Pietro Parolin: Der Italiener ist 70 Jahre alt und damit in einem guten Alter für die Nachfolge von Papst Franziskus. Parolin stammt aus dem Dorf Schiavon in Norditalien und war zuletzt als Kardinalstaatssekretär nach Franziskus der bekannteste Mann im Vatikan. Das Verhältnis der beiden soll sich nach anfänglicher Begeisterung aber abgekühlt haben. Auf der einen Seite der manchmal erratische und im Alleingang entscheidende bisherige Papst, dort der um Ausgleich bemühte Kirchendiplomat. Sein diplomatisches Meisterstück ist ein Geheimabkommen zwischen Vatikan und China über die Ernennung von katholischen Bischöfen in der Volksrepublik. Der Pakt ist aber vor allem bei Konservativen umstritten. Sie bemängeln, dass der Vatikan mit dem kommunistischen Regime gemeinsame Sache mache und die romtreue Untergrundkirche Chinas ausliefere. Kirchenpolitisch steht der Italiener für Kontinuität, er könnte die auseinanderstrebenden Interessen im Konklave zusammenführen und die Kirche befrieden. Aber: Er ist Italiener, hat keine pastorale Erfahrung und nicht das Charisma seines Vorgängers.
Luis Antonio Tagle: Der Mann von den Philippinen, 67 Jahre alt, galt schon 2013 als „papabile“, damals war er aber mit 55 Jahren noch viel zu jung. Jetzt könnte eigentlich die Stunde des als progressiv bekannten „asiatischen Franziskus“ schlagen. Wenn ein Kandidat öffentlich nicht mehr gehandelt wird, kann das zweierlei bedeuten. Entweder seine Kandidatur ist bereits vor dem Konklave durchgefallen oder er wird im Stillen gerade als zukünftiger Pontifex aufgebaut. Beides ist im Fall Tagle möglich. Der frühere Erzbischof von Manila hat große Ausstrahlung, als Diözesanbischof auch pastorale Erfahrung. 2019 berief ihn Franziskus nach Rom. In den Tiefen des Vatikan kennt sich Tagle also auch aus. 2022 enthob ihn der Papst allerdings als Chef von Caritas Internationalis, weil es in der Organisation nicht genauer erläuterte Führungsprobleme gab.
Pierbattista Pizzaballa: Franziskus hat 80 Prozent der Kardinäle im jetzigen Konklave nominiert. Pure Traditionalisten gibt es fast keine mehr. Das konservative Lager muss also einen Kandidaten wählen, der auf den ersten Blick nicht als solcher zu erkennen ist. So ein Kandidat wäre der Italiener Pierbattista Pizzaballa aus Cologno al Serio bei Bergamo, ein Wertkonservativer. Der lateinische Patriarch von Jerusalem machte international von sich Reden nach dem 7. Oktober 2023. Damals bot er sich als Ersatz für die von der Hamas entführten israelischen Geiseln an. Pizzaballa wird als Gesprächspartner im Nahen Ostern sehr geschätzt, tritt vehement für interreligiösen Dialog ein. Er hat außerdem das verschuldete Patriarchat von Jerusalem saniert. Das gibt ihm Kredit für mögliche Reformen im Vatikan. Das größte Problem: Er ist erst 60 Jahre alt. Mit seiner Wahl „riskierten“ die Kardinäle ein 30 Jahre langes Pontifikat.
Cristóbal López Romero: „Wenn sie mich wählen, haue ich ab“, sagt Cristóbal López Romero. Er hat in Barcelona Journalismus studiert, weiß also, wie Schlagzeilen funktionieren. Wie wenige Kardinäle steht der 72-Jährige für Internationalität und könnte als Überraschungskandidat Stimmen aus Lateinamerika, Afrika und Europa bekommen. In der Nähe der spanischen Stadt Almería geboren, hat der Salesianer Pastoral- und Führungserfahrung in Lateinamerika und Nordafrika. Beinahe 20 Jahre lebte López Romero in Paraguay, später auch in Bolivien. Seine Zeit als Priester begann er jedoch in einem Armenviertel von Barcelona. Seine Sensibilität für Bedürftige und Migranten beeindruckte auch Franziskus, der ihn 2017 zum Erzbischof von Rabat in Marokko ernannte. Dort führt López Romero eine Diözese in islamischem Umfeld. Der interreligiöse Dialog ist für ihn Alltag. Der Spanier gilt als zugewandter Seelsorger ohne Allüren. Den rechten Bügel seiner Brille hat er mit einem kleinen Draht selbst repariert.
Pablo Virgilio David: Die Beratungen im Vorkonklave sollen entsetzlich langweilig gewesen sein. Vor allem ein Redebeitrag soll die Kardinäle allerdings kurzzeitig wachgerüttelt haben, der von Pablo Virgilio David. Damit könnte auch diese Papstwahl einen Schlüsselmoment gehabt haben, wie zwölf Jahre zuvor. Damals machte ein gewisser Jorge Bergoglio, Erzbischof von Buenos Aires und späterer Papst Franziskus, mit seiner Vision der Kirche von sich Reden. Im Kern lautete seine Botschaft damals, die Kirche dürfe nicht mehr selbstreferentiell sein, sondern müsse aus sich herausgehen. Was David, Präsident der philippinischen Bischofskonferenz genau sagte, wird man wohl erst nach dem Konklave erfahren, wenn überhaupt.
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