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Präsidentschaftswahl in Polen: Kann Tusk die PiS-Blockade durchbrechen?

Polen

Befreien sich die Polen mit der Präsidentschaftswahl von der Blockade?

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    Liegt in den Umfragen zur polnischen Präsidentschaftswahl vorne: Der Bürgermeister von Warschau und Kandidat der Bürgerkoalition (KO) Rafal Trzaskowski.
    Liegt in den Umfragen zur polnischen Präsidentschaftswahl vorne: Der Bürgermeister von Warschau und Kandidat der Bürgerkoalition (KO) Rafal Trzaskowski. Foto: Jakub Kaczmarczyk, PAP/dpa

    Wahlkämpfe in Polen sind nichts für zartbesaitete Gemüter. Im Gegenteil: Wenn die nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) und die regierende liberal-konservative Bürgerkoalition (KO) bei Parlamentswahlen antreten oder – wie jetzt – ihre Kandidaten zu Präsidentschaftswahlen ins Rennen schicken, geht es rustikal, ja oft auch hasserfüllt zur Sache.

    „Die Polarisierung ist extrem, weit ausgeprägter als in Deutschland“, sagte der politische Analyst des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung, Daniel Lemmen, in Warschau im Gespräch mit unserer Redaktion. „Die TV-Debatten sind meist sehr inhaltsleer. Man kann fast von einer ’Tiktokisierung‘ des Wahlkampfs sprechen.“ Tatsächlich ersetzen Schlagworte oft die Argumente. „Für die Bürger stehen die Reform des Gesundheitswesens, die Migration inklusive Grenzschutz und die Wirtschaftspolitik an erster Stelle“, analysiert Lemmen.

    Der polnische Präsident hat weit mehr Kompetenzen als sein deutscher Amtskollege

    Der Präsident in Polen verfügt über deutlich mehr Macht als der deutsche Bundespräsident. Er hat die Richtlinienkompetenz für die Außenpolitik inne und ist Oberbefehlshaber der Armee. Er kann die Innenpolitik zwar nicht gestalten, hat aber als Unterzeichner sämtlicher Gesetze ein weitgehendes Vetorecht gegen Entscheidungen der Regierung. Unterschreibt er nicht, kann er die Vorhaben an das Verfassungsgericht, das fest in der Hand von PiS-treuen Juristen ist, zur Prüfung weiterleiten. Der noch amtierende Präsident Andrzej Duda (PiS), der nicht mehr antreten darf, tut alles dafür, die Regierung unter Führung von Ministerpräsident Donald Tusk auszubremsen. Die Folgen sind beträchtlich. Das Ausbleiben vieler der angekündigten Reformen frustriert viele Anhänger Tusks zusehends.

    Dabei kann Polen einen stetigen wirtschaftlichen Aufschwung vorweisen. Lemmen: „Tatsächlich sind die Zahlen blendend. 2024 lag das Wirtschaftswachstum bei 2,9 Prozent, im laufenden Jahr werden 3,9 Anstieg prognostiziert – auch die lange Zeit hohe Inflation ist zurückgegangen. Dennoch stehen sich die politischen Blöcke und ihre Protagonisten PiS-Parteichef Jaroslaw Kaczynski und Donald Tusk seit fast einem Vierteljahrhundert unversöhnlich gegenüber.“

    Für Trzaskowski ist der Wahlkampf ein Spagat

    Die weitgehende Blockade der Politik der Regierung Tusk wäre aufgelöst, wenn der Warschauer Bürgermeister Rafal Trzaskowski am kommenden Sonntag oder in der Stichwahl am 1. Juni siegen würde. Der 53-jährige Politologe, der bei der letzten Präsidentschaftswahl nur knapp an Duda gescheitert fwar, steht politisch links von Tusk. Immer wieder nahm er an Veranstaltungen der LGBT-Bewegung teil. Das mag ihm in den liberal geprägten polnischen Großstädten nicht schaden, stößt aber gerade in den konservativ-katholisch geprägten ländlichen Regionen des Landes auf Ablehnung. „Für Trzaskowski ist der Wahlkampf ein Spagat. Er hat zuletzt auch Positionen rechts der Mitte eingenommen, was seinen liberalen Anhängern in den Metropolen nicht gefällt. Aber sein Konzept ist es, sich als ein Präsident für alle Polen zu präsentieren“, erklärt Lemmen.

    Der noch immer mächtige Kaczynski schickte mit dem 42-jährigen Karol Nawrocki einen Parteilosen ins Rennen: „Der Kandidat für das höchste Staatsamt sollte ein Mann sein. Jung, groß, imposant, mit Familie und Fremdsprachenkenntnissen“, begründete Kaczynski seinen Schachzug. Der PiS-Patriarch habe darauf gesetzt, dass der Historiker Nawrocki gerade, weil er nicht zum politischen Establishment gehört, eine gute Chance hat, sagt Experte Lemmen. Doch nach einem guten Start geriet Nawrocki immer wieder auf Feldern außerhalb der Politik ins Straucheln. So wird er beispielsweise verdächtigt, einen 80-Jährigen durch eine dubiose Überschreibung von dessen Eigentumswohnung über den Tisch gezogen zu haben. „Dieser Fall könnte am Ende die Wahl entscheiden. Jetzt wird ihm in TV-Debatten ständig Unehrlichkeit vorgeworfen. Das ist eine offene Wunde“, sagt Lemmen. In aktuellen Umfragen liegt Trzaskowski mit gut 34 Prozent rund acht Prozentpunkte vor Nawrocki.

    An dritter Stelle in den Umfragen steht Slawomir Mentzen von der rechtsradikalen Partei Konfederacja

    Unter den insgesamt 13 Kandidaten hat es Slawomir Mentzen von der rechtsradikalen Partei Konfederacja geschafft, sich in den Vordergrund zu schieben. Im März traute man ihm sogar zu, in die Stichwahl zu kommen. Doch nun liegt er bei nur noch rund 12 Prozent. Beobachter halten ihn aber für einen potenziellen Verbündeten für die PiS bei kommenden Wahlen. Schließlich ist auch Mentzen europafeindlich und nationalistisch.

    Vieles spricht dafür, dass die erwarteten Stichwahlen knapp ausgehen werden. Während das Gros der Mentzen-Anhänger am 1. Juni Nawrocki unterstützen dürfte, könnten die Wähler der beiden kleineren Wahlbündnisse, die an der Regierung Tusk beteiligt sind, für Trzaskowski votieren. „Es könnte Überraschungen geben, aber ich glaube, dass Trzaskowski gewinnt“, prognostiziert Daniel Lemmen.

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