Der Weltuntergang ist abgesagt. Nachdem das Repräsentantenhaus und auch der Senat der Aussetzung der amerikanischen Schuldengrenze für zwei Jahre zugestimmt haben, ist die Unterschrift von Präsident Joe Biden nur noch Formsache: In buchstäblich letzter Minute haben Demokraten und halbwegs moderate Republikaner einen Finanz-Crash vermieden, der die globale Wirtschaft in mutmaßlich verheerende Turbulenzen gestürzt hätte.
Die USA werden ihre Verpflichtungen an den Kapitalmärkten erfüllen und die Renten ihrer Senioren pünktlich auszahlen: das ist die wichtigste Botschaft des beschlossenen Gesetzes. Sie richtet sich an die Börsen und die heimischen Bürger. Doch beinhaltet das 99-seitige Paragraphenwerk auch ein größeres politisches Signal: Noch regiert in Washington ein Rest von Vernunft und Verantwortung.
US-Schuldenstreit: Biden stärkt sein Image als besonnener, überparteilicher Versöhner
Davon profitieren dürfte vor allem Biden. Der ebenso alte wie gewiefte Polit-Profi hat es geschafft, mit den zunehmend unberechenbaren Republikanern einen Deal abzuschließen, der ökonomische Verwerfungen verhindert, seine Vorzeigeprojekte zur Re-Industrialisierung und Förderung der Energiewende sichert und ihm bis zu den Wahlen politischen Handlungsspielraum verschafft. Über Wochen hat er sich selbst weitgehend zurückgenommen und seinem Gegenspieler die öffentliche Bühne überlassen. Auch jetzt verzichtet der Mann im Weißen Haus auf Triumphgeheul und singt stattdessen das hohe Lied des politischen Kompromisses. Das stärkt sein Image als besonnener überparteilicher Versöhner.
Ultrarechte Hardliner gaben im US-Schuldenstreit nicht nach: Zeichen der Radikalisierung
Für Kevin McCarthy, den republikanischen Sprecher des Repräsentantenhauses, kamen die vergangenen Tage hingegen einer Achterbahnfahrt gleich. Dass er mit dem Präsidenten auf Augenhöhe reden und ihm Zugeständnisse abpressen konnte, hat ihm viele Fernsehbilder und auch Respekt eingebracht. Doch der positive Eindruck wurde durch den Aufruhr in der eigenen Fraktion konterkariert. Die alleine an Blockade interessierten ultrarechten Hardliner - immerhin ein Drittel der gesamten Truppe - verweigerten dem einstigen Trump-Günstling die Gefolgschaft. Das ist ein alarmierendes Zeichen für die rasante Radikalisierung der Partei, die ihre Regierungsunfähigkeit geradezu demonstrativ zur Schau stellt.
Am Ende konnte der Mehrheitsführer den eigenen Deal nur mit den Stimmen der oppositionellen Demokraten retten. Das ist eine Blamage. Zwar gibt es auch Unzufriedenheit unter den linken Demokraten über die nun anstehenden Kürzungen und eine umstrittene Pipeline durch die Appalachen, die es hinterrücks ins Gesetz gebracht hat. Aber niemand hat sich vor dem Kongress aufgebaut und unter Kriegsgeheul den Sturz des eigenen Fraktionschefs gefordert. Auch wenn die Putschversuche der Ultrarechten gegen McCarthy verpuffen sollten: Der Ober-Republikaner ist ein Kaiser ohne Kleider. Seine Macht reicht gerade noch, um in den verbleibenden anderthalb Jahren jede Menge Polit-Spektakel und Krawall für die radikale Basis zu inszenieren. Ernsthafte Gesetzgebung wird er nicht zustandebringen.
2025 droht das nächste amerikanische Schulden-Drama
So dürfte auch die wichtigste Lehre aus der Krise der vergangenen Wochen verpuffen: Der aberwitzige starre Schuldendeckel der USA gehört endlich abgeschafft: Alle paar Jahre treibt er die Welt sinnlos an den Rand des Abgrunds, ohne irgend etwas am Kernproblem zu lösen. Er ist kein Mittel der Gestaltung, sondern der Erpressung und Destruktion. Seine Streichung liegt eigentlich im Interesse beider Parteien. Doch eine Mehrheit für den politischen Kraftakt ist undenkbar.
Der Kongressbeschluss verschafft nun Ruhe bis nach den Präsidentschaftswahlen. Im Januar 2025 aber läuft der Deal aus. Dann droht das nächste absurde amerikanische Schulden-Drama die Welt in Atem zu halten.