Angesichts rasant gestiegener Sprit-, Gas- und Strompreise tobt seit Wochen in der Berliner Politik eine Debatte über mögliche Entlastungen für die Bevölkerung. Doch diesen Mittwoch könnte das Gegenteil passieren: In Berlin wird erwartet, dass das Bundeskabinett eine neue Abgabe auf den Hausmüll beschließt, die zu einem kräftigen Anstieg der Müllgebühren und damit zu einer zusätzlichen Belastung privater Haushalte führen könnte. Der Verband kommunaler Unternehmen, in dem die öffentlichen Stadtwerke und Abfallentsorgungsbetriebe zusammengeschlossen sind, erwartet, dass ab kommendem Jahr rund eine Milliarde Zusatzkosten auf die Deutschen zukommen könnten.
Konkret geht es um den Klimaschutz bei der Neufassung des sogenannten „Brennstoffemissionshandelsgesetzes“. Die Bundesregierung will künftig auch Restmüll, der in den Müllverbrennungsanlagen der Republik verbrannt wird, ähnlich wie bereits Kohle und Gas mit einer CO2-Abgabe „bepreisen“. Die Betreiber der Müllverbrennungsanlagen laufen seit Jahren Sturm gegen die Pläne.
Abfallgebühren könnten um 20 bis 30 Prozent steigen
Die meisten Müllverbrennungsbetreiber haben sich in der „Interessengemeinschaft der thermischen Abfallbehandlungsanlagen“ zusammengeschlossen. Sie verbrennen rund 15 Millionen Tonnen Restmüll, der beim sogenannten Siedlungsabfall in Privathaushalten und Kleingewerbe anfällt. Der Verband warnt davor, dass mit dem geplanten CO2-Preis die Abfallgebühren in Deutschland um 20 bis 30 Prozent steigen könnten. Nicht nur die Restmüllverbrennung werde teurer, sondern auch das Recycling, weil auch hier Massen an Sortierresten anfielen.
Tatsächlich unterscheiden sich die Abfallgebühren für Privathaushalte von Stadt zu Stadt und von Landkreis zu Landkreis stark. Dazu kommen meist Unterschiede je nach Tonnengrößen und Abholungstakt. Laut des aktuellen Müllgebührenrankings des Vermieterverbands Haus & Grund kostet eine 14-tägige Leerung in Wolfsburg als günstigster Stadt 128 Euro durchschnittlich im Jahr, in Augsburg 228, in Ulm 300 und in Trier 444 Euro im Jahr.
Experten gehen davon aus, dass allein die CO2-Abgabe pro Haushalt in fünf Jahren auf mindestens 50 Euro jährlich steigt und in einem Jahrzehnt sogar bis zu 300 Euro möglich seien. Weitere Preissteigerungen drohen durch die hohen Dieselpreise für die Müllabfuhr und die Gaskosten: Um die Mindesttemperatur von 850 Grad zu erreichen, müssen die Anlagen oft an- und nachfeuern. Deutlich höhere Kosten fallen ebenso für die Rauchgasreinigung an, da sich die Preise für das benötigte Ammoniakgas vervielfacht haben.
Kommunalverband warnt vor "Zusatzbelastungen zur Unzeit"
„In unseren Augen handelt es sich bei der Ausweitung des nationalen Brennstoffemissionshandels auf die Abfallentsorgung um Zusatzbelastungen zur Unzeit“, sagt der Hauptgeschäftsführer des Verbands der kommunalen Unternehmen, Ingbert Liebing, unserer Redaktion. „In der aktuellen Krisensituation sehen wir bereits jetzt enorme Kostensteigerungen für die privaten Haushalte insbesondere bei Energie.“ Liebing verweist darauf, dass die rund eine Milliarde Zusatzkosten durch die CO2-Bepreisung von Jahr zu Jahr entsprechend der Preistreppe des Gesetzes immer weiter steigen sollen. Seinem Verband zufolge würden vor allem Mietwohnungshaushalte stark belastet, da in Wohnanlagen das Restmüll-Aufkommen traditionell höher sei.
Befürworter der CO2-Abgabe auf Abfall haben bei einer Anhörung im Bundestag auf positive Anreize zur Müllreduzierung verwiesen. „Eine CO2-Bepreisung der Verbrennung von Wertstoffen bietet den richtigen Ansatz, die Umwelt zu entlasten, weil die Entsorgung über Verfeuerungsöfen deutlich unattraktiver wird“, erklärte der Bund Naturschutz. „Um die Kostensteigerungen durch die CO2-Bepreisung zu minimieren, kann gerade die kommunale Ebene zahlreiche Maßnahmen zur Abfallvermeidung und einem hochwertigen Recycling ergreifen“, erklärten die Umweltschützer.
Verbandsvertreter Liebing bezweifelt eine ökologische Lenkungswirkung: „Die Entsorgungsunternehmen können den fossilen Kunststoffanteil im Restmüll nicht steuern und auch die Verbraucherinnen und Verbraucher haben keinen Einfluss auf die Verwendung von Kunststoffen oder Kunststoffverpackungen durch die Industrie“, betont er.
Kommunale Abfallwirtschaft befürchtet Steigerung der Müllexporte
Für wahrscheinlicher hält Liebing, dass durch den nationalen Alleingang die Müllexporte weiter steigen. „Durch das Gesetz werden, statt Langlebigkeit der Produkte, Mehrwegverwendung und ihre Recycelbarkeit zu fördern, Abfallexporte in Länder mit qualitativ minderwertigen Behandlungsanlagen zunehmen“, warnt er. In den vergangenen zehn Jahren haben sich Deutschlands Siedlungsmüllexporte innerhalb Europas auf eine Million Tonnen verdoppelt, nachdem die Müllverbrennung beispielsweise in Dänemark oder den Niederlanden oft nur die Hälfte der deutschen Preise kostet und in manchen Ländern noch Deponien mit klimaschädlichen Methanemissionen zugelassen sind. „Abfall sucht sich leider immer den billigsten Weg“, mahnt Liebing.
Davor warnt auch die umweltpolitische Sprecherin der Union-Bundestagsfraktion, Anja Weisgerber. „Bei der Verabschiedung der nationalen CO2-Bepreisung haben wir der Bundesregierung einen klaren Prüfauftrag gegeben, unter welchen Voraussetzungen die Verbrennung von Siedlungsabfällen einbezogen werden kann“, sagt die CSU-Politikerin. „So wollten wir zum Beispiel sicherstellen, dass der Müll nicht in andere Staaten verbracht wird“, betont sie.
Auch hält Weisgerber den Zeitpunkt zur Einführung für falsch. „Die Vorzeichen haben sich jetzt nochmals verändert“, sagt die Umweltpolitikerin. „Die Haushalte sind aktuell durch Preisanstiege vor allem bei Energie und Lebensmitteln sehr belastet. Eine Gesetzesänderung zu beschließen, die erhöhte Müllgebühren riskiert, kommt für mich zur Unzeit.“