So groß ist das Klimaschutz-Potenzial der Moore
Umweltministerin Lemke schiebt ein vier Milliarden Euro schweres Programm zur natürlichen Speicherung von Treibhausgasen an. Warum von Landwirten und der Union Kritik kommt.
Ob die Rettung des Weltklimas gelingen kann, das entscheidet sich nach Überzeugung von Steffi Lemke auch in deutschen Auen, Mooren und Wäldern. Die Bundesumweltministerin von den Grünen hat deshalb ein großes Aktionsprogramm für natürlichen Klimaschutz angestoßen. "Wir wollen als Bundesregierung in den nächsten vier Jahren vier Milliarden Euro in den natürlichen Klimaschutz investieren", so Lemke bei der Vorstellung des Projekts. Als Bühne hat sie die 56 Hektar großen Möllmer Seewiesen gewählt. Das Feuchtgebiet bei Oranienburg nördlich von Berlin wird seit einigen Jahren wiedervernässt, denn Kohlendioxid speichern kann das Torfmoor nur, wenn es dauerhaft feucht bleibt. Landwirtschaft ist auf den Flächen dann nur noch schwierig zu betreiben, weil Traktoren und Maschinen einsinken.
Bisher wird dort noch das Gras gemäht und zu Heu getrocknet. Geschähe das nicht mehr, würde die Fläche allerdings innerhalb weniger Jahre zu Buschland werden – und damit weniger wertvoll für den Klimaschutz. In den Möllmer Seewiesen sollen deshalb demnächst Wasserbüffel die Landschaftspflege übernehmen. Und nebenbei der örtlichen Agrargenossenschaft mit der Vermarktung des hochwertigen Büffelfleisches eine neue Einkommensquelle erschließen. "Ich möchte die Natur stark machen, damit sie uns gegen die Klimakrise hilft", sagte Lemke. Ziel des Aktionsprogramms sei es, Ökosysteme wie Wälder, Auen, Feuchtböden und Moore zu erhalten oder wiederherzustellen, dass sie Kohlendioxid und andere Treibhausgase binden. Ohne diesen natürlichen Beitrag sind die nationalen Klimaschutzziele Lemke zufolge kaum zu erreichen.
Lemke: 90 Prozent der Moorflächen entwässert
Dem Umweltministerium zufolge wurden bis zu 90 Prozent der ursprünglichen Moorflächen im Land entwässert, um sie besser für die Landwirtschaft nutzbar zu machen. Doch nur im feuchten Zustand speichern Moore klimaschädliche Gase. Trocknen die Feuchtgebiete jedoch aus, geben sie dabei sogar große Mengen an Kohlendioxid ab – 53 Millionen Tonnen sind es in Deutschland pro Jahr. Lemkes Plan zielt also darauf ab, aus eher klimaschädlichen Nutzflächen klimafreundliche Kohlendioxid-Speicher zu machen. Vorgesehen ist aber nicht nur die Wiedervernässung von Mooren.
Auch alte Wälder sollen besser geschützt werden und Städte durch mehr Grünflächen und Bäume zu "Schwammstädten" werden. Damit ließen sich auch die Folgen der immer häufiger auftretenden Hitzeperioden und Dürren besser bewältigen, so Lemke. Bei ihrem Vorhaben kann die studierte Agrarwissenschaftlerin auf die Unterstützung des Landwirtschaftsministeriums zählen, das ihr grüner Parteifreund Cem Özdemir leitet. Zählte die Rivalität zwischen dem Umwelt- und dem Agrarressort jahrzehntelang zu den Konstanten des politischen Alltags, so haben beide inzwischen eine "Hausfreundschaft" geschlossen. Beim Natur- und Klimaschutz wollen Lemke und Özdemir an einem Strang ziehen.
CSU fürchtet um Nahrungsmittelproduktion
Doch aufseiten des Deutschen Bauernverbands wird das Klimaschutzkonzept mit einiger Skepsis gesehen. Der Ansatz, Wälder stillzulegen und die landwirtschaftliche Nutzung durch eine Wiedervernässung von Mooren zu verdrängen, sei falsch, kritisierte Verbandsvize Udo Hemmerling. "Wir brauchen mehr Photosynthese auf den Flächen, um zusätzlich Kohlenstoff binden zu können", sagte er. Bedenken hat auch die Union. Anja Weisgerber, umweltpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, begrüßte gegenüber unserer Redaktion zwar, "dass die Umweltministerin mit einem Aktionsprogramm 'Natürlicher Klimaschutz' auf unserer Vorarbeit aufbauen möchte". Schon im Klimaschutzprogramm 2030, das die Vorgängerregierung aus Union und SPD auf den Weg gebracht habe, seien Moorschutz und Waldumbau vorgesehen.
Angesichts des Ukraine-Kriegs und dessen Auswirkung auf die weltweite Nahrungsmittelversorgung mahnte die CSU-Politikerin jedoch: "Der Zielkonflikt zwischen immer mehr Flächenschutz und Flächenstilllegungen auf der einen Seite und Flächen zur Nahrungsmittelproduktion auf der anderen muss deshalb gelöst werden. Es kann nämlich nicht unser Ziel sein, künftig Nahrungsmittel aus dem Ausland zu importieren, anstatt, wie bisher, auf heimische Produkte zu setzen." Trotzdem geht das Vorhaben von Lemke nun in die Öffentlichkeitsbeteiligung und soll Anfang 2023 vom Kabinett beschlossen werden.
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