
Verschwimmen die Grenzen an den politischen Rändern?


Eine Umfrage legt nahe, dass eine Wagenknecht-Partei in Thüringen an die Spitze gewählt werden würde – auf Kosten der in Teilen rechtsextremen AfD. Berühren sich die Extreme?
Sahra Wagenknecht stand einst als Galionsfigur der Kommunistischen Plattform der Linken für den äußersten linken Flügel ihrer Partei. Wenn die 54-Jährige über Migration, Gendern, Energiepolitik oder den Ukraine-Krieg spricht, dann hören Politiker, aber auch Wähler der AfD gut zu. Mehr noch, sie applaudieren. So geschehen im September 2022: Während die Politikerin, die (noch) für die Linke im Bundestag sitzt, die Ampelkoalition im Plenarsaal bezichtigte, einen „Wirtschaftskrieg“ gegen Russland zu führen und das Ende der Sanktionen forderte, klatschten die AfD-Abgeordneten im Reichstag Beifall. Bereits Anfang des Jahres hatte der rechtsextreme Landeschef der Thüringer AfD, Björn Höcke, Wagenknecht gar angeboten, in seine Partei einzutreten.

Hat Höcke Angst vor einer potenziellen Konkurrentin Wagenknecht, die seit geraumer Zeit laut über die Gründung einer eigenen Partei nachdenkt? Falls ja, dürfte er seit der Veröffentlichung einer aktuellen Insa-Umfrage noch schlechter schlafen: Das Institut hat für eine mögliche Wagenknecht-Partei 25 Prozent der Stimmen prognostiziert, wenn jetzt Landtagswahl in Thüringen wäre. Damit wäre sie stärkste Partei, noch vor der AfD, die dann nur noch auf 22 Prozent käme – rund zehn Prozent weniger als in den Umfragen ohne eine Wagenknecht-Partei. Die Linke würde nach den Insa-Daten von 21 auf 18 Prozent sinken, die Partei wäre also deutlich weniger betroffen, wenn Wagenknecht bei der Wahl, die in rund einem Jahr stattfindet, tatsächlich mit einer eigenen Partei antreten würde.
Ist eine "Querfront" mehr als nur eine Fata Morgana?
Diese Zahlen befeuern eine Debatte, die schon in der Weimarer Republik die Gemüter erhitzte und bis heute in der Geschichtswissenschaft diskutiert wird. Wie stark berühren sich die politischen Extreme auf der äußersten linken und rechten Seite? Ist sogar eine „Querfront“ zwischen Links- und Rechtsaußen mehr als nur eine Fata Morgana?
Der Direktor des Münchner Instituts für Zeitgeschichte (IfZ), Andreas Wirsching, sagt im Gespräch mit unserer Redaktion: „Es gibt den berühmten Satz ,Die Extreme berühren sich’. Diese Tendenz kann man auch in Deutschland ein Stück weit beobachten. Es geht dabei um eine Fundamentalablehnung des Systems. Ob Sahra Wagenknecht so eingestellt ist, weiß ich gar nicht genau. Bei der AfD, gerade in Thüringen, ist es eindeutig – die Partei lehnt die repräsentative Demokratie ab. Sie ist eine Fundamentalopposition.“
Doch Wirsching, der an der Ludwig-Maximilians-Universität München als Professor lehrt, ist zurückhaltend, wenn mit Blick auf die Weimarer Republik Szenarien kurzerhand in die Gegenwart transportiert werden.
Oft ist von der Hufeisentheorie die Rede. Sie platziert die moderaten, demokratischen Parteien in den Bogen des Hufeisens und weist extremistischen Kräften die einander zugeneigten Spitzen zu. So soll versinnbildlicht werden, dass sich Gruppierungen, die auf den ersten Blick aus verfeindeten Lagern stammen, sehr nahestehen. Explizit gemeint waren die NSDAP an der rechten Spitze des Hufeisens und die KPD an der linken.

Experte Wirsching hält das für zu einfach gedacht: „Die beiden Parteien haben lediglich punktuell zusammengearbeitet, das berühmteste Beispiel ist der Streik bei den Berliner Verkehrsbetrieben 1932. Und sie hatten im Reichstag 1932 zusammen eine negative absolute Mehrheit gegen die Republik. Sie waren Todfeinde der Demokratie. Aber die Parteien haben ihre Stimmen aus sehr unterschiedlichen Milieus geschöpft.“
Immer wieder wird darauf verwiesen, dass der Begriff „Nationalsozialisten“ ja beide ideologischen Pole in sich vereinigt. Tatsächlich formierte sich innerhalb der NSDAP Mitte der 20er Jahre ein „linker“ Flügel, der jedoch recht schnell ausgeschaltet wurde. „Die NSDAP hat kein sozialistisches Programm verfolgt, das war eher Camouflage“, sagt Wirsching. Ihr Erfolg habe sich nicht zuletzt daraus gespeist, dass viele bürgerliche Wähler zur Partei übergelaufen sind. „Das ist in der Wahlforschung eindeutig belegt.“ Versuche, die beiden Leitmotive – also die Klasse als Prinzip im marxistischen Sinne oder die Betonung der Nation in einem radikal-nationalistischen Sinne – zusammenzuführen, hätten nicht funktioniert. So sei es auch der Idee des Nationalbolschewismus ergangen.
Historiker Andreas Wirsching sieht kaum Parallelen zur Weimarer Republik
Von einer „Querfront“ in Weimar kann also nicht die Rede sein. Einig waren sich Kommunisten und Nazis nur, wenn es gegen die verhasste Republik ging. Heute ist die Situation völlig anders. „Die Linke von Ministerpräsident Bodo Ramelow ist nicht systemfeindlich. Auch wenn es am linken Rand der Partei entsprechende Tendenzen geben mag“, sagt Wirsching. Auch gebe es große Unterschiede zwischen AfD und NSDAP, sowohl was die Ideologie betreffe als auch die innerparteiliche Verfasstheit. Die AfD sei verpflichtet, sich an das grundgesetzlich festgelegte Prinzip der innerparteilichen Demokratie zu halten. Erst wenn dieses Element wegfiele, müsste der Verfassungsschutz „ganz anders eingreifen“.
Mit Sorge blickt Wirsching auf die Auswirkungen des Erfolges der etablierten AfD: „Das parlamentarische System lebt von einem Pendelschlag zwischen links und rechts. Der ist jetzt massiv gestört, dadurch, dass bis zu 20 Prozent – in Ostdeutschland noch mehr – Rechtsaußen wählen.“ Die Brandmauer nach rechts sei für ihn zwar unabdingbar, zwinge aber die Parteien dazu, links davon zu regieren und große Kompromissfähigkeit an Tag zu legen. Ob das der politischen Stabilität dient, bezweifelt der Historiker: „Diese Entwicklung hat für mich eher etwas von einem Hauch von Weimar als etwa die faktische Radikalität der AfD.“
An den großen, nachhaltigen Erfolg einer Wagenknecht-Partei glaubt Wirsching nicht
Andreas Wirsching glaubt nicht daran, dass die Wagenknecht-Partei „mehr als einen Strohfeuereffekt“ auslösen könnte. „Sie würde extrem an einer Person hängen: an Sahra Wagenknecht.“ Hinzu komme, dass der Aufbau einer neuen Partei ein gewaltiges Organisationsproblem bedeuten würde. „Vielleicht wäre es am Ende besser für Wagenknecht, sich gleich an die AfD zu verkaufen, was ihr ja auch schon angeboten wurde. Ich sehe da nicht mehr so viele Unterschiede. Wenn sie in Thüringen mit einer neuen Partei antritt, würde sie im selben Milieu fischen, wie die AfD.“
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Natürlich wird das so kommen.. es wird sich viel verändern, die Menschen, Arbeitsplätze, Familienstrukturen, Senioren die länger fit bleiben.. usw.. das ist doch der lauf der Zeit .. wir hängen an etwas was so keinen Sinn mehr hat.. Der Mensch ist nun mal verschieden national, kulturell, aussehen, sexuell usw. und damit dieses so bleiben kann.. braucht es keine Gutmenschen sondern ganz normale Menschen mit gesunden Menschenverstand und Intelligenz.. Die Welt wird sich ändern und mit ihr die Menschen die dafür bereit sind und das ist eine Mischung aus allen und welche mit Freiheit, Offenheit, Tolerant und mit viel Respekt... und keine Dumpfbacken mit einer kindlichen Natur.. Keiner verharmlost etwas sondern man entscheidet MITEINANDER und nicht ständig ein paar für ALLE anderen....! Und all die übertriebenen Betroffenheitspopulisten können sich verabschieden..
Das war schon immer so. Stellt man die politischen Einstellung als einen Kreis dar, treffen sich rechts außen und links außen.
S. Wagenknecht und AFD haben in wichtigen Bereichen ähnliche Positionen: Verharmlosen von Corona, Verweigern der Impfung und schwadronieren vom besseren russischen Impfstoff, Verharmlosen oder gar Verleugnen der durch uns Menschen verursachten Erderhitzung, Ablehnen der Windkraft und anderer alternativer Energien, Setzen auf russisches Erdgas, Unterstützung Russlands bei seinem verbrecherischen Angriffskrieg in der Ukraine und schon zuvor bei seinen mörderischen Militäreinsätzen in Syrien, wenig demokratische Kultur, …
In Anlehnung an Willy Brandt kann man meinen: Da wächst zusammen, was zusammen gehört.
Raimund Kamm
Lieber Raimund Kamm,
das ist ja mehr als peinlich, was sie da von sich geben. Das hätte ich von Ihnen nicht erwartet, aber man kann sich in diesem Fall leider auch irren. Es mag da durchaus einiges geben was sich ähnlich anhört aber die Beweggründe sind ganz andere. Und wenn sie es als Unterstützung Russlands ansehen, wenn man auf die Vorgeschichte des Ukraine-Kriegs und die Mitschuld des Westens hinweist tun sie mir leid.
Aber es wurde ja bereits angekündigt, dass man die Sarah Wagenknecht schlecht machen wird, je mehr man befürchtet dass sie eine neue Partei gründen wird.
Rainer Nödel
@ Rainer Nödel
Welche Vorgeschichte rechtfertigt denn die russischen Kriegsverbrechen gegen und in der Ukraine?
Raimund Kamm
Ich hoffe, dass ihre Antwort rein rethorisch gemeint war.
Weder Krieg noch Kriegsverbrechen sind zu rechtfertigen.