In der Türkei geht der Kurdenkrieg nach mehr als 40 Jahren zu Ende: Die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) verkündete am Montag das Ende ihres bewaffneten Kampfes und erklärte sich für aufgelöst. Die Entscheidung wird Auswirkungen weit über die Türkei hinaus haben und könnte die Beziehungen des Landes zu Europa und den USA sowie die Situation in Syrien und im Irak verändern. Zugleich ist die Kapitulation der PKK ein politischer Erfolg für Präsident Recep Tayyip Erdogan. Ob und wann die rund 15 Millionen Kurden in der Türkei mit mehr Rechten rechnen können, bleibt allerdings offen.
Für die Türkei ist die Auflösung der PKK eine Zeitenwende. Im Krieg zwischen der Guerilla und der türkischen Armee starben seit 1984 mehr als 40.000 Menschen, ganze Landstriche in Südostanatolien wurden verwüstet. Der türkische Staat führte zeitweise mit außergerichtlichen Hinrichtungen, Folterungen und dem Einsatz von Mafiosi gegen die Kurden einen schmutzigen Krieg. Die PKK tötete viele Zivilisten bei Anschlägen im Kurdengebiet und in den westtürkischen Metropolen. Generationen von Türken und Kurden sind mit dem Konflikt aufgewachsen, der auch das Verhältnis der Türkei zu ihren Nachbarstaaten sowie zum Westen belastet.
PKK-Kämpfer sollen ihre Waffen abgeben
Nun soll der Krieg enden. Der inhaftierte PKK-Gründer Abdullah Öcalan verhandelt seit Monaten mit dem türkischen Geheimdienstchef Ibrahim Kalin über eine Friedenslösung. Öcalan rief die PKK im Februar zur Selbstauflösung auf; die Organisation fasste den formellen Beschluss bei einem Kongress vorige Woche im Nordirak und veröffentlichte die Entscheidung am Montag. Die PKK habe ihre „historische Mission“ erfüllt, indem sie mit ihrem Kampf die „Politik der Vernichtung“ gegen die Kurden gestoppt und eine politische Lösung der Kurdenfrage ermöglicht habe. Der PKK-Kongress habe deshalb beschlossen, „die Organisationsstruktur der PKK aufzulösen, den bewaffneten Kampf zu beenden und die Aktivitäten unter dem Namen PKK einzustellen“.
Bis Ende Juni sollen die PKK-Kämpfer nach türkischen Medienberichten ihre Waffen unter Aufsicht der UNO im Nordirak abgeben. Stützpunkte und Verstecke der Gruppe im Irak sollen zerstört werden. Die Zeitung Nefes meldete, es gebe 9000 PKK-Kämpfer im Nordirak und 3000 in der Türkei. Ob es für einfache PKK-Mitglieder eine Amnestie geben wird, steht nicht fest. Rund 50 hochrangige PKK-Kommandanten dürfen laut Nefes nicht in die Türkei zurückkehren und auch nicht nach Syrien gehen. Sie sollen entweder im Irak bleiben oder ins Exil geschickt werden; viele würden sich am liebsten in Europa niederlassen.
Bekommen die Kurden nun mehr Rechte?
Nach der Entwaffnung der PKK will der türkische Staat mit politischen Reformen zugunsten der Kurden beginnen, wie die Zeitung Hürriyet meldete. Welche Veränderungen geplant sind, ist nicht bekannt: Erdogan will mit Rücksicht auf seine nationalistischen Wähler den Eindruck vermeiden, sich auf einen Deal mit der PKK eingelassen zu haben. Erdogans Berater Mehmet Ucum kündigte zwar in einer ersten Reaktion auf die PKK-Auflösung „umfassende demokratische und rechtliche Reformen“ an. Details nannte er nicht.
Die PKK forderte in ihrer Erklärung vom Montag die Anerkennung der politischen Rechte der Kurden und rechtliche Garantien. Dabei trage das türkische Parlament eine „historische Verantwortung“. Auch die legale türkische Kurdenpartei DEM, die fast 60 Abgeordnete im Parlament von Ankara hat, verlangte vom türkischen Staat einen grundlegenden Wandel im Umgang mit der kurdischen Minderheit. Im Gespräch ist die Entlassung von tausenden PKK-Anhängern aus türkischen Gefängnissen.
Internationale Folgen der PKK-Selbstauflösung
Auch international wird die Auflösung der PKK viel verändern. Die Entwaffnung der Kurdengruppe könnte ein Pluspunkt für die türkisch-europäischen Beziehungen sein. Ankara warf den Europäern bisher vor, zu wenig gegen Propaganda, Schutzgelderpressung und die Anwerbung von Kämpfern durch die PKK in ihren Ländern zu unternehmen.
Die PKK-Selbstauflösung dürfte zudem zur Stabilisierung des Nordiraks beitragen und die geplante Einrichtung eines Transportkorridors vom Persischen Golf durch den Irak in die Türkei erleichtern. In Nordsyrien, wo die Türkei seit Jahren gegen den PKK-Ableger YPG kämpft, könnten die Spannungen ebenfalls sinken.
Die PKK wurde 1978 von Abdullah Öcalan gegründet, hauptsächlich als Reaktion auf die politische, soziale und kulturelle Unterdrückung der Kurden in der Türkei. Zu Beginn war sie eine politische Organisation, die Kurden zum Widerstand gegen die türkische Regierung aufrief. Später wurde sie eine militante Bewegung, die zunehmend gewaltsame Mittel einsetzte, um ihre Ziele zu erreichen - inklusive Terroranschläge auf Zivilisten.
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