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Kommentar: Zurück in die Mitte: Union und SPD müssen über ihre Schatten springen

Kommentar

Zurück in die Mitte: Union und SPD müssen über ihre Schatten springen

Rudi Wais
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    Die Chemie scheint zu stimmen: Friedrich Merz  und SPD-Chef Lars Klingbeil beim letzten Bundespresseball.
    Die Chemie scheint zu stimmen: Friedrich Merz und SPD-Chef Lars Klingbeil beim letzten Bundespresseball. Foto: Christoph Soeder

    Einmal tief durchatmen. Nach dem Ampel-Chaos bleibt Deutschland ein neuer Dreier aus Konservativen, Sozialdemokraten und Grünen zum Glück erspart. Die Große Koalition, die Friedrich Merz jetzt bis Ostern ausverhandeln will, wird zwar keine wirklich große mehr sein, dazu sind Union und SPD viel weit von ihren früheren Ergebnissen entfernt. Eine vernünftige Politik der Mitte aber sollte mit ihr leichter zu machen sein als mit den Grünen im Beiboot.

    Dazu müssen beide Partner über ihren Schatten springen. Die De-facto-Abschaffung des Bürgergeldes, die Merz versprochen hat, wird die SPD kaum mittragen, sondern sich allenfalls auf Korrekturen im System einlassen – schärfere Sanktionen für Verweigerer etwa oder die Herausnahme der ukrainischen Flüchtlinge aus dem Bürgergeld, womit schon einiges gewonnen wäre. Umgekehrt muss die SPD sich bewegen, damit die Zuwanderung nach Deutschland stärker begrenzt und besser geregelt werden kann. Daran, vor allem, wird die neue Koalition gemessen werden. Sich einem Kanzler Merz komplett zu verweigern, wie einige SPD-Linke es im Endspurt des Wahlkampfes angedeutet haben, ist jedenfalls keine Lösung. Die Union hat die Wahl gewonnen und die SPD als einziger potenzieller Partner die Verantwortung, die kleine GroKo nicht aus destruktiver Oppositionssehnsucht scheitern zu lassen.

    Auch menschlich muss es zwischen den Koalitionspartnern stimmen

    Gleichwohl dürfte bei der SPD die Versuchung groß sein, die Preise in die Höhe zu treiben. Da die Union keine andere Koalitionsoption hat, hat ausgerechnet der große Verlierer dieser Wahl eine unerwartet starke Verhandlungsposition. Das heißt: Merz muss der SPD entgegenkommen, zum Beispiel im Streit um die Schuldenbremse. Eine mögliche Kompromisslinie könnte dabei eine Aufstockung des Sondertopfes für die Bundeswehr und die Ukraine-Hilfen sein, aber keine Ausweitung des Kreditvolumens für andere konsumptive oder investive Ausgaben. Mehr kann die Union der SPD nicht zugestehen, will sie sich nicht an ihrem eigenen Anspruch und den ökonomischen Notwendigkeiten versündigen.

    Am Ende aber müssen auch in der Politik die Handelnden miteinander können. Wo es menschlich nicht stimmt und jeder nur auf den eigenen Vorteil schielt, knirscht es auch schneller im Koalitionsgetriebe – man denke nur an die letzten Tage der Ampel, als die Giftpfeile zwischen den Beteiligten nur so hin und her flogen. Merz und CSU-Chef Markus Söder, so scheint es, haben das erkannt und bemühen sich nach einem harten, niemanden schonenden Wahlkampf nun um ein möglichst vorurteilsfreies Miteinander. Umgekehrt hat das SPD-Präsidium mit der Entscheidung, Parteichef Lars Klingbeil auch die Führung der neuen Bundestagsfraktion anzuvertrauen, dem designierten Kanzler ebenfalls signalisiert: Wir sind bereit.

    Klingbeil gilt als Verfechter eines gemäßigten Kurses, als einer, mit dem man regieren kann. Er wird der schmelzenden Anhängerschaft der Sozialdemokratie in den kommenden Jahren schon aus Eigeninteresse beweisen wollen, dass er auch Kanzler kann. Für Friedrich Merz ist das Chance und Risiko zugleich – auf der einen Seite bekommt er mit Klingbeil und einem möglichen Vizekanzler Boris Pistorius, den beiden starken Männern der SPD, zwei verlässliche Koalitionspartner. Auf der anderen Seite hat vor allem Pistorius eine Popularität erreicht, gegen die die Werte von Merz noch reichlich blass wirken. Den Amtsbonus, den Olaf Scholz nie hatte, muss sein Nachfolger sich erst noch mit guter Politik erarbeiten.

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    1 Kommentar
    Hans-Peter Stienen

    Es ist interessant, wenn man sich quer durch die deutschen Medien liest, wie viele Friedrich Merz nicht zutrauen, dass er es schafft, auch weil ihm die diesbezügliche Politikerfahrung fehlt. In meinem langen Leben habe ich sowohl privat als auch beruflich sehr oft gehört, dass ich das nicht schaffen kann und immer das Gegenteil bewiesen, auch wenn ich manchmal in Projekte "hineingeworfen" wurde, von denen ich vorher nicht viel Ahnung hatte. Ich hoffe ganz fest und wünsche es Merz im Interesse der Zukunft unseres Landes, dass auch er allen Miesmachern beweist, dass er es schafft. Er soll sich ein Beispiel an den Hummeln nehmen, denn diese können fliegen, obwohl Ihr Körper mit seinen rund 1,2 Gramm im Verhältnis zur Flügelfläche von 0,7 Quadratzentimetern schlichtweg zu schwer ist.

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