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Foto: Sven Hoppe, dpa
Foto: Sven Hoppe, dpa

Trockenheit ist eine der Folgen des Klimawandels.

Krieg in der Ukraine
11.05.2022

Bedroht der Krieg auch den Klimaschutz?

Von Margit Hufnagel, Bernhard Junginger

Eine Studie zeigt: Die 1,5-Grad-Schwelle könnte bis 2026 erstmals überschritten werden. Doch seitdem ein Krieg mitten in Europa tobt, scheint Energiesicherheit wichtiger als Klimaschutz.

Russlands Angriff auf die Ukraine verschiebt die Koordinaten: Auf der einen Seite soll der Bau von deutschen Windrädern und Solarpaneele mit aller Macht vorangetrieben werden, damit Deutschland künftig möglichst bald von russischem Gas und Öl sowie Kohle loskommt. Auf der anderen Seite geht die Bundesregierung Kompromisse ein, um die Versorgung des Landes mit Energie sicherzustellen, etwa durch den Bau von mehreren Anlagen für das fossile Flüssiggas.

Wirtschaftsminister Robert Habeck appelliert eindringlich an die Deutsche Umwelthilfe, die LNG-Terminals nicht zu blockieren. Die Regierungspartei FDP sprach sich etwa dafür aus, eine längere Nutzung der besonders klimaschädlichen Braunkohle zu prüfen. Ein Phänomen, das weltweit auffällt: Weil die Gaspreise durch den Krieg schneller steigen als die Kohlepreise, setzt sich zudem vor allem in Asien eine Renaissance der Kohle fort – etwa in China und Indien. Umweltschutz und Wirtschaftspolitik geraten so auf einen Kollisionskurs, der die Frage aufwirft: Bremst der Krisenmodus die Umweltpolitik aus?

Experten rechnen für die kommenden Jahre mit steigenden Temperaturen

Die Jahres-Durchschnittstemperatur der Welt könnte schon bis 2026 erstmals mehr als 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau liegen. Die Wahrscheinlichkeit, dass dies in dem Fünf-Jahres-Zeitraum 2022 bis 2026 mindestens einmal passiert, liege bei fast 50 Prozent, berichtete die Weltwetterorganisation (WMO) in Genf. Noch vor sieben Jahren galt es als praktisch ausgeschlossen, dass dieser Wert innerhalb von fünf Jahren erreicht wird.

Das heißt aber nicht, dass die 1,5-Grad-Marke in diesem Fall dauerhaft überschritten wird, in den Folgejahren könne der Wert auch wieder niedriger liegen, so die WMO. Im Schnitt rechnen Experten für die kommenden Jahre aber mit weiter steigenden Temperaturen.

"Naturschutz darf nicht über die Klinge springen"

„Wir haben gegenläufige Bewegungen“, sagt Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Auf der einen Seite gebe es ein großes Tempo, mit dem bestehende Konflikte beim Ausbau erneuerbarer Energien aus dem Weg geräumt werden. „Auf der anderen Seite fehlt mir eine Gesamtstrategie“, sagt Müller-Kraenner.

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Dass die Bundesregierung aktiv fossile Projekte vorantreibe, könne den Klimaschutz blockieren. „Dass elf LNG-Terminals gebaut werden sollen, ist völliger Irrsinn.“ Das sei unvereinbar mit der gesetzlich verankerten Klimaneutralität 2045 und mit allen Verpflichtungen nach dem Pariser Klimaabkommen. „Hier wird der Krieg in der Ukraine als Vorwand benutzt, um Fakten in Beton und Stahl an der deutschen Küste zu schaffen, die uns und allen kommenden Generationen schaden“, sagt der DUH-Experte. „Bei allem Verständnis dafür, wie wichtig die Energieversorgung ist, darf es nicht so sein, dass der Naturschutz immer als Erstes über die Klinge springt.“

Bundesumweltministerin Lemke: Keinen Rückschritt in alte fossile Zeiten organisieren

In der Bundesregierung versucht man, den Konflikt zumindest mit Worten und Erklärungen zu begrenzen. „Der Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine führt uns die Verletzlichkeit und Abhängigkeit unserer fossilen Energieversorgung schmerzhaft vor Augen“, sagt Bundesumweltministerin Steffi Lemke unserer Redaktion. Genau deshalb müsse der Ausbau der erneuerbaren Energien vorangetrieben werden, ein Rückschritt in alte fossile Zeiten dürfe nicht organisiert werden. „Trotz des Kriegs in der Ukraine dürfen wir die Klimakrise und die Krise des Artenaussterbens nicht aus den Augen verlieren“, fordert Lemke. Die derzeit immer länger werdende Trockenperiode in Deutschland mache mehr als deutlich, „dass wir uns um alle aktuellen Krisen intensiv kümmern müssen“.

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