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Präsidentenwahl : Prognose: Kopf-an-Kopf-Rennen bei Präsidentenwahl in Polen

Präsidentenwahl

Prognose: Kopf-an-Kopf-Rennen bei Präsidentenwahl in Polen

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    Der konservative Präsidentschaftskandidat Karol Nawrocki und der Kandidat der Bürgerkoalition für die polnischen Präsidentschaftswahlen, Rafal Trzaskowski, bei Wahlkampfveranstaltungen.
    Der konservative Präsidentschaftskandidat Karol Nawrocki und der Kandidat der Bürgerkoalition für die polnischen Präsidentschaftswahlen, Rafal Trzaskowski, bei Wahlkampfveranstaltungen. Foto: Piotr Nowak, Czarek Sokolowski/PAP/dpa

    Bei der Stichwahl um das Präsidentenamt in Polen zeichnet sich weiterhin ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Nach aktuellen Prognosen (Stand etwa 23.30 Uhr) erhielt der rechtskonservative Kandidat Karol Nawrocki 50,7 Prozent der Stimmen, auf den liberalen Kandidaten Rafal Trzaskowski entfielen demnach 49,3 Prozent der Stimmen. Die Wahlbeteiligung lag demnach bei 71,7 Prozent.

    Die Prognosen beruhen auf der Grundlage von Nachwahlbefragungen in 500 Wahllokalen und Teilauszählungen in 250 dieser Wahllokale. Nach Angaben des Meinungsforschungsinstituts Ipsos haben diese detaillierten Prognosen eine Fehlertoleranz von einem Prozentpunkt. Hochrechnungen wie in Deutschland gibt es in Polen nicht. Das offizielle Endergebnis wird nach Angaben der Wahlkommission am Montagvormittag vorliegen.

    Worum es bei der Wahl in Polen geht

    Dabei sind die Visionen, die beide für ihr Land haben, diametral entgegengesetzt. Das tief gespaltene Polen steht vor einer Richtungswahl. Sie wird den Kurs des EU- und Nato-Mitglieds maßgeblich bestimmen - mit Auswirkungen für Deutschland und Europa. 

    „Nach vorn oder zurück?“, titelte das Magazin Polityka in seiner neuesten Ausgabe – und darin zeigt sich das Dilemma von Deutschlands östlichem Nachbarn. Gewinnt der Warschauer Oberbürgermeister Trzaskowski das Rennen, dann hat der proeuropäische Regierungschef Donald Tusk einen Parteifreund und starken Verbündeten im Präsidentenpalast, der ihn bei seinem Reformkurs unterstützen wird.

    Setzt sich der parteilose Historiker Nawrocki durch, dann hat Tusk schlechte Karten. Denn Nawrocki wird von der rechtskonservativen PiS unterstützt, Polens größter Oppositionspartei. Nawrocki könnte mit seinem Vetorecht Gesetzentwürfe blockieren und Tusk das Regieren praktisch unmöglich machen. Ein instabiles Polen und vorgezogene Neuwahlen könnten die Folge sein – und die mögliche Rückkehr der PiS an die Macht.

    Für die EU ist Polen eine Wirtschaftslokomotive

    Polen ist seit 2004 Mitglied der EU. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat das Land mit seinen 37,5 Millionen Einwohnern ein stetiges Wirtschaftswachstum hingelegt – mit Ausnahme einer kleinen Delle infolge der Corona-Pandemie. Seit 2015 hat sich das Durchschnittseinkommen mehr als verdoppelt, derzeit liegt es bei umgerechnet 2113 Euro.

    Ein Netz von Autobahnen, auch mit EU-Mitteln subventioniert, durchzieht das Land. Funklöcher sucht man vergebens, die Züge der polnischen Eisenbahn fahren meist pünktlich. Schmucke Eigenheime mit Doppelgarage und Solaranlage zeugen vielerorts davon, dass der Wohlstand auch auf dem Land angekommen ist. Und überall bezahlen die Menschen bargeldlos mit Blik, einem landeseigenen mobilen Bezahlsystem.

    Die Skyline der polnischen Hauptstadt Warschau - Polen hat in den vergangenen 20 Jahren einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung verbucht. (Archivbild)
    Die Skyline der polnischen Hauptstadt Warschau - Polen hat in den vergangenen 20 Jahren einen enormen wirtschaftlichen Aufschwung verbucht. (Archivbild) Foto: dpa

    Gewachsene militärische Bedeutung durch Ukraine-Krieg

    Russlands Angriffskrieg gegen die benachbarte Ukraine hat Polens Rolle als Nato-Partner aufgewertet. Das Land ist eine wichtige logistische Drehscheibe für die Militärhilfe des Westens für Kiew. 

    Polen fühlt sich auch selbst von Russland bedroht und rüstet massiv auf. In diesem Jahr will es 4,7 Prozent von seinem Bruttoinlandsprodukt für Verteidigung ausgeben. Seine Streitkräfte zählen 206 000 Soldatinnen und Soldaten - deutlich mehr als die Bundeswehr.

    Die polnische Armee hat mehr Soldatinnen und Soldaten als die Bundeswehr. (Archivbild)
    Die polnische Armee hat mehr Soldatinnen und Soldaten als die Bundeswehr. (Archivbild) Foto: dpa

    Liberale Städter, konservative Landbewohner

    Die Vorstellungen darüber, wie sich Polen mit seiner wachsenden Bedeutung positionieren soll, gehen innerhalb der Bevölkerung aber stark auseinander. Die erste Wahlrunde hat gezeigt: Der liberale Proeuropäer Trzaskowski hat seine Wähler vorwiegend in den Städten. Der 53-jährige Warschauer Stadtoberste setzt sich für die Rechte der LGBT-Community ein, spricht fünf Fremdsprachen und ist aus seiner Zeit als stellvertretender Außenminister international gut vernetzt.

    Doch auf dem Land wächst die Zahl derer, die das Gefühl haben, dass ihre Interessen bei dem rasanten Wandel der Gesellschaft auf der Strecke bleiben. Viele Anhänger von Karol Nawrocki sagen, sie wollten «Normalität». Sie meinen die Rückkehr zu einem traditionellen, katholisch geprägten Familienbild. Und sie wollen weniger Europa, weniger Migration und mehr Nation.

    Der Rechtskonservative Karol Nawrocki hat besonders auf dem Land viele Anhänger. (Foto aktuell)
    Der Rechtskonservative Karol Nawrocki hat besonders auf dem Land viele Anhänger. (Foto aktuell) Foto: dpa

    Ängste vor dem Verlust der Souveränität

    Der 42-jährige Nawrocki ist ein Mann mit schwieriger Vergangenheit. Er war in seiner Jugend Amateurboxer und Türsteher, hat aus dieser Zeit Kontakte ins Rotlichtmilieu und war 2009 an einer Massenschlägerei von Fußball-Hooligans beteiligt. Das alles spricht nicht unbedingt für Normalität.

    Doch Nawrocki spielt geschickt mit den Ängsten der Menschen. Die EU wolle aus Polen einen „Landkreis mit polnischstämmiger Bevölkerung“ machen und dem Land die Souveränität nehmen, warnt er im Wahlkampf. „Wieso sollen wir das Kommando über die polnischen Streitkräfte an Brüssel abgeben, wenn Ursula von der Leyen nicht mal die Bundeswehr im Griff hatte?“ Das gefällt dem Publikum – und niemand hinterfragt, ob es denn überhaupt solche Pläne gibt.

    Rechtsextreme profitieren von Politikverdrossenheit

    Ein weiterer Faktor bei dieser Wahl ist Politikverdrossenheit. Viele Menschen haben einfach genug davon, dass der Kampf zwischen dem 68-jährigen Donald Tusk und dem 75-jährigen Jaroslaw Kaczynski seit mehr als 20 Jahren die Politik ihres Landes bestimmt. Das sei eine Erklärung dafür, dass in der ersten Wahlrunde mehr als 21 Prozent der Wähler für zwei rechtsextreme Kandidaten gestimmt hätten, sagte Agnieszka Lada-Konefal vom Deutschen Polen-Institut. „Das war die Rote Karte für diese beiden Herren. Besonders die jungen Wähler finden sich da nicht mehr wieder.“

    Der Rechtsextreme Slawomir Mentzen und der offen antisemitisch agierende Grzegoz Braun sind in der ersten Wahlrunde ausgeschieden. Viele ihrer Anhänger sind Protestwähler, deren Verhalten in der Stichwahl schwer abzuschätzen ist. Doch die Annahme ist, dass ein Großteil von ihnen Nawrocki die Stimme geben wird. (Doris Heimann, dpa)

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