Wer Kinder erzieht, bekommt dafür in der gesetzlichen Rentenversicherung Pflichtbeiträge gutgeschrieben und so später mehr Rente. Die Mütterrente bringt eine erweiterte und verbesserte Anerkennung von Erziehungszeiten für vor 1992 geborene Kinder. Die neue Koalition will das noch ausweiten und kalkuliert dafür mit Kosten von 4,5 Milliarden Euro.
Pro: Die Mütterrente ist eine Anerkennung für Heldinnen
Die Mütter der sechziger, siebziger und achtziger Jahre sind die tragischen Heldinnen unseres Rentensystems. Sie haben ihm überdurchschnittlich viele Beitragszahler geboren, erhalten selbst aber nur unterdurchschnittliche Renten. Die von Union und SPD geplante Erhöhung der Mütterrente um monatlich 20 Euro für jedes Kind, das vor 1992 geboren wurde, schließt daher nicht nur eine Gerechtigkeitslücke, weil mit diesem Schritt endlich alle Mütter die gleichen Erziehungszeiten angerechnet bekommen, unabhängig von den Geburtsjahren ihrer Kinder. Mit der Ausweitung der Mütterrente erkennt der Staat auch die Lebensleistung von Frauen an, für die die Vereinbarkeit von Familie und Beruf alles andere als selbstverständlich war.
Zwei, wenn nicht drei Generationen von Müttern, hatten nicht die Möglichkeiten, die junge Frauen heute haben. Die Rollen in den Familien waren damals noch klarer verteilt als heute, Kindergartenplätze vor allem auf dem Land knapp und die Ehen in der Mehrzahl der Fälle tatsächlich noch Partnerschaften für ein ganzes Leben. Millionen von Frauen haben damals auf vieles verzichtet, um ihre Kinder großzuziehen, auf Geld, auf berufliches Vorankommen, und nicht zuletzt auch auf eigene Rentenansprüche. Wenn die neue Bundesregierung dies nun mit drei Jahrzehnten Verspätung noch ein wenig honoriert, muss man schon ein hart gesottener Ordoliberaler sein, um im Bundeshaushalt dafür kein Geld zu finden.
Von dort nämlich müssen die fünf Milliarden Euro kommen. Bei der Anerkennung von Erziehungszeiten, und nichts anderes ist die Mütterrente ja, handelt es sich um eine versicherungsfremde Leistung, die nicht durch die Rentenbeiträge von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gedeckt ist, sondern aus dem allgemeinen Steueraufkommen finanziert werden sollte. Würden Union und SPD dafür in die Rentenkasse greifen, würde sich die Politik ja ein zweites Mal an den Müttern der sechziger, siebziger und achtziger Jahre versündigen: Die höheren Renten, die sie ihnen zugesteht, müssten dann deren Kinder und Enkelkinder über höhere Beiträge bezahlen.
(Rudi Wais)
Contra: Die Mütterrente dient nur als Feigenblatt für die Männer
Dem Gesetzgeber war die Mütterrente seit ihrer Einführung 2014 stets suspekt. Die sprachliche Distanz hat einen guten Grund. Viele politische Entscheidungen der letzten Jahre sind fragwürdig, die Anrechnung der Kindererziehungszeiten gehört dazu. Da saßen vor rund 20 Jahren vermutlich ein paar Christsoziale im Wirtshaus und nach der dritten Maß stand fest: Hey, wir gestandenen Mannsbilder machen jetzt zwischendurch auch mal Politik für die Frauen.
Frauen und vor allem Mütter leisten einen Großteil der Erziehungs- und Pflegearbeit. Das war so und das ist so. Dafür gebührt ihnen allerhöchste Anerkennung. Die jedoch in ein paar mageren Scheinen pro Monat auszudrücken, ist billig. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes liegt die Armutsgefährdungsquote bei Frauen ab 65 seit Jahren bei mehr als 20 Prozent. Die Mütterrente hat daran fast gar nichts geändert. Lediglich Frauen mit einer sehr niedrigen Rente oder Mütter mit vielen Kindern profitieren – ihnen hilft aber oft selbst der Zuschlag nicht aus der finanziellen Misere. Männer hingegen sind deutlich seltener armutsgefährdet, und das weist auf das eigentliche Problem hin.
Die Mütterrente verfestigt traditionelle Rollenbilder, löst aber nicht die strukturellen Probleme. Noch immer werden Frauen schlechter bezahlt als Männer, noch immer kümmern sie sich hauptsächlich um die Kindererziehung und die Pflege von Angehörigen. Sie sind es, die in die Teilzeitfalle tappen, weil das reduzierte Arbeiten nach der Elternzeit oft die einzige Möglichkeit ist, in den erlernten Beruf zurückzukehren. Männer hingegen ziehen ihre Karriere meist unbeirrt durch. Sie bekommen die hohen Renten, die Frauen die niedrigen.
Der Ausweg wäre eine transformative Politik, die Gleichstellung und Gleichberechtigung fördert. Doch da passiert seit Jahren wenig bis gar nichts, das zeigt der geringe Frauenanteil im Bundestag beispielhaft. Die Ausweitung der Mütterrente löst das Problem nicht mal ansatzweise. Sie ist ein Feigenblatt, hinter dem sich reformunwillige Männer bequem verstecken können.
(Stefan Lange)
Beide Meinungen schließen sich aus meiner Sicht nicht aus, sondern ergänzen sich geradezu wie aus dem Bilderbuch. Die Anerkennung für die Vergangenheit ist richtig. Es bedeutet aber nicht, dass das auch die Lösung für die Zukunft sein muss. Die kann man heute noch gestalten und was hindert die Politik daran klüger zu werden? Vielleicht hätte man als Überschrift wählen sollen: "Milliarden für die Mütterrente: Gerecht und trotzdem nur ein Feigenblatt für reformunwillige Männer!"
Früher war es aber auch möglich und gefordert zusammenzubleiben und später die Rente des Mannes zu erben. Da ging es vielen Müttern nach heutigen Maßstäben wohl schlecht, trotzdem hat es funktioniert. Ein soziales Problem hat sich aber immer gestellt, welche Frau hätte einen halbtags arbeitenden Mann geheiratet? Viele Berufe sind ohne gutverdienenden Mann gar nicht möglich, zum Beispiel Sportlehrerin mit 8 Wochenstunden, nicht verbeamtet. Da muss die andere Hälfte an der Karriere in der IT arbeiten, ist man da nur eine Zeit lang raus, findet sich auch kein Einstieg mehr. Gern würden mehr Männer im sozialen Bereich arbeiten, jedoch geben die Stellen das Geld nicht her eine Familie zu gründen. Ich kann mir nicht vorstellen das dies bei der Partnerwahl sonderlich attraktiv ist.
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