Dass Wladimir Putin den Zusammenbruch der Sowjetunion im Jahr 1991 als „die größte geopolitische Katastrophe des Jahrhunderts“ bezeichnet hat, ist nicht neu. Wie ernst der russische Machthaber diesen Satz gemeint hat, manifestiert sich seit vielen Jahren in der aggressiven, zunehmend kriegerischen Außenpolitik. Weniger im Blickfeld ist, wie weit der Präsident die Restauration im Inneren vorangetrieben hat. Putin verfolgt seine Gegenspieler skrupelloser als die Herrscher des Sowjetreiches der 70er und 80er Jahre.
Wobei die Kategorie Gegenspieler nicht mehr nur tatsächliche Kontrahenten umfasst, sondern alle möglichen Akteure oder Gruppen, die er in seinem längst pathologischen Misstrauen für potenziell gefährlich für seinen allumfassenden Machtanspruch hält.
Ein Schlaglicht auf diese Entwicklung wirft der beispiellose Umgang der staatlichen Justiz mit Juristen, die Alexej Nawalny verteidigt haben. Ein russisches Gericht verurteilte jüngst drei Anwälte des 2024 in Haft unter obskuren Umständen gestorbenen Oppositionellen zu langen Haftstrafen im Straflager. Unter den Verurteilten ist der prominente Verteidiger Wadim Kobsew – er soll für fünfeinhalb Jahre ins Straflager.
Auch die Grundlagen juristischer Regeln werden nicht mal mehr vorgegaukelt
Wofür? Wegen angeblicher Mitarbeit in einer extremistischen Organisation – eine so abstruse wie vorgeschobene Beschuldigung. Julia Nawalnaja, die Witwe Nawalnys, nennt die Juristen „politische Gefangene“. In den Gefängnissen und Straflagern Russlands leben viele Männer und Frauen, deren einzige Verfehlung es ist, dem Moskauer Regime Widerstand entgegengesetzt zu haben. So war es auch in der Sowjetunion. Neu ist allerdings, dass es Putin nun offenbar nicht mehr für nötig hält, wenigstens noch nach außen die Grundregeln juristischer Verfahren vorzugaukeln.
Diese neue Form der ungezügelten staatlichen Willkür ist nicht nur in der Justiz zu beobachten. Der Beginn des Generalangriffs auf die Ukraine vor fast drei Jahren markiert das Abgleiten Russlands in die völlige Rechtlosigkeit für kritische Bürgerinnen und Bürger, die die Repressionen während der späten Sowjetzeit noch übertrifft.
Die Aufarbeitung des Stalinismus? Abserviert
Die „Sowjetisierung“ greift auf immer mehr Bereiche des Alltags über, wie anhand der allrussischen Kinder- und Jugendbewegung zu beobachten ist, die sich an sowjetischen Vorbildern orientiert. Sogar Josef Stalin, der für den Tod von Millionen Menschen verantwortlich ist, werden wieder Denkmäler gewidmet. Die Menschenrechtsorganisation Memorial, die 1989 nicht zuletzt gegründet wurde, um die Verbrechen in der Stalin-Zeit aufzuarbeiten, wurde hingegen 2022 behördlich aufgelöst.
Ebenso gefährlich wie Kritik am Regime Putins ist es, in den Verdacht zu geraten, ausländischen Interessen zu dienen – das ist praktisch, denn wie Einfluss aus dem Ausland definiert wird, bestimmt der Kreml. Unermüdlich wird den Russen eingetrichtert, dass man sich in einem Krieg gegen den Westen befinde. In dieser Atmosphäre wird schnell zum Spion erklärt, wer demokratische Werte einfordert und Kontakte nach Westeuropa oder in die USA unterhält.
Die einst verfemte orthodoxe Kirche ist in der ersten Reihe
Gegenstand von allgegenwärtiger Glorifizierung sind ein traditionelles Familienbild und die bedingungslose Liebe zum Vaterland. An diesem Punkt bricht Putin durchaus geschickt mit einer Gewissheit der Sowjetunion: Die lange verfemte und verfolgte Russisch-Orthodoxe Kirche ist eine verlässliche Stütze des Regimes. Das gibt Krieg und Diktatur religiöse Weihen. Gefallene russische Soldaten würden direkt in den Himmel kommen, predigte Kirchenführer, Patriarch Kirill.
Flankiert wird all dies durch ein Trommelfeuer der gleichgeschalteten Medien, in denen Hass und Hetze, ja Vernichtungsfantasien gegen als feindlich markierte Staaten zum Alltag gehören. Während es zumindest in den großen Städten wie Moskau oder Sankt Petersburg noch zivilgesellschaftliche Gruppen gibt, die gegen die allgegenwärtige Propaganda immun sind, ist die mediale Indoktrinierung bei der Bevölkerung der ländlichen Regionen sehr erfolgreich.
Experte Jens Siegert ist nicht sehr optimistisch
Sicher, eines Tages wird auch die Ära Wladimir Putin zu Ende sein. Doch für den Politikwissenschaftler Jens Siegert, der seit 1993 in Moskau lebt, ist das nur bedingt ein Anlass für Optimismus. „Es könnte ein Nachfolger an die Macht kommen, unter dem es so ungefähr weitergeht wie bisher“, sagte Siegert vor einigen Wochen unserer Redaktion. Aber es könne auch schlimmer kommen, schließlich gebe es in Russland Leute, die finden, dass Putin „viel zu weich ist, die einen viel härteren Kriegskurs gegen die Ukraine fordern und sogar den Einsatz von Atombomben“ befürworten würden. Siegert hofft dennoch auf ein helleres Szenario, wenn sich Akteure durchsetzen würden, die erkennen, dass der gegenwärtige Weg schlecht für Russland ist, „auch wenn das derzeit wenig wahrscheinlich ist“.
Diese Art von Diktatur wünscht sich ja die AfD auch für Deutschland. Darum lieben und bewundern die AfD’ler auch Putin und seine brutale Politik. Höcke faselt ja schon von einem neuen Auschwitz. Dazu kommt bei der AfD noch der Rassismus.
Herr Kaminski hat ja vollkommen recht mit seiner Faktendarstellung Rußlands ! Eine Frage aber bleibt: Warum erst jetzt ? Ich habe genau dieses Rußland schon vor 3 Jahren (auch hier in dieser Zeitung) beschrieben, habe darauf hingewiesen, daß der Moskauer Diktator die Sowjetunion -und zwar in ihrer schlimmsten Form unter Stalin- restaurieren die Absicht hat ! Daher blickt die Kreml-Mafia auch schon auf die baltischen Staaten, auf Moldawien und auch Rumänien, auf Georgien und darauf, wie die politische Herrschermacht mindestens bis Berlin ( und darüber hinaus) ausgedehnt werden kann. Moskau will ganz Europa beherrschen - das schrieb ich vor 3 Jahren !
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