
Ehemalige ÖVP-Familienministerin Karmasin vor Gericht


Erster Prozess zum „System Kurz“: Die Ex-Politikerin Karmasin soll zigtausende Euro zu Unrecht bezogen haben. Es geht auch um die Affäre, die Kanzler Kurz zu Fall brachte.
Langsam, aber sicher kommt die juristische Aufarbeitung der zahlreichen Skandale aus der Ära des gescheiterten ÖVP-Kanzlers Sebastian Kurz in die Gänge: Seit Dienstagfrüh steht mit Sophie Karmasin, der ehemaligen ÖVP-Familienministerin, die erste von zahlreichen Beschuldigten aus dem Kurz-Umfeld in Wien vor Gericht. Der Vorwurf: schwerer Betrug und Wettbewerbsabsprachen. Die ehemalige Meinungsforscherin soll sich Geld vom Steuerzahler erschlichen haben – und Scheinabsprachen für Studien für das damalige Sportministerium getätigt haben.
Nach ihrem Ausscheiden aus dem Familienministerium habe Karmasin laut Staatsanwaltschaft rund 78.600 Euro unrechtmäßig bezogen, sagen die Ermittler der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA). Geld, das Karmasin laut Gesetz nur zugestanden wäre, wenn sie nach ihrem Ausscheiden noch nicht wieder berufstätig gewesen wäre. Genau das sei aber der Fall gewesen – unter anderem mit besagten Studien für das Sportministerium.
Karmasin soll als ÖVP-Ministerin Ausschreibungen manipuliert haben
Diese bilden den zweiten Strang des komplexen Verfahrens, das am Wiener Straflandesgericht vorerst für drei Tage anberaumt wurde. Karmasin soll als Meinungsforscherin, nach ihrem Ausscheiden als Ministerin, zwei Mitbewerber dazu gebracht haben, auf Ausschreibungen des Sportministeriums überhöhte Angebote zu legen – sodass ihr, Karmasin, die Aufträge zufielen. Einer dieser Mitbewerber war Sabine Beinschab. Die ehemalige Partnerin Karmasins hat im WKStA-Verfahren rund um die Inseraten- und Umfrageaffäre Kronzeugenstatus – die Justiz stellt ihr also Strafmilderung in Aussicht, gegen umfassende, neue Aussagen und Erkenntnisse. Beinschab hatte Karmasin massiv belastet – ganz so wie der Ex-Kurz-Vertraute Thomas Schmid den ehemaligen Kanzler. Schmid, dessen tausende Chat-Nachrichten den WKStA-Ermittlern entscheidende Hinweise lieferten, will ebenfalls Kronzeuge werden, die Entscheidung hierzu steht noch aus.
Vor Gericht gab sich Sophie Karmasin in den ersten Prozesstagen wortkarg. 26 Tage war die Ex-Ministerin in Untersuchungshaft gesessen, bei einer Verurteilung drohen ihr nun bis zu drei Jahre Haft. Aufgrund von „Traumata“ wolle sie dem Staatsanwalt keine Auskünfte erteilen, sagte sie am Dienstag bei Prozessbeginn. Sie plädierte auf „nicht schuldig“ – und sieht sich als Justizopfer. Die zu Unrecht bezogenen Gehaltsfortzahlungen habe sie weitestgehend zurückbezahlt, betonte Karmasins Anwalt. Sie habe weder jemanden geschädigt noch getäuscht, sagte die Beschuldigte dann doch.
Die österreichische Staatsanwaltschaft sieht erdrückende Beweise
„Wir hatten eine dickflüssige Beweissuppe“, sagte dazu der fallführende WKStA-Staatsanwalt. „Wenn man den Löffel jetzt auslässt, bleibt er aufrecht stehen.“ Mit dem Hauptstrang der Korruptionsermittlungen – also den mutmaßlich in Kurz‘ Sinne getürkten und aus öffentlichen Mitteln des Finanzministeriums bezahlten Umfragen, die dann in Boulevardzeitungen zwecks Stimmungsmache veröffentlicht wurden – habe das nun laufende Verfahren aber nicht direkt zu tun, so der Staatsanwalt. Es gehe eben um den Vorwurf der Bereicherung.
Dennoch soll Karmasin auch an besagten mutmaßlich getürkten Umfragen verdient haben. Die Ex-Ministerin will den Plan rund um das „Umfrage Tool“ allerdings nicht gekannt haben. Den Sachverhalt hier werden in Zukunft weitere Verfahren klären müssen. Noch offen ist auch eine mögliche erste Anklage gegen Sebastian Kurz selbst. Derzeit wird der Vorhabensbericht der WKStA im Justizministerium begutachtet – es geht um eine mögliche Falschaussage von Kurz vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss. Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.
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