Am Tag der Arbeit feiern die Gewerkschaften gerne ihre Stärke, obwohl ihr Einfluss seit Jahrzehnten sinkt. Inzwischen arbeitet nicht einmal jeder zweite Deutsche noch in einem Betrieb, der an einen Branchen- oder Firmentarifvertrag gebunden ist. Für die allermeisten Beschäftigten wirkt sich Tarifflucht zum Nachteil aus: Löhne, Gehälter, Leistungen wie Urlaubs- oder Weihnachtsgeld fallen in der Regel niedriger aus als bei von Gewerkschaften erkämpften Tarifverträgen.
Um die Viertagewoche ist es nach drei Jahren Rezession still geworden
Für viele Unternehmen ist der Ausstieg aus dem Tarif ein Mittel gegen die hohen Lohnkosten in Deutschland. Sie wachsen sogar, obwohl viele Arbeitnehmer zuletzt weniger Netto aufs Konto überwiesen bekamen. Denn die Abgaben für die Kranken-, Pflege- und demnächst auch Rentenversicherung steigen angesichts der Entwicklung einer alternden Bevölkerung rasant. Noch nie war der Anteil der Lohnnebenkosten am Bruttoeinkommen so hoch wie seit diesem Jahr. Und die Kranken- und Pflegekassen warnen bereits vor der nächsten großen Erhöhungswelle in Form eines „Beitrags-Tsunamis“.
Die künftigen Koalitionspartner versprechen Reformen, damit sich Arbeit mehr lohnen soll, auch durch einen höheren Mindestlohn. Zuletzt bröckelte der Ruf vom deutschen Fleiß im In- und Ausland. Ungeachtet der aufziehenden Wirtschaftskrise und des Nullwachstums, wurde in den vergangenen Jahren um Themen wie eine „Viertagewoche“ gesprochen, um die es angesichts von drei Jahren Rezession aus guten ökonomischen Gründen still geworden ist.
Die Deutschen arbeiten in Summe mehr denn je
Stattdessen wollen Union und SPD nun Überstunden besser entlohnen, eine tägliche Höchstarbeitszeit auch jenseits der zehn Stunden und eine maximale Wochenarbeitszeit von 60 Stunden erlauben. Drängt sich die Frage auf: Sind die Deutschen faul geworden? Arbeiten sie zu wenig? Oder doch zu viel, wie Gewerkschaften im ewigen Kampf um eine 35-Stunden-Woche unterstellen? Ein Blick in die Zahlen der Statistikämter liefert unideologische Antworten.

Im Schnitt arbeiten deutsche Beschäftigte 34,7 Stunden pro Woche. Klingt nach wenig, und ist Tiefpunkt unter den Industrieländern. Doch in dieser Zahl sind auch die Teilzeitkräfte und Minijobber eingerechnet. In Summe leisteten die Deutschen 61 Milliarden Arbeitsstunden – so viele wie noch nie seit der Wiedervereinigung. Faul sind die Deutschen also nicht.
Viele Frauen stecken in der Teilzeitfalle
Die Politik feiert fast jedes Jahr Rekorde bei der Zahl der Erwerbstätigen. Das ist ein Erfolg der Gleichstellung, denn heute arbeiten deutlich mehr Frauen als je zuvor. Allerdings entstehen in Deutschland unter dem Strich kaum neue Vollzeitstellen, die kräftig Geld in Sozialkassen spülen würden. Im Gegenteil, die Nachrichten sind voll von Unternehmen, die Stellenabbau ankündigen und gut bezahlte Jobs nicht nachbesetzen. Und die sehr hohe Teilzeitquote ist im geburtenschwachen Deutschland nur zum Teil aus Familiengründen erklärbar. Viele Frauen bleiben dabei in einer Karrierefalle stecken, obendrein setzt der Staat viel zu wenig Anreize, damit sich der Wechsel in Vollzeit auf dem Kontoauszug lohnt.
Union und SPD müssen deshalb nicht nur beim gescheiterten Bürgergeld mit bisherigen Lebenslügen aufräumen, sondern grundsätzlich wieder das Ziel Vollbeschäftigung ins Zentrum ihrer Arbeitsmarktpolitik stellen. Nur wenn die Produktivität insgesamt steigt, lassen sich die Probleme in den Sozialkassen und der internationalen Wettbewerbsfähigkeit wirksam für die Zukunft lösen.
Die Faulheit der Intelligenz hat der Welt weniger geschadet als der Fleiss der Dummen. Seit ich das mal gelesen habe, halte ich mich daran.
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