stillschweigender Übereinkunft beschlossen haben, dass wir mit Corona leben müssen.
Als in dieser Woche der Virologe Christian Drosten zum letzten Mal seinen wöchentlichen Corona-Podcast aufgenommen hat, als der Freistaat neue Regeln verkündete und das kaum wahrgenommen wurde, als sogar die Pressekonferenz des RKI ausfiel – spätestens da war klar: Das Virus verabschiedet sich langsam aus unseren Köpfen. Und doch bleibt da diese Frage: Was ist, wenn wir es uns zu einfach machen? Was ist, wenn uns im Herbst eine neue Welle mit alter Wucht erwischt?
Nicht überall geben die Experten in der Corona-Krise Entwarnung
Experten warnen aus gutem Grund davor, sich der Illusion hinzugeben, dass nun alles wird wie früher. Schon jetzt registriert das RKI teils steigende Inzidenzen, nur interessiert sich kaum jemand dafür. Selbst wenn die Kliniken nicht mehr überlaufen, werden wir es in den kälteren Monaten mit einem Virus zu tun haben, das viele Menschen lahmlegt und für Risikopatienten zur echten Bedrohung wird. Zu oft hat uns dieses Virus schon überrascht – wer Realist ist, geht davon aus, dass es dies auch wieder tun wird.
So verständlich also der Wunsch in der Bevölkerung ist, die Pandemie ein für alle Mal abzuhaken, zumindest die Politik sollte diesem Reflex nicht nachgeben. Wenn die Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten also am 17. März zu ihrem nächsten Gipfel zusammenkommen, darf es nicht nur darum gehen, wer die vollmundigsten Versprechen macht. Es wird Aufgabe der Regierung sein, ein langfristiges Konzept zu erarbeiten, das schnell greift, sobald wichtige Kennzahlen wie die Belegung der Intensivbetten wieder ansteigen.
Das muss nicht heißen, dass Deutschland dauerhaft Regeln aufrechterhalten muss. Schon jetzt deutet sich an, dass uns zumindest in den Sommermonaten außer vielleicht der Maske in manchen Innenräumen kaum mehr etwas an die Ausnahmesituation der vergangenen zwei Jahre erinnern wird. Doch was nun nicht geschehen darf, ist, dass unter dem nachlassenden Druck wichtige Weichenstellungen ausbleiben. Corona-Politik war und bleibt mehr als nur 2G-Regeln oder PCR–Test-Verordnungen.
Deutschland muss aus seinen Fehlern in der Corona-Pandemie lernen
Die Pandemie hat uns mehr als eindrücklich vor Augen geführt, wie schlecht unser System auf Krisen vorbereitet ist. Die Gesundheitsämter müssen gerade in Zeiten, in denen die Infektionszahlen so etwas wie Entspannung zulassen, modernisiert und reformiert werden. In den Kliniken muss sich die Erkenntnis dauerhaft durchsetzen, dass in solch sensiblen Bereichen eben nicht nur der Profit im Fokus stehen darf. Die Produktion von Produkten wie Impfstoffen oder Masken darf ein Industrieland wie Deutschland nicht vollständig aus den Händen geben. Es wäre geradezu fatal, würde all das im Jubel über die wiedererlangte Freiheit nun untergehen.
Es ist essenziell, die Lehren aus dieser Krise herauszuarbeiten – nur wenn wir aus den Fehlern lernen, können wir in künftigen Situationen besser, schneller, effektiver reagieren. Corona hat uns gelehrt, dass nichts besser wird, wenn wir einfach nur abwarten, ob vielleicht doch alles gut geht. Und diese Lehre werden wir noch mehr als einmal umsetzen müssen. Der Klimawandel, die Bedrohung der Demokratie, die Unsicherheit der Energiepolitik – die Liste ist lang.
Die Diskussion ist geschlossen.
Das spezielle Problem in Deutschland ist nun unser Gesundheitsminister, der Corona inzwischen für sich selbst instrumentalisiert.
https://twitter.com/ChanasitJonas/status/1515594219066384391
Das alte Infektionsschutzgesetz ist gekippt, der Nachfolger auf eine eher mild verlaufende Erkrankung und eigentlich nur auf Corona zugeschnitten. Sollte uns nochmals eine solche Seuche unbekannter Herkunft treffen, sind wir wahrscheinlich weniger denn je vorbereitet.
Generell kann man sich fragen, warum die Politik und Behörden doch recht unvorbereitet von der Pandemie getroffen wurde. Warum?
1. Es gab einen nationalen Pandemieplan, der offensichtlich 2020 nicht aus der Schublade gezogen wurde. Dort steht eigentlich, was bei einer Pandemie getan werden muss, um Deutschland durch diese zu führen: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/I/Influenza/Pandemieplanung/Pandemieplanung_Node.html
2. Aus den Defiziten, die sich in der letzten großen nationalen Pandemie-Übung LÜKEX ergaben, haben die Verantwortlichen ebenfalls keine Konsequenzen gezogen: https://www.wiwo.de/politik/deutschland/luekex-2007-was-man-von-der-pandemie-uebung-in-2007-haette-lernen-koennen/27235380.html
Man hätte wohl vieles besser machen können, wahrscheinlich findet auch - mehr im Hintergrund - eine Aufarbeitung der aktuellen Pandemie statt. Ob sich das auf eine zukünftige Pandemie auswirkt, bleibt mehr als fraglich...