Wer Alexander Dobrindt noch immer unterschätzt, dem ist nicht mehr zu helfen. Lange galt der Oberbayer, der im Bundestag stolz den einstigen Wahlkreis von Franz Josef Strauß vertritt, als eine Art Hinterwäldler, als Haudrauf, dem keine zugespitzte Formulierung zu hart ist, als einer, der Schneisen schlägt und spaltet.
Was viele bis zuletzt dabei übersehen haben, ist das strategische Geschick Dobrindts. Gar nicht so heimlich hat er sich in den vergangenen Jahren zu einer Art unersetzlichem Scharnier zwischen dem ihm anfangs alles andere als wohl gesonnenen CSU-Chef Markus Söder in München und dem jetzigen Kanzler in Berlin, Friedrich Merz, hochgearbeitet.
Dobrindt schickt sich an, einer der populärsten Politiker der Deutschen zu werden
Dieser Dobrindt, bislang eher ein Schattenmann der Macht, schickt sich nun an, einer der populärsten Politiker der Deutschen zu werden. Im Beliebtheitsranking machte er zuletzt einen Sprung in die Top-5 – ein Plus von 13 Prozent im Vergleich zu 2018, als er zum letzten Mal überhaupt in dieser Liste auftauchte. Dobrindt ist der Aufsteiger im schwarz-roten Kabinett.

Der Grund dafür ist sonnenklar: Die verschärften Regeln bei der Kontrolle von Asylsuchenden an den deutschen Grenzen kommen bei vielen Bürgerinnen und Bürgern gut an. Dobrindt setzt damit ein Versprechen um, mit dem die Union der AfD tatsächlich Wähler abspenstig machen kann. Und auch wenn die Zahlen der Zurückgewiesenen längst nicht so hoch sind, wie man angesichts der Untergangstimmung, mit der das Thema Migration in den vergangenen Jahren teilweise diskutiert wurde, denken würde, sind die Signale deutlich: Angela Merkels Flüchtlingspolitik ist Geschichte.
Es ist Dobrindt daher kaum zu verdenken, wenn er diese Politik nach dem Beschluss des Berliner Verwaltungsgerichts nicht umgehend verändern will. Die Richter hatten festgestellt, dass auch bei Asylsuchenden (in diesem Fall eine minderjährige Frau und zwei junge Männer aus Somalia), die über einen sicheren Drittstaat einreisten, zunächst geklärt werden müsse, wer im Rahmen der EU-Gesetze für ihr Asylverfahren zuständig sei, eine sofortige Zurückweisung daher nicht rechtens sei.
Der Innenminister sollte ein Grenzregime auf die Beine stellen, das über das nächste Gerichtsurteil hinaus Bestand hat
Dass es sich dabei zunächst einmal um eine Einzelfallentscheidung handelt, wie Dobrindt (und Kanzler Friedrich Merz) betonen, mag richtig sein, ist aber nicht entscheidend. Denn das Gericht zielt genau auf die Schwachstelle, die Juristen schon immer benannt hatten, wenn es darum geht, Asylberechtigte einfach zurückzuweisen – den möglichen Verstoß gegen europäisches Recht und das Problem, inwieweit dessen Notlagenklauseln auf die Zustände in Deutschland zutreffen. Es ist die Gretchenfrage der deutschen Flüchtlingsdebatte.
Es ist dennoch richtig, wenn Dobrindt jetzt ins Risiko geht und nicht sofort beidreht. Die Bürgerinnen und Bürger haben seit 2015 in beinahe jeder Wahl klargemacht, dass sie mit der bisherigen Flüchtlingspolitik nicht einverstanden sind. Wenn es einer Koalition der Mitte nun gelingt, diese Bedenken aufzunehmen, kann man das gar nicht hoch genug wertschätzen.
Dobrindt sollte seine neue Popularität nutzen und ein Grenzregime auf die Beine stellen, das über das nächste Gerichtsurteil hinaus Bestand hat. Intensive Gespräche mit den europäischen Nachbarn sind dafür zwingend. Denn die Folgen der deutschen Entscheidung treffen auch sie. Natürlich kann beispielsweise keiner sagen, ob Zurückweisungen an der deutsch-polnischen Grenze das Zünglein an der Waage waren, das zur Wahl des rechtskonservativen Karol Nawrocki zum neuen Präsidenten geführt hat. Ganz ohne Auswirkung werden sie indes nicht gewesen sein.
Eine Erfahrung sollte Dobrindt als Warnung sehen
Dass Dobrindt auch das europäische Geschäft beherrscht, ist auch so eine Sache, die kaum einer weiß. Bevor der Europäische Gerichtshof seine sogenannte Ausländermaut 2019 für rechtswidrig erklärte, hatte er als CSU-Verkehrsminister die größte Hürde in Brüssel eigentlich schon genommen und in klandestinen Verhandlungen mit der EU-Kommission Jean-Claude Junckers erreicht, dass diese als Hüterin der Verträge seine Mautpläne durchwinkte.
Am Ende aber hatte der Deal nicht lange Bestand. Dobrindt sollte dies als Warnung sehen.
Ich höre nur immer "wir bräuchten", "wir sollten". Seit 10 Jahren sind die Regierungen nicht in der Lage, eine für die ganze EU gerechte Lösung zustand zu bringen. Natürlich gehen alle dahin, wo es am meisten für lau abzuholen gibt. Hier sollte man ansetzen. Die ganze deutsche Einwanderungspolitik ist seit langem ein Armutszeugnis, das jetzt vermutlich die Steuerzahler und angehenden Rentner finanzieren dürfen.
Wir brauchen einen legalen Weg, auf dem ausländische Arbeitsuchende sich bewerben können und wo über diese Bewerbung schon im Ausland, beispielsweise bei der deutschen Botschaft, entschieden wird. Damit würden wir die Asylverfahren von vielen Scheinanträgen entlasten. Die Zahl lebensgefährlicher Fluchten über beispielsweise das Mittelmeer würde zurückgehen. Das Asylrecht muss bestehen bleiben. Wir brauchen jedoch viel schnellere Entscheidungsabläufe bei Asylanträgen. Bedrohung durch Kriegs- oder Verfolgungsgefahren (Afghanistan, Iran, Russland) sollten als Fluchtgrund anerkannt werden. Auch Fluchtgründe entsprechend der Genfer Konvention. Im Regelfall sollte nach spätestens zwei Monaten über die Asylanträge entschieden sein. Anerkannte dürfen und sollten dann schnellstens selber arbeiten. Abgelehnte, die keinen Arbeitsplatz vorweisen können, müssen heimkehren, erforderlichenfalls abgeschoben werden. Mehr Abschottung führt vermutlich zu mehr Schmuggel. Raimund Kamm
Eine belastbare Migrationspolitik sollte Dobrindt schnellstens herstellen. Allerdings scheint er nicht mal in der Lage zu sein eine Rechtssicherheit für die Grenzpolizeibeamten zu bieten. Das Warten auf ein EU-Urteil erzeugt lediglich ein jahrelanges Vakuum und Unsicherheit.
Einem Gerichtsurteil zu folgen ist nicht klein beigeben. Das ist eine wichtige Grundlage unseres Staates. WSem eein Urteil nicht passt, knnja dagegen klagen. Wer es einfach ignoriert, stellt sich ueber das Gesetz und hat in der Politik nichts verloren.
Fakt bleibt doch, dass insbesondere in Sachen Migration und hier besonders in Sachen Asylgesetzgebung dringend etwas passieren muss! Und auch vor allen Dingen, wie schon in der Vergangenheit durch viele Juristen angeprangert, der ungelöste Zustand, dass EU-Recht nationalem Recht teilweise widersprechen würde. Es ist bis heute nicht beantwortet, welchen Interessen Vorrang zu gewähren ist. Die Zeit für überproportionale und übertriebene angeblich notwendige Flüchtlingsmaßnahmen muss ein Ende haben.
Herr Xanter, die Zeit für überproportionale und übertriebene angeblich notwendige Flüchtlingsmaßnahmen hat längst ein Ende gefunden. Sie kennen doch die erforderlichen Statistiken oder etwa immer noch nicht? Es gibt keinerlei Grund mit Kanonen auf Spatzen zu schießen.
Sieh an, ein neuer großer Dobrindt-Versteher und -verehrer gibt Polit-Unterricht und zeigt uns, wo´s und wie´s lang geht. Na ja, Pfingsten ist ja auch so was wie das Fest der Erleuchtung.
Herr Müller, da liegen Sie aber total falsch. Wieviel Geld hat Dobrindt als Verkehrsminister schon verbrannt. Der kann es einfach nicht.
Ich wünschte mich würde mal jemand so bedingungslos für meine Fehler lieben wie Peter Müller den Alex. Liebe macht blind und das ist schön. 🥰
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