Nach der umstrittenen Abstimmung zum Thema Migration im Bundestag, bei der der Kanzlerkandidat der Union, Friedrich Merz, die Stimmen der AfD in Kauf genommen hat, zeichnet sich bei Parteien des linken Spektrums ein großer Mitgliederzuwachs ab. „Das Vorgehen von Friedrich Merz war natürlich ein sehr polarisierendes Element im aktuellen Wahlkampf. Und wenn die Bürgerinnen und Bürger das Gefühl haben, dass es eine grundsätzliche Zäsur gibt, dann kann das die Menschen in die Arme von anderen Parteien treiben“, sagte Manuel Becker, Politikwissenschaftler an der Universität Bonn, unserer Redaktion.
Vor allem die Linke verzeichnet einen enormen Zulauf – mittlerweile hat die Partei eigenen Angaben zufolge 81.200 Mitglieder, so viele wie nie seit ihrer Gründung im Jahr 2007. Allein seit der gemeinsamen Abstimmung von Union, FDP und AfD seien 17.470 neue Mitglieder dazugekommen.
Politologe Becker: Die Entwicklung der Linken ist eine große Überraschung
Die Entwicklung der Linken ist für Politikwissenschaftler Becker überraschend. „In der letzten Legislaturperiode war die Partei von inneren Kontroversen und Führungsstreitigkeiten zerfressen und auf dem absteigenden Ast. Jetzt ist es ihr auf den letzten Metern des Wahlkampfes gelungen, wieder in die Vorderhand zu kommen – ob es am Ende für die Fünf-Prozent-Hürde reicht, das müssen wir noch abwarten.“ Vielleicht, fuhr Becker fort, könnten sie aber sogar vor dem BSW liegen. „Und das hätten viele Parteienforscher sicher nicht erwartet.“
Auch die Grünen verzeichnen einen starken Mitgliederzuwachs. Nach der Abstimmung im Bundestag traten binnen fünf Tagen 5000 neue Mitglieder der Partei bei – ein Rekord. Viele liberale Menschen fühlten sich angesichts des sich nach rechts bewegenden Parteienspektrums mit ihren Stimmen heimatlos, sagte Albrecht von Lucke, Politikwissenschaftler und Redakteur der Blätter für deutsche und internationale Politik, unserer Redaktion. „Deshalb treten einerseits bei den Grünen zahlreiche Wählerinnen und Wähler in die Partei ein, darunter auch ehemalige Unions-Anhänger der Merkel-Mitte, um sich politisch zu engagieren und um ein Zeichen gegen den Rechtsruck zu setzen.“ Andererseits, so Lucke, würden bei den Grünen auch diverse Mitglieder austreten, weil ihnen die Partei zu mittig geworden sei. „Sie wiederum treten dann in die Linkspartei ein, die zunehmend als letzter Hort derer erscheint, die für offene Grenzen plädieren und gegen jegliche Verschärfung in der Migrationspolitik.“
Auch CSU und SPD berichten von vielen Neueintritten
Politologe Becker glaubt indes nicht, dass der Aufwärtstrend bei den Parteieintritten anhält. „Es wird spannend sein, zu beobachten, wie sich dies langfristig auswirkt. Nach Wahlkampf und abgeschlossener Regierungsbildung erwarte ich ehrlicherweise wieder ein deutliches Abflauen der Eintrittszahlen.“ Und festhalten müsse man auch, dass der aktuelle Mitgliederzulauf zwar sehr für die linken Parteien gelte – „man darf aber auch davon ausgehen, dass es der AfD einen Zuwachs verschafft haben wird“. In der Tat spricht die AfD von einer „nie dagewesenen Eintrittswelle“. Die Partei hat eigenen Angaben zufolge über 52.000 Mitglieder, es liegen zudem knapp 12.000 Mitgliedsanträge vor, die derzeit abgearbeitet werden.
In den vergangenen Wochen habe die Zahl der Neueintritte deutlich über dem Durchschnitt gelegen, heißt es auch von der CSU. Und die SPD spricht von „einigen Tausend Online-Eintritten“ in den vergangenen Wochen.
Nur 15 Prozent der Deutschen haben Vertrauen in politische Parteien
Erst vor Kurzem hatte das Institutionen-Ranking, das Forsa seit fast zwei Jahrzehnten für den Stern, RTL und ntv ermittelt, ergeben, dass gerade einmal 15 Prozent der Deutschen Vertrauen in politische Parteien haben. Angesichts dessen überrascht der aktuelle Mitgliederzuwachs besonders.
Der Scholz-Zug nimmt wieder Fahrt auf? Die Presse verschweigt dabei tapfer das blamable Stimmverhalten der Linken bei ETS-2 (Enthaltung). Man will ja weder die eigenen Ökosozialisten noch die eigenen Sozialpopulisten verärgern. - www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2025/kw05-de-energie-1042036
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