Startseite
Icon Pfeil nach unten
Politik
Icon Pfeil nach unten

Krieg in Nahost: Steinmeier besucht Israel

Krieg in Nahost

Steinmeiers Rückkehr an den Ort des Grauens

    • |
    • |
    • |
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender besuchen gemeinsam mit Izchak Herzog, Präsident von Israel, und seiner Frau Michal Herzog (4.v.r) den Kibbuz Beeri im Grenzgebiet zum Gaza-Streifen.
    Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und seine Frau Elke Büdenbender besuchen gemeinsam mit Izchak Herzog, Präsident von Israel, und seiner Frau Michal Herzog (4.v.r) den Kibbuz Beeri im Grenzgebiet zum Gaza-Streifen. Foto: Bernd von Jutrczenka, dpa

    Der Krieg macht auch vor einem Bundespräsidenten nicht halt. Es ist kurz nach 19 Uhr, als im Hotel King David eine Frauenstimme durchsagt, man solle sich unverzüglich zur „Safe Zone“ begeben, der Sicherheitszone. Durch die Straßen von Jerusalem dröhnen Sirenen. Frank-Walter Steinmeier, seine Frau Elke Büdenbender und der Rest der deutschen Delegation werden in den Luftschutzkeller des Hotels gebracht.

    Für den Moment ist unklar, was draußen geschieht - vermutlich ein Raketen-Angriff aus dem Jemen, heißt es. So etwas sei inzwischen Alltag, sagt ein Botschaftsmitarbeiter. Zwischen grau-weißen Betonwänden, Neonlicht und gestapelten Lebensmittelkisten harrt die Delegation 15 Minuten aus. Dann die Entwarnung: Das Militär hat die Rakete abgefangen. Geschossen haben wohl die Huthis. Es wird nicht der einzige Alarm auf dieser Reise bleiben.

    Frank-Walter Steinmeier musste am Dienstag-Abend in den Keller des Hotels gebracht werden.
    Frank-Walter Steinmeier musste am Dienstag-Abend in den Keller des Hotels gebracht werden. Foto: Bundesregierung/Jesco Denzel

    Eigentlich wollte Frank-Walter Steinmeier 60 Jahre diplomatische Beziehungen zwischen Deutschland und Israel würdigen. Stattdessen bestimmt der Krieg den Staatsbesuch des Bundespräsidenten.

    Kurz bevor der Luftalarm im Hotel ausbricht, ist das deutsche Staatsoberhaupt zu Besuch im Arbeitszimmer jenes Mannes, den viele für die jüngste Eskalation im Nahen Osten verantwortlich machen: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. In schweren Ledersesseln sitzen sich die Männer gegenüber. Besonders freundlich ist die Stimmung nicht. Anders als zu Israels Staatspräsidenten Herzog, den der Bundespräsident als Freund bezeichnet, ist das Verhältnis zu Netanjahu unterkühlt. Aber ähnlich wie in Deutschland liegt die politische Macht in Israel nicht zuvorderst beim Staatspräsidenten. Sondern eben bei Netanjahu.

    Schwierige Gespräche zwischen Netanjahu und Steinmeier

    Den will der Bundespräsident in seinem 45-minütigen Gespräch überzeugen, Hilfsgüter in den Gazastreifen zu lassen. Leicht macht Netanjahu Steinmeier dieses Gespräch nicht. Nur wenige Stunden vor dem Treffen kündigte er eine militärische Offensive an. „Mit voller Kraft“ werde Israel vorgehen, sagte Netanjahu vor Reservisten der Armee.

    Amnesty International forderte den Bundespräsidenten vor der Reise auf, angesichts der Besatzungspläne Netanjahus das Treffen abzusagen. Der ehemalige Außenminister Steinmeier verteidigte das Gespräch. Es sei „das Einfachste für Politiker, schwierigen Gesprächen aus dem Weg zu gehen. Das war nie meine Haltung“.

    Wie deutlich Steinmeiers Kritik an Netanjahu letztlich ausfällt, ist nicht bekannt. Das Gespräch findet unter vier Augen statt. Unter anderem sollen die Männer aber darüber gesprochen haben, wie man die Verteilung von Hilfsgütern in Zukunft organisieren könne, heißt es von deutscher Seite.

    Besuch im Kibbuz Be‘eri

    Was die Israelis ohnehin stärker umtreibt als die Kritik Steinmeiers: Die Alleingänge von US-Präsident Donald Trump, der zeitgleich mit dem Bundespräsidenten in den Nahen Osten reist, Israel aber ausspart. Stattdessen besucht Trump Saudi-Arabien. Zuletzt verhandelten die USA die Freilassung einer amerikanisch-israelischen Geisel. Die Israelis ließen sie selbst hier außen vor.

    Am zweiten Tag seiner Reise dann kommt Steinmeier den Kämpfen und den Geiseln ganz nah. Er besucht den Kibbuz Be’eri. Keine vier Kilometer ist die Siedlung vom Gazastreifen entfernt. Es ist heiß hier, wärmer als im hochgelegenen Jerusalem. Die Luft riecht nach Pinien. Häufig höre man die Bomben im nahegelegenen Gaza fallen, sagen die Bewohner.

    Am 7. Oktober 2023 drangen Terroristen in den Kibbuz ein. Sie töteten über 130 Menschen. Viele wurden gefoltert, verstümmelt, vergewaltigt. Etwa 50 Bewohner nahm die Hamas als Geiseln. An den grauen Betonwänden der Gemeinschaftsgebäude hängen schwarze Transparente mit den Bildern von fünf Männern und einer Frau. Es sind die sechs verbliebenen Geiseln. Alle gelten sie inzwischen als tot. Aber die Verstorbenen zurückzubringen, empfinden die Menschen hier als eine ebenso große Pflicht wie die Befreiung der Lebenden.

    Sharon Cohen sagt, wenn alle Geiseln befreit sind, möchte sie wieder in den Kibbuz zurückkehren. Gerade wird ihr Haus wieder aufgebaut. Die 45-Jährige mit einem „I love Be’eri“-Shirt war im Kibbuz, als die Terroristen hier einfielen. In einem Sicherheitsraum überlebte sie mit ihren vier Kindern, ihr Mann hielt die Tür zu. Langfristig woanders leben? Wo es sicherer ist? Das möchte sie nicht. „Be’eri ist mein Zuhause“, sagt sie.

    Deutschland stellt sich an die Seite Israels

    Auch Deutschland beteiligt sich am Wiederaufbau. Mit sieben Millionen Euro soll beispielsweise die Kunstgalerie in Be’eri neu errichtet werden. Steinmeier und sein israelischer Amtskollege Herzog stellen am Mittwoch die Pläne vor – an dem Ort, wo Terroristen vor eineinhalb Jahren die Galerie niederbrannten. Gemeinsam legen sie einen Kranz nieder, pflanzen einen Olivenbaum. Herzogs Frau kommen die Tränen, als sie über den Wiederaufbau spricht.

    Kurz nach dem 7. Oktober war Steinmeier schon einmal hier. In seiner Rede erzählt er von zerstörten Gebäuden, von niedergebrannten Bäumen, von Kinderspielzeug, das zwischen den Ruinen herumlag. „Das hat sich tief eingeprägt“, sagt er und das sieht man ihm an. Zwar betont Steinmeier auch das Leid in Gaza, das nur wenige Kilometer entfernt stattfindet, aber er macht klar, wo er Deutschland verortet: An der Seite Israels, an der Seite der Geiseln. „Deutschland vergisst sie nicht, ich vergesse sie nicht. Unsere Stimme wird nicht schweigen, solange sie nicht zurückgekehrt sind.“ Staatspräsident Herzog bedankt sich mehrfach für Steinmeiers „moralische Klarheit“.

    Yuval Haran – 38 Jahre alt, dunkle Haare, rote Brille - ist Deutschland dankbar für die Hilfe. „Aber es ist nicht genug. Es kann erst genug sein, wenn alle Geiseln frei sind“. Am 7. Oktober hat die Hamas Harans Vater in Be’eri ermordet, seine Mutter entführt. Er bezweifelt zwar, dass die Regierung Netanjahu das Beste für die Geiseln im Sinn hat. Und er versteht, dass Deutschland sich auch für das Leid der Palästinenser einsetzt. „Aber in erster Linie muss es darum gehen, die Geiseln freizubekommen“, sagt er. Dafür müsse Deutschland sich einsetzen, nur dann könne man hier in Frieden leben. „Und da ist alles, was ich will: in Frieden leben.“

    Diskutieren Sie mit
    4 Kommentare
    Wolfgang Boeldt

    Selbst wenn Israel, gegen wen auch immer, seine A-Waffen einsetzen würde => wir, einige Deutsche, stehen gebückt, fest an seiner Seite.

    Maria Reichenauer

    Der Krieg wird nicht aufhören, wenn die Geiseln frei sind. Das ist ein Trugschluss. Netanjahu will mehr: er will den Gazastreifen wieder für Israel in der Hand haben – mit Trump im Schlepptau. Deswegen wird Israel nicht ruhen, bis Gaza überwiegend palästinenserfrei ist. Schließlich ist man auf dem besten Weg dorthin.

    Martin Dünzl

    Mit all den Angriffen und Zerstörungen ziviler Infrasturktur in Gaza, mit zigtausenden getöteten Zivilist:innen und dem Aushungern von Kindern - mit all den Verbrechen gegen das Kriegsvölkerrecht wird Israel weder die Geiseln frei bekommen noch den Hass und Terrorismus besiegen. sondern wahrscheinlich noch weiter nähren!

    Rainer Kraus

    Wenn wir weiterhin solch eine Politik betreiben finden wir uns alle bald im Bunker wieder.

    Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.

    Registrieren sie sich

    Sie haben ein Konto? Hier anmelden